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Zwischen Krieg und Frieden (eBook)

Die Besetzung und Entnazifizierung Deutschlands 1944-1946
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
544 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-7492-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwischen Krieg und Frieden -  Frederick Taylor
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Im September 1944 betrat erstmals ein amerikanischer Soldat deutschen Boden, einen Monat später wurde Aachen als erste große Stadt besetzt. Deutschlands Stunde Null hatte begonnen, und von nun an sahen sich die Alliierten völlig neuen Herausforderungen ausgesetzt. Noch während deutsche Truppen in erbitterten Kämpfen niedergeschlagen wurden, mussten die Eroberungen gesichert werden, galt es, der kritischen Situation in den überfüllten Gefangenenlagern Herr zu werden, waren Millionen Flüchtlinge aus Mittel- und Osteuropa aufzunehmen. Und vor allem: Die nationalsozialistische Ideologie sollte so schnell wie möglich aus dem Leben der Deutschen verschwinden. Politische Führer mussten entmachtet und zur Verantwortung gezogen werden, und zugleich war das zivile Leben neu zu organisieren. Für all das gab es keinen Masterplan. Deutschland, so Frederick Taylor, war für die westlichen Besatzungsmächte zunächst wie ein leeres Blatt. Eindringlich zeichnet er nach, wie dann jedoch die Lernprozesse begannen und ein fundamentaler Bewusstseinswandel einsetzte. Zwischen Krieg und Frieden erzählt diese dramatischen zwei Jahre deutscher Geschichte aus der Perspektive der Besatzer und der Besetzten, aus der Sicht der militärischen und politischen Führer wie der einfachen Menschen. Es ist ein beeindruckend vielstimmiges Bild, das nuancenreiche Panorama einer Umbruchzeit, in der nicht weniger als die Voraussetzungen für eine neue Gesellschaft geschaffen wurden.

Frederick Taylor hat Neue Geschichte und Germanistik studiert und ist Fellow der Royal Historical Society. Seine Bücher Dresden. Dienstag, 13. Februar 1945 und Die Mauer. 13. August 1961 bis 9. November 1989 wurden in mehrere Sprachen übersetzt und waren internationale Bestseller. Er lebt in Cornwall.

Frederick Taylor hat Neue Geschichte und Germanistik studiert und ist Fellow der Royal Historical Society. Seine Bücher Dresden. Dienstag, 13. Februar 1945 und Die Mauer. 13. August 1961 bis 9. November 1989 wurden in mehrere Sprachen übersetzt und waren internationale Bestseller. Er lebt in Cornwall.

EINLEITUNG

Im Frühjahr 1945 ergriffen die vier Großmächte, die Hitlers Armeen besiegt hatten, eine beispiellose, drastische Maßnahme: Sie setzten die souveräne Regierung Deutschlands ab und übernahmen die Kontrolle über das Land. Einige Monate später wurde auch Deutschlands Hauptverbündetem, dem japanischen Kaiserreich, eine alliierte Militäradministration aufgezwungen. In den Augen der meisten Zeitgenossen vollzogen die siegreichen Alliierten damit eine außergewöhnliche und in mancher Hinsicht abschließende Übung darin, bisher unabhängige Nationen militärisch zu besetzen. Nachdem die Welt vom Angriffskrieg befreit war, würde eine solche Maßnahme künftig nicht mehr nötig sein.

Zum Teil auf Drängen Amerikas und Russlands, der beiden »postkolonialen« Supermächte, zu denen sie während des Zweiten Weltkrieges geworden waren, begannen sich bald darauf die Kolonialreiche Großbritanniens, Frankreichs und der Niederlande aufzulösen. Indien, Burma und Indonesien erhielten rasch ihre Unabhängigkeit, ihnen folgten in den fünfziger und sechziger Jahren riesige Gebiete Asiens und Afrikas. Das Modell der Nachkriegsordnung war, zumindest nach der überwiegend von Amerika geförderten Vorstellung, von nationaler Souveränität und Selbstregierung geprägt. Willkürliche Angriffskriege und Eroberungsfeldzüge würden nicht mehr geduldet werden, und diejenigen, die nach Ansicht der Alliierten zwischen 1939 und 1945 auf der Seite des Feindes einen solchen Krieg geführt hatten, würde man bestrafen. Deshalb fanden nach der Kapitulation Deutschlands und Japans in Nürnberg und Tokio Kriegsverbrecherprozesse statt.

Es gab natürlich einen grundlegenden Unterschied zwischen den Besatzungen in Deutschland und Japan nach 1945. Obwohl die Alliierten in beiden Fällen auf bedingungsloser Kapitulation bestanden hatten, wurde den Japanern letzten Endes aus pragmatischen Gründen ein Zugeständnis gewährt: Sie durften ihren Kaiser behalten. Nur in Deutschland übernahmen die Sieger vom Augenblick der Kapitulation an die gesamte Regierungsgewalt, von der nationalen Ebene bis hinunter zur kleinsten Kommune, so dass das deutsche Volk völlig der Gnade der einstigen Feinde ausgeliefert war.

Wer hätte vor über sechzig Jahren gedacht, dass zwei dieser Westmächte im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wiederum vormals souveräne Staaten militärisch besetzt halten würden? Und wer hätte vorausgesagt, dass diese Besatzungen nach den lehrreichen Erfahrungen von 1945 so holprig, ungeschickt und grausam problematisch sein würden?

Die Invasion des Iraks durch Truppen der USA und ihrer Verbündeten führte schnell zum Untergang von Saddam Husseins pseudofaschistischem Baath-Staat und zur Besetzung des Landes durch ausländische Streitkräfte. In vieler Hinsicht schien die Strategie der siegreichen Koalition derjenigen zu gleichen, welche die Westmächte nach dem Ende des Nationalsozialismus in Deutschland verfolgt hatten sofortige Entmilitarisierung und vorübergehende Abschaffung der souveränen Regierungsgewalt bis zur Beseitigung von Sicherheitsrisiken und Beendigung einer politischen Säuberung, in diesem Fall der »Entbaathifizierung«. Schließlich sollte denjenigen, die sich politischer Verbrechen schuldig gemacht hatten, der Prozess gemacht werden, gefolgt von der schrittweisen Einführung freier Institutionen nach westlichem Muster und der Bildung einer repräsentativen Regierung.

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass dieses Rezept für die Rekonstruktion und Rehabilitation besiegter Nationen nach 1945, rückblickend gesehen, auf lange Sicht erfolgreich war. Man braucht sich nur Deutschland, so wie es sich im 21. Jahrhundert präsentiert, anzuschauen. Dafür gab es einige offensichtliche und einige versteckte Ursachen. Erstens traf es zu, dass das Land im Mai 1945 total besiegt war. Dagegen hatte es im November 1918, obwohl erschöpft, halb verhungert und von revolutionären Unruhen erfasst, auf französischem und belgischem Boden noch hartnäckig gekämpft, als es in den Waffenstillstand einwilligte, der den Ersten Weltkrieg beendete.

Der deutsche Staat überlebte diesen Friedensschluss, auch wenn die autoritäre monarchische Herrschaft abgeschafft wurde. Reichsregierung und Verfassung wurden zwar demokratisch, aber Beamtenschaft und Militär blieben sowohl einflussreich als auch leidenschaftlich nationalistisch. Sie waren bemüht, die harten Bestimmungen des Versailler Vertrages zu unterlaufen, und sehnten sich insgeheim danach, die nach ihrer Ansicht ungerechte Niederlage zu rächen die sie vor allem den Revolutionären anlasteten, die den Kaiser gestürzt hatten.

Diese aus der Vorkriegszeit stammende, autoritär eingestellte Schicht bekam in den dreißiger Jahren, als die Wirtschaftskrise eintrat und die 1918 geschaffene Demokratie an Unterstützung verlor, zunehmend die Hebel der Macht in die Hand. Vertreter dieser Elite, insbesondere die Clique um den greisen Reichspräsidenten (und Feldmarschall im Ersten Weltkrieg) Paul von Hindenburg, waren es, die Adolf Hitler und seiner Partei am 30. Januar 1933 die Macht übergaben.

Viele Deutsche, auch Nichtnationalsozialisten, weigerten sich anzuerkennen, dass die deutschen Armeen 1918 verloren hatten. In den Augen dieser unruhigen Millionen waren der Waffenstillstand und die nachfolgenden harten Friedensbedingungen durch Verrat von Seiten der demokratischen Regierung zustande gekommen, die nach der Novemberrevolution von 1918 an die Stelle der Monarchie getreten war. Die halsstarrige Gegnerschaft dieser Massen hatte zusammen mit den ständigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Weimarer Republik die dauerhafte Schwäche der neuen Demokratie bewirkt.

1918 hatte man Deutschland gestattet, nicht nur eine eigene Regierung, sondern sogar seine Armee zu behalten, die sich nach dem Friedensschluss hinter die Landesgrenzen zurückgezogen hatte und fast wie heimkehrende Sieger durchs Brandenburger Tor in Berlin einmarschiert war. Zwar war die Armee durch den Versailler Vertrag drastisch verkleinert worden, aber die Reichswehr, wie sie jetzt hieß, blieb ein entscheidender Faktor im Staat. Auch dadurch konnte der tödliche Bazillus (als den ihn ausländische Beobachter betrachteten) des deutschen Autoritarismus und Militarismus überleben, zu neuer Kraft kommen und gedeihen.

Die Folge war, nach dieser Interpretation der Geschichte, dass nur etwas mehr als zwei Jahrzehnte nach der deutschen Niederlage die Infektion erneut ihre Schrecken über Europa verbreiten konnte diesmal in einer noch gefährlicheren Form, der nationalsozialistischen, die dem Bazillus zusätzlich die Toxizität des Rassismus und insbesondere eines mörderischen Antisemitismus hinzufügte.

Als sich die Alliierten im Herbst 1944 den Grenzen Hitlerdeutschlands näherten, waren sie auf das Kommende vorbereitet. Zuerst natürlich auf die Invasion selbst. Man erwartete, dass viele Deutsche, Soldaten wie Zivilisten, sowohl während der bevorstehenden Schlachten als auch nach Beendigung der Kämpfe in den Reichsgrenzen fanatisch Widerstand leisten würden. Deshalb war es umso wichtiger, dass die deutsche Nation sich selbst als vollständig besiegt wahrnahm. Die unermüdliche und häufig unterschiedslose Bombardierung deutscher Städte, die fast bis zum letzten Tag des Krieges fortgesetzt wurde, war zwar aus militärisch-industriellen Gründen begonnen worden, verfolgte aber auch das Ziel, ein Gefühl des unvermeidlichen und endgültigen nationalen Zusammenbruchs zu erzeugen und auf diese Weise eine Wiederholung der Entwicklung nach 1918 zu verhindern.

Vor allem würde es keine Verhandlungen mit den Nationalsozialisten geben. Im Gegensatz zu 1918 musste Deutschland bedingungslos kapitulieren und sein Schicksal sowie die Gestaltung seiner künftigen Regierungsform gänzlich den Siegermächten übergeben. Diesmal würde man bösartigen Bazillen keinen Nährboden liefern.

Die Politik der bedingungslosen Kapitulation war offenbar von einem Unterausschuss im US-Außenministerium vorgeschlagen worden, und Roosevelt hatte sie dem anfangs widerstrebenden britischen Verbündeten auf der bilateralen Konferenz von Casablanca vom 14. bis 24. Januar 1943 nahegebracht.1 Schon eine Woche zuvor hatte er dieses Thema in seiner Neujahrsbotschaft an den Kongress kurz gestreift, indem er den amerikanischen Volksvertretern erklärte, er schaudere »bei dem Gedanken, was der Menschheit widerfahren wird, wenn dieser Krieg in einem halben Frieden endet«.2

Was hätten die Alliierten im Übrigen, ob nun gemeinsam oder einzeln, in Verhandlungen über einen Friedensschluss anbieten können? Und wem? Hätten sie, wenn das NS-Regime erhalten geblieben wäre, mit Hitler oder einem möglichen nationalsozialistischen Nachfolger, wie Himmler, Goebbels oder Göring, die Bedingungen ausgehandelt? Dies wäre nach all dem Blutvergießen und dem Leid sicherlich unerträglich gewesen. Darüber hinaus wäre ein im Kern auf Krieg ausgerichtetes politisches System bestehen geblieben. Und wenn das NS-Regime gestürzt worden wäre, etwa durch die Verschwörer des 20. Juli? Waren dies nicht Männer (und einige Frauen), die Hitler lange Zeit unterstützt hatten, bis sich sein Scheitern abzeichnete? Und so anständig sie persönlich zumeist waren, repräsentierten sie nicht jene Schicht von Grundbesitzern, Offizieren und Industriellen, die, wie die meisten amerikanischen Beobachter übereinstimmend meinten, den Nährboden des »deutschen Problems« gebildet hatte, schon bevor Hitler 1933 an die Macht kam?

Vom Standpunkt der alliierten Koalition aus sprachen starke Gründe...

Erscheint lt. Verlag 8.10.2012
Übersetzer Klaus-Dieter Schmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 1944 • 1945 • 1946 • Alliierte • Befreiung • Besetzung • Buch • Bücher • Deutsche Geschichte • Deutschland • Deutschland nach 45 • Entnazifizierung • Hitler • Hitler-Exorzismus • Kriegsende • Revolution • Siegeszug der Allierten • Standardwerk • Stunde Null • Umbruchzeit • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-8270-7492-4 / 3827074924
ISBN-13 978-3-8270-7492-8 / 9783827074928
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