Liturgie als Theologie (eBook)
177 Seiten
Frank & Timme (Verlag)
978-3-86596-008-5 (ISBN)
Der vorliegende Band dokumentiert die Studientagung 2003 des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam. Rabbiner und Gelehrte haben Ursprung und Entwicklung der jüdischen Liturgie nachgezeichnet. Entstanden ist ein vielschichtiges Kaleidoskop, das Werden und Sein des jüdischen Gottesdienstes vertieft.
Inhalt 3
Vorwort: Das Gebet als Abbild jüdischen Denkens 5
Ein Genisa- Fragment des Tischdank 7
1. Einführung 7
2. Beschreibung 8
3. Text 9
4. Varianten 14
5. Zusammenfassung 20
6. Synoptischer Vergleich 21
7. Schlussfolgerungen 23
Abkürzungen 24
Die Geschichte des Kaddisch- Gebets 26
1. Einführung 26
2. Die rabbinischen Quellen 27
3. Zusammenfassung 39
Zwischen Tora und Tefilla im Lehrhaus 43
Die Entwicklung der Kawana- ( Gelegenheits-) Gebete 50
1. Einführung 50
2. Die Institution der Synagoge 52
3. Fester Ritus und Gelegenheitsgebet in der Bibel 53
4. Festgelegte Gemeinschaftsgebete und Kawana-Gebete in der Neuzeit 56
5. Zusammenfassung 58
Liberale Gebetbücher von Die Deutsche Synagoge (1817) bis zum Einheitsgebetbuch (1929) 59
1.Einleitung 59
2.David Friedländers 63
3.Die Deutsche Synagoge, Berlin 1817 65
4. Die Ordnung der öffentlichen Andacht für die Sabbath- und Festtage des ganzen Jahres. Nach dem Gebrauch des Neuen-Tempel-Vereins, Hamburg 1819 66
5. Die revidierte Ausgabe des Hamburger Gebetbuches von 1841 und Abraham Geigers Kritik 70
6. Kirchenrath Joseph von Maiers Stuttgart 1848 72
7. Die Gebetbücher der „Genossenschaft für Reform im Judenthume 75
8. Abraham Geigers Gebetbuch von 1854 77
9. Abraham Geigers revidiertes Gebetbuch von 1870 80
10. Manuel Joëls Revision des Geigerschen Gebetbuches von 1854 81
11. Das Gebetbuch der Neuen Synagoge, Berlin 1866 83
12. Musikalische Erneuerung des Synagogengottesdienstes 85
13. Heinemann Vogelsteins Gebetbuch von 1894 86
14. Das Einheitsgebetbuch von 1929 89
15. Zusammenfassung 89
Haben wir gelogen oder waren wir schwerhörig? Zum Text eines Sündenbekenntnisses in der jüdischen Liturgie 95
1. Das Aschamnu in seiner heutigen Form und seine Verwendung im Gottesdienst 96
2. Die wichtigsten Interpretationen dieses Textes, die sein heutiges Verständnis prägen 98
3. Die Textgeschichte des Aschamnu 102
4. Liturgie als Theologie am Beispiel des Aschamnu 124
Von den jüdischen Wurzeln des christlichen Gottesdienstes 126
1. Fremdheit und Nähe: Die Weite des Themas 126
2. Turbulenzen in der Wissenschaft 130
3. Urworte jüdischen und christlichen Gottesdienstes 136
4. Jesu Segen und Dank über Brot und Wein 140
5. Einblicke in die Alte Kirche 142
„Groß erzeigt sich ER über die Mark Jisraels“ Zur Gegenwart und Vergegenwärtigung Israels in der christlichen Liturgie 150
1. Herangehen 150
2. Die Gegenwart Israels – Erinnerung als Wesensmerkmal 152
3. Die Vergegenwärtigung Israels – Die Schrift hören 155
Partikularismus und Universalismus in der Liturgie des Progressiven Judentums 159
1. Partikularismus und Universalismus in der traditionellen jüdischen Liturgie 159
2. Der Einfluss der Aufklärung und universalisierende Tendenzen im orthodoxen Judentum 160
3. Die Gebetbücher des progressiven Judentums 161
4. Exemplarischer Textvergleich 163
5. Fazit 173
Die Autoren 175
Peter von der Osten-Sacken
Von den jüdischen Wurzeln des christlichen Gottesdienstes (S. 130-131)
D. Eduard Lohse zum 80. Geburtstag
1. Fremdheit und Nähe: Die Weite des Themas
Wer heute als Christin oder als Christ einen beliebigen traditionellen jüdischen Gottesdienst besucht, wird ohne nähere Vorkenntnisse kaum auf den Gedanken kommen, dass es einen besonderen Zusammenhang zwischen ihm und dem christlichen Gottesdienst geben könnte. Dies gilt nicht nur deshalb, weil der synagogale Gottesdienst christlichen Besuchern allein schon aufgrund der hebräisch gesprochenen Gebete verschlossen ist. Denn selbst wenn wir uns diesen Gottesdienst ganz in der Landessprache vorstellten, würde eine erhebliche Fremdheit bleiben. Die Ahnung einer Gemeinsamkeit würde sich am ehesten immer dann einstellen, wenn Texte aus den Juden und Christen gemeinsamen biblischen Schriften erklingen. Doch würde selbst dies alsbald an eine Grenze stoßen. Denn im synagogalen Gottesdienst stehen vielfach Texte im Mittelpunkt, die in den christlichen Kirchen keinen vergleichbaren Rang haben.
Die dennoch gegebene, zum Teil enge Verwandtschaft zwischen beiden Gottesdienstformen wird erst erkennbar, wenn wir uns nicht von Impressionen leiten lassen, sondern etwas systematischer vorgehen. Deshalb fragen wir zunächst nach Faktoren, die ganz generell die Größe ‚Gottesdienst‘ bestimmen, und wählen sie als ersten Leitfaden, um Zusammenhänge zwischen jüdischem und christlichem Gottesdienst zu erfragen. Solche Faktoren sind vor allem: der Ort (oder der Raum), den eine Gemeinschaft braucht, um Gottesdienst feiern zu können, sodann die Zeit oder die Zeiten, von denen ihr Leben bestimmt wird und die sie gottesdienstlich begeht und gestaltet, weiter gehören zu den herausragenden Faktoren gottesdienstlichen Geschehens die Personen, die einzelne organisatorische oder liturgische Funktionen wahrnehmen, ferner die Riten oder festen Abläufe, durch die das gemeinsame gottesdienstliche Handeln geregelt wird, und nicht zuletzt ist, bereits in enger Nachbarschaft zu den Riten, die Prägung des Gottesdienstes durch Sprache im weitesten Sinne zu nennen – durch heilige Texte, durch motivisch fest fixierte oder verschriftlichte Gebete, durch Lieder und durch freie Rede.
Unter diesen Faktoren, deren Reihe sich sicher erweitern ließe, kommen dem Ort oder den Orten, der Zeit und den Zeiten und schließlich der Sprache mit ihren verschiedenen Manifestationen in der Frage nach den jüdischen Wurzeln des christlichen Gottesdienstes die größte Bedeutung zu. Was die Größe Ort betrifft, so sind für die christliche Frühzeit nach Ausweis des Neuen Testaments drei Bereiche gottesdienstlichen Lebens im weitesten Sinne von Bedeutung gewesen: der Tempel als das Zentrum allen Gottesdienstes, die Synagoge – auch wenn sie in jüngerer Zeit als Ort mehr oder weniger regulären Gottesdienstes in der Zeit des Zweiten Tempels bestritten worden ist1 – und das Haus oder die Familie als die Stätte, an der die Religion in bestimmten Formen eingeübt und praktiziert wird. Fraglos kommt dieser letzten Größe, dem Haus oder der Familie, neben dem Tempel besonderes Gewicht zu. Es ist selbstevident und wird sich später auch noch an einem signifikanten Beispiel zeigen: Die Entstehung, Ausbreitung und auch die Ausformung eines gottesdienstlichen Lebens der frühchristlichen Gemeinden wären gar nicht denkbar gewesen, hätte es nicht an den verschiedensten Orten Menschen gegeben, die in einem jüdischen Hause gelernt haben, ‚wie man so etwas macht‘, nämlich als Einzelner, in einem kleinen oder in einem größeren Kreis, religiös zu leben.
Was die Zeiten angeht, so gilt die Orientierung des christlichen gottesdienstlichen Lebens am jüdischen für den Tag, für die Woche und für das Jahr. Für den Tag ist der bereits früh aus dem Judentum übernommene Usus zu nennen, dreimal täglich das Hauptgebet zu beten, d. h. im christlichen Kontext das Vaterunser.
| Erscheint lt. Verlag | 1.1.2005 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Judentum |
| ISBN-10 | 3-86596-008-1 / 3865960081 |
| ISBN-13 | 978-3-86596-008-5 / 9783865960085 |
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