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Zwänge und Zwangsgedanken loswerden (eBook)

Spiegel-Bestseller
Zwangsstörungen ohne Medikamente und Konfrontation schnell und dauerhaft überwinden
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
304 Seiten
Ariston (Verlag)
978-3-641-26220-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwänge und Zwangsgedanken loswerden -  Klaus Bernhardt
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Millionen Menschen leiden allein in Deutschland an einer Zwangsstörung, und täglich werden es mehr. Doch wo beginnt eine Zwangserkrankung? Wann sind Wasch-, Kontroll-, Ordnungs- oder Wiederholzwänge mehr als nur ein harmloser Tic? Und ab wann sind Gedanken, die sich wieder und wieder aufdrängen, behandlungsbedürftig? Klaus Bernhardt erklärt, was hinter Zwängen steckt, wie sie entstehen und wann Betroffene sich Hilfe holen sollten. Auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und anhand konkreter Beispiele gibt er Betroffenen alltagstaugliche Werkzeuge zur Selbsthilfe an die Hand. Zudem beschreibt er viele hilfreiche Therapieansätze, die leider noch viel zu selten zum Einsatz kommen. Mit ihnen ist es möglich, Zwangsstörungen deutlich schneller in den Griff zu bekommen und häufig sogar dauerhaft zu überwinden.

Klaus Bernhardt arbeitete viele Jahre als Wissenschafts- und Medizinjournalist, bevor er selbst therapeutisch tätig wurde. Heute leitet er in Berlin das Institut für moderne Psychotherapie und bildet jährlich Hunderte von Ärzten und Therapeuten weiter. Er ist Mitglied der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB) und Autor der beiden Spiegel-Bestseller »Panikattacken und andere Angststörungen loswerden« sowie »Depression und Burnout loswerden«.

Kapitel 2 
Erste Hilfe bei Zwangsgedanken

Glücklicherweise suchte sich die junge Mutter, die Angst hatte, sie könne ihrem Kind etwas mit dem Messer antun, sehr früh professionelle Hilfe. Die Zwangsgedanken diesbezüglich kamen zwar bereits mehrmals pro Woche, doch noch hatte sie nicht versucht, diese mit Zwangshandlungen zu neutralisieren.

»Neutralisieren« ist übrigens der Fachbegriff dafür, wenn Betroffene mithilfe von Zwangshandlungen versuchen, ihre Zwangsgedanken in den Griff zu bekommen. Geschieht dieses Neutralisieren nicht durch Handlungen, sondern nur im Kopf, also indem man sich bemüht, bewusst etwas anderes zu denken, dann spricht man stattdessen von »verdeckten Zwangshandlungen«. Diesen Fachbegriff finde ich jedoch ziemlich unglücklich gewählt. Denn er impliziert, dass »bessere« Gedanken, die man Zwangsgedanken entgegensetzt, ebenfalls immer etwas Zwanghaftes hätten. Das stimmt jedoch nur zum Teil. Es gibt sehr wohl auch »Gegengedanken«, die nichts Zwanghaftes haben und die durchaus das Potenzial besitzen, Zwangsgedanken schnell und, mit etwas Übung, sogar dauerhaft zu stoppen.

Fallbeispiel, Teil 2

Ich werde nie vergessen, wie erleichtert die junge Mutter war, als wir uns zum zweiten Termin trafen. Sie berichtete mir, wie gut sie mit der Stopp-Technik gegen Zwangsgedanken zurechtgekommen war, die ich zusammen mit ihr trainiert hatte. Sie gestand aber auch, wie skeptisch sie vor der ersten Anwendung zu Hause war. Immerhin hatte sie von einer so »schrägen« Therapiemethode noch nie zuvor gehört. Was war geschehen? Ich hatte der jungen Frau erklärt, dass unser Gehirn nicht in Negationen denken kann und dass es zudem absurde Situationen liebt. Wenn schräge Gewaltfantasien uns in Angst und Schrecken versetzen, dann lassen sich diese am schnellsten stoppen, wenn wir mit noch schrägeren Fantasien dagegenhalten. Doch keine Sorgen, schräg ist nicht gleichbedeutend mit beängstigend. Unser mächtigster Helfer im Kampf gegen Zwangsstörungen ist nämlich nicht die Angst, sondern der Humor. Und der kann ja bekanntlich ebenfalls ziemlich schräg sein. Und so sagte ich zu der jungen Frau:

»Wenn Ihr Gehirn in der Lage ist, sich vorzustellen, dass Sie mit einem Messer auf Ihren Sohn losgehen könnten, dann ist es auch in der Lage sich vorzustellen, dass jemand einen riesigen Elektromagneten in Ihrer Küchendecke eingebaut hat. So einen, der spielend ein ganzes Auto anheben kann. Sobald der bedrohliche Zwangsgedanke das nächste Mal aufblitzt, springt vollautomatisch dieser Magnet an, und alle verfügbaren Messer schweben zuerst ganz langsam einen guten Meter nach oben. Kurz unterhalb der Decke werden sie dann zunehmend schneller, bis die Klingen sich − ZACK − bis zum Anschlag in der Zimmerdecke versenken. Dort sitzen sie nun so fest, dass man schon eine riesige Zange und ziemlich viel Kraft bräuchte, um sie da noch mal rauszubekommen. Das heißt, Sie müssen sich wohl oder übel ein paar neue Messer kaufen, und das am besten schon auf Vorrat. Denn jedes Mal, wenn der Zwangsgedanke erneut auftaucht, sind − SCHWUPP − alle Messer erneut weg. Vermutlich kann man an Ihrer Küchendecke schon nach wenigen Tagen Hunderte von Messern sehen, die bis zum Anschlag im Putz stecken. Ich bin schon gespannt, wie Sie dieses Meer von Messergriffen Ihrem nächsten Besucher erklären wollen. Kleiner Tipp: Sagen Sie, es sei eine Kunstinstallation.«

2.1 Zwangsgedanken mit den eigenen Waffen schlagen

Manche denken jetzt womöglich: »Wie soll man denn mit so einem Blödsinn Zwangsgedanken loswerden?« Erlauben Sie mir deshalb folgende Frage: Ist nicht auch der Gedanke, dass eine liebende Mutter mit dem Messer auf ihr Kind losgehen könnte, im Grunde nichts weiter als Blödsinn? Natürlich ist er das, denn Zwangsgedanken wie dieser werden nie in die Tat umgesetzt. Trotzdem lösen sie starke Emotionen wie Angst und Verzweiflung aus. Und das führt leider dazu, dass sich das Gedachte neuronal so gut im Gehirn verankert, dass es früher oder später zu einer unschönen Eigendynamik kommt, an deren Ende Betroffene nur noch mithilfe von Zwangshandlungen halbwegs zur Ruhe kommen.

Warum sollte man diese gehirnspezifischen Speicherprozesse dann nicht auch positiv nutzen und so Zwangsgedanken mit ihren eigenen Waffen schlagen? Aus der Hirnforschung wissen wir ja, dass ALLES schnell und stabil in unserem Erinnerungsspeicher abgelegt wird, solange es nur absurd oder emotionsgeladen genug ist. Es geht darum, gezielt bessere Fantasien zu nutzen, die zwar einerseits so schräg sind, dass sie sich sofort einprägen, aber andererseits so irreal anmuten, dass das Gehirn darin keine reale Bedrohung erkennt. Grundsätzlich kann man sagen, je schräger und lustiger eine »Gegenfantasie« ist, desto mehr Potenzial hat sie, die ursprünglichen Zwangsgedanken regelrecht zu überschreiben.

Womit, glauben Sie, lässt es sich leichter leben? Mit dem permanenten Gedanken, man könnte einen Menschen verletzen oder gar töten, oder mit dem Gedanken, dass eine abgefahrene Kunstinstallation an der Küchendecke hängt? Und welche der beiden Visionen kann das Gehirn wohl nach ein paar Tagen oder längstens Wochen leichter wieder loslassen und zum »Normalzustand« zurückkehren? Die existenziell bedrohliche oder die amüsante?

Die junge Mutter aus unserem Fallbeispiel kennt die Antwort auf all diese Fragen bereits. Noch am Tag unserer ersten Sitzung fand ihre ganz persönliche Generalprobe statt. Sie war in der Küche und bereitete gerade das Abendessen zu, als ihr Blick auf den hölzernen Messerblock viel. Sofort drängte sich das bedrohliche Bild mit ihrem Sohn in der Hauptrolle wieder auf. Doch diesmal nur für den Bruchteil einer Sekunde. Anschließend aktivierte sich der ebenfalls nur eingebildete Magnet und ließ in ihrer Fantasie alle Messer aus dem Messerblock langsam nach oben schweben, bis sie schließlich ebenfalls bis zum Schaft in der Zimmerdecke verschwanden. Als sie realisierte, dass sie dieses absurde Bild auch ohne mein Zutun vor ihrem geistigen Auge entstehen lassen konnte, musste sie spontan lachen, zumal ihr Gehirn die Geschichte sofort weiter ausschmückte. Sie sah nämlich nicht nur die ersten sechs Messer bombenfest in der Decke stecken, sondern auch ihren Sohn, der verwundert nach oben blickte und ebenfalls schallend anfing zu lachen: »Noch mal Mama, mach das noch mal, das ist lustig!«

Binnen weniger Tage verschwanden die Zwangsgedanken völlig, und auch die Gegenfantasie tauchte immer seltener auf, bis auch diese nach etwa vier Wochen ganz ausblieb. Da die junge Frau die »Neuprogrammierung« ihres Gehirns zusätzlich noch aktiv mit der 10-Satz-Methode unterstützte, auf die wir später noch näher eingehen, benötigte sie insgesamt nur drei Sitzungen, bis ihre Zwangsstörung vollständig verschwunden war und seither auch nicht wieder aufgetreten ist.

2.2 Vom Mut, sich lächerlich zu machen

Vielleicht klingt das etwas merkwürdig, doch Ärzte und Therapeuten könnten Menschen mit Zwangsstörungen oft wesentlich schneller helfen, wenn sie den Mut hätten, sich hin und wieder mal lächerlich zu machen. Denn natürlich hatte ich während unserer ersten Sitzung die Messer nicht nur einmal mental Richtung Decke katapultiert, sondern gleich ein Dutzend Mal. Runde für Runde dachte ich mir weitere schräge Details aus, und so lachen wir fast die ganze Sitzung lang. Auf diese Weise stellte ich sicher, dass sich die neue, gesündere Szene tief im Gehirn meiner Patientin verankert hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie anschließend dachte: »Der Typ hat doch nicht alle Tassen im Schrank.« Aber das war mir egal, denn ich wusste ja dank meiner Erfahrung mit vielen Zwangspatienten bereits, was die junge Frau zu Hause erwarten würde, sobald der nächste Zwangsgedanke auftauchte.

Auch bei Zwängen befolgt das Gehirn bestimmte Regeln

Erinnern Sie sich noch, wie ich sagte, man könne nicht in Negationen denken? Spätestens jetzt haben Sie den Beweis dafür. Wenn Sie die letzten paar Seiten konzentriert gelesen haben, mussten nämlich auch Sie vor Ihrem geistigen Auge all die Messer in der Zimmerdecke sehen, egal ob Sie das wollten oder nicht. Anders hätten Sie das Gelesene gar nicht verarbeiten können. Und vielleicht mussten Sie genauso grinsen wie die junge Mutter, als ich ihr das erste Mal von dieser »Gegenfantasie« erzählte. Zugegeben, die Szene war schräg, aber genau das musste sie sein, um sich bei meiner Patientin schnellstmöglich neuronal verankern zu können. Und je besser das gelingt, desto leichter fällt es Betroffenen später, auch ohne therapeutische Hilfe bedrohliche Szenen durch absurde zu ersetzen. Übrigens: Wem es auf diese Weise rechtzeitig gelingt, seine Gedanken positiv zu beeinflussen, dem bleibt meist auch der Weg in die Zwangshandlungen erspart.

2.3 Humor schlägt Gefahr

Einem Gehirn, das sich, aus welchen Gründen auch immer, angewöhnt hat, Zwangsgedanken zu entwickeln, ist es letztlich egal, wie es seine überbordende Fantasie abarbeitet. Entscheidend ist, dass die Bilder starke Emotionen auslösen. Ob das Angst oder Humor ist, können Sie hingegen mit etwas Übung selbst entscheiden. Besonders kritische Zeitgenossen könnten jetzt natürlich einwenden, dass man seine Krankheit bei so einer Vorgehensweise ja gar nicht ernst nehmen würde. Stimmt, warum sollten Sie auch? Zwangsstörungen sind mittlerweile gut erforscht, und man weiß heute mit Sicherheit, dass Betroffene ihren bedrohlichen Zwangsgedanken in der Regel keine entsprechenden Taten folgen lassen. Das Einzige, was man also erreicht, wenn man solche Gedanken ernst nimmt, ist eine Ausweitung der Krankheit. Gibt man dem Gehirn hingegen etwas Besseres,...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte 2022 • Angst • Angststörung • Anspannung • Burnout • Depression • Druck • eBooks • Gesellschaftliche Zwänge • Gesundheit • Kontrollzwang • krankhafter Zwang • Medizin • Neuerscheinung • Neurologie • Panikattacken • Perfektionismus • Psychologie • Psychose • Psychotherapie • Putzzwang • Ratgeber • Ritual • sammelzwang • Selbsthilfe • Stress • Tourette-Syndrom • Waschzwang • Zwänge überwinden • Zwanghaft • Zwangsgedanken • Zwangsstörung • zwangsstörung ursachen
ISBN-10 3-641-26220-8 / 3641262208
ISBN-13 978-3-641-26220-4 / 9783641262204
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