Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

'Man reise vorzugsweise mit der eigenen Bettdecke' (eBook)

Meine Deutschland-Reise mit dem allerersten britischen Reiseführer im Gepäck
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
272 Seiten
Polyglott, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag
978-3-8464-0881-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

'Man reise vorzugsweise mit der eigenen Bettdecke' -  Christian Eisert
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
(CHF 14,65)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Wie die Briten Deutschland entdeckten - die skurrilste Reiseerzählung des Jahres Bayerns Straßen sind eine einzige Katastrophe, unter deutschen Hotel-Bettdecken droht dem Reisenden der Tod durch Erfrieren und die einheimische Küche ist einfach nur zum Abgewöhnen. Der erste britische Deutschland-Reiseführer, verfasst von keinem Geringeren als dem Erfinder des Genres John Murray, lässt kaum ein gutes Haar an dem damals beliebtesten Reiseziel der Welt. 200 Jahre später macht sich Christian Eisert auf den Weg um herauszufinden, was sich seitdem verändert hat. Im Camper, statt mit der Postkutsche und mit ganz viel Neugierde auf seine Heimat heute und vor 200 Jahren.

Hinweis zur Optimierung
Impressum
Wichtiger Hinweis
Vorwort
Berlin – Danzig: Scheitern, Schwitzen, Gummibärchen
Berlin – Köln I: Gepäck, Gefährt, Gartenzwerge
Berlin – Köln II: Osten, Westen, Kuschelbestien
Berlin – Köln III: Kirchen, Klöster, Kalksteinbruch
Berlin – Köln IV: Wasserfarben, Waldluftduft, Versprechen brechen
Köln – Koblenz: Doppelstock, Apollinaris, Kabelsalat
Koblenz – Frankfurt am Main: Enten, Pferde, Schwabenkinder
Die Brunnen von Nassau: Brötsche, Kur, Nassauer
Koblenz – Frankfurt am Main: Räuber, Schweine, Topfschublade
Frankfurt am Main – Nürnberg: König, Bayern, Eisenbahnen
Nürnberg – Regensburg: Bremsen, Brunnen, Kanonenkugeln
Regensburg – Augsburg: Papierhandschuhe, Industrie-Idyll, Apfelbäume
Augsburg – Lindau I: Kanonen, Maserati, Federbett
Augsburg – Lindau II: Kochen, Camper, Donnerwetter
Lindau/Friedrichshafen – Stuttgart: Storch, Sommertüte, Rambohahn
Stuttgart – Nürnberg: Weinbau, Fachwerk, Hasenwiese
Nürnberg – Dresden I: Begasung, Anker, Aschefleisch
Nürnberg – Dresden II: Freiheit, Strümpfe, Quietschalarm
Nürnberg – Dresden III: Fetisch, Freiberg, Frau an Bord
Dresden – Berlin I: Sprache, Sterben, Storchennest
Dresden – Berlin II: Türme, Pools, Abschied nehmen
Berlin – Hamburg I: Frisäk, Roland, Lola
Berlin – Hamburg II: Bumsen, Latte, Leon
Hamburg – Bad Doberan: Großherzog, Burgenkönig, Fingergefahr
Die Insel Rügen: Sülze, Kuchen, Kap
Nachbemerkung
Erklärungen
Kommentare
Zitatnachweis
Der Autor

BERLIN – KÖLN II
OSTEN, WESTEN, KUSCHELBESTIEN


Sieben Uhr Abfahrt, über Magdeburg, Eichenbarleben, Erxleben, Helmstedt, Königslutter, Braunschweig, Immendorf, Lutter am Barenberg, Seesen, Bad Gandersheim, Mühlenbeck, Eschershausen, Holzminden, Höxter, Brakel, Driburg bis zu einer laut Murray sehr alten und düsteren24 Stadt.

Dieser Plan für den Tag fiel mir sofort ein, als ich gegen acht erwachte. Schwitzend. Die Sonne begann den Blechkasten aufzuheizen. Ansonsten hatte ich erstaunlich gut geschlafen, besonders, nachdem ich den Kühlschrank auf die niedrigste Kühlstufe gestellt hatte, was seine Schweigezeit deutlich verlängerte.

Ich zog mich aus und an, öffnete verschiedene Fenster und die große Seitentür. Schwülwarme Luft strömte herein. Ich schaltete kurz die Zündung an, das Ducato-Display zeigte um acht eine Außentemperatur von 22 Grad. Das ließ Schlimmes für den Tag befürchten. Ich setzte Kaffeewasser auf. Schüttete Haferflocken in eine Schüssel. Den Tisch hatte ich gestern Abend, ohne ihn zusammenzuklappen, unters Bett und übers gefaltete Fahrrad gezwängt. An mein Wohnmobil gelehnt mümmelte ich Müsli in der Morgensonne.

Gestern stand der Tag ganz im Zeichen des Ankommens. Des Ankommenmüssens. Für den ersten Tag war es gut gewesen zu wissen, wo er enden würde. Es war gut gewesen, einen sicheren Platz zum Schlafen zu haben.

Wenn ich es dabei beließ, dass Magdeburg mir abgesehen von Erkenntnissen über Parteienlandschaft und Ausstellungswesen bis auf Weiteres fremd bleiben würde, konnte ich die verlorene Zeit hereinholen.

Nur, war das nötig? Wieso hetzte ich?

Reiste ich nicht um des Unterwegssein willen?

Gut, ein paar Wegmarken galt es zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen. Am kommenden Wochenende sollte ich idealerweise im Taunus sein, weil ich dort arbeiten wollte. Kurz vor Ende der Reisezeit war ich in Dresden verabredet. Ansonsten … bestimmten das Was zwei Reisehandbücher aus dem 19. Jahrhundert, das Wann bestimmte ich.

Heute musste ich nicht, heute Abend wollte ich in der von Murray beschriebenen engen und düsteren Stadt sein. Ob ich sie erreichte, würde sich zeigen. Wo ich schlafen würde auch. Nein, das wusste ich. In meinem Hängebett. Unter meiner eigenen Bettdecke. Nur wo, blieb offen.

Reisen heißt nicht allein, einen Ort zu erreichen. Ihn zu besichtigen. Ihn abzuhaken. Reisen heißt in gleichem Maß, fremde Kulturen, fremde Menschen kennenzulernen. Schon bei seiner ersten Erkundung des Kontinents 1829 ließ sich der junge Murray voller Neugier darauf ein.

Als ich in Weimar ankam, hatte ich die Ehre und das Vergnügen, dass mir ein Treffen mit Goethe, dem großen Dichter und Philosophen, ermöglicht wurde, um mit dem rüstigen alten Mann ein persönliches Gespräch zu führen. Er empfing mich in seinem Atelier, das mit Abgüssen der Elgin-MarbelsIV und anderen Werken griechischer Kunst dekoriert war. Unter seinem braunen Morgenrock schimmerte das strahlende Weiß eines sauberen Hemdes hervor; eine unter deutschen Philosophen nicht übliche Eleganz.25

Ich schlenderte hinüber in den Dauercamper-Bereich.

Kniehohe Jägerzäune grenzten die Parzellen voneinander ab. Wohnwagen und Vorzelt ergänzte vielfach ein grüner Wellblechschuppen, der die unzähligen Gartengeräte beherbergte, die die Pflege von 80 Quadratmetern Campinggrund anscheinend erfordern. Um ihre Sitzgruppen formschön einzurahmen und jeden Quadratzentimeter Rasenfläche zu nutzen, hatten manche eine weiße Pergola errichtet oder kleine Pavillons gezimmert.

Als ich bei Parzelle 121 ankam (möglichweise war es auch eine andere), hatte ich die Ehre und das Vergnügen, jemanden zu treffen, dessen Anwesen mit Gipsskulpturen und anderen Werken deutschen Kunstgewerbes dekoriert war.

Offenbar starrte ich sie zu lange an, denn aus dem Vorzelt zwängte sich ein rüstiger alter Mann, der über seiner gebräunten Haut ein strahlend weißes Unterhemd trug,eine unter hiesigen Dauercampern nicht übliche Eleganz. Diemeisten Männer über 70 patrouillierten in kurzen Turnhosen und mit freiem Oberkörper über den Platz.

»Kann ich helfen?«, murrte er und kratzte seinen Bauch.

»Ich bewundere Ihre Gartenzwerge«, sagte ich, weil ein Kompliment Leben retten kann.

Er sah auf die bärtigen Männlein herab. »Die sind von meiner Frau. Ich mag die eigentlich nicht.« Er rückte einen gerade. »Aber ich mag meine Frau.« Er verschwand wieder hinterm Fliegenvorhang.

Da ich in den nächsten Wochen Stunde um Stunde hinterm Steuer sitzen würde, sollte ich jede Gelegenheit zur körperlichen Ertüchtigung ergreifen. Badehosenbekleidet spazierte ich zum Strand, der eine Hangneigung aufwies, die man am Meer Steilküste genannt hätte. Rutschend erreichte ich den See und schwamm darin herum.

Anschließend zog ich mich zum dritten Mal an diesem Morgen um und begann die Wanderung zum Sanitärgebäude.

Den Zustand der Duschkabinen kannte ich schon vom Vorabend. Hier wurden Fungiphile froh. Fungiphobe weniger. Fungizide hätten viel bewirken können.

Bis mein Mobil reisefertig war, brauchte ich eine Weile, auch, um die an einer der Hecktüren angebrachte Fahrradbefestigungsapparatur zu verstehen und mein Drahteselchen dort zu verzurren. Erst halb zwölf kam ich los. Und nicht weit. Heute würde es keinen Termindruck geben. Kein Müssen. Heute gab es nur Wollen. Wissen wollen und sehen wollen.

In Dahlenwarsleben fing ich damit an. Dort steht eine dicke Kirche. Sie heißt St. Lamberti. Wenn es 12 Uhr ist, schlägt die Kirchenglocke zwölfmal.

Zugegeben, Dahlenwarsleben erweiterte mein Wissen nicht wesentlich. Aber man soll sich nicht überfordern. Überforderung frustriert.

Nach fünf motivierenden Minuten Dahlenwarsleben stieg ich in mein Wohnmobil ein und nach weiteren fünf Minuten wieder aus. In Hohenwarsleben. Wichtiger Unterschied: Der erste Ort gehört zur Gemeinde Niedere, der zweite zur Gemeinde Hohe Börde.

In Hohenwarsleben besichtigte ich anstelle einer Kirche ALDI und EDEKA. Mein Proviant bestand im Wesentlichen aus von zu Hause Mitgebrachtem. Ich kaufte ausreichend Getränke und Lebensmittel für morgens, abends und das eine oder andere Mittagsmenü. Das heutige erwarb ich an einem Grillwagen. Einen halben BroilerV und Kartoffelsalat. »Is’ selbstjemacht, ohne Schemie«, behauptete die Verkäuferin, in einem Dialekt, der, schreibt man ihn, Berlinerisch aussieht, aber eher sächsisch klingt. Womöglich hätte dem Kartoffelsalat der eine oder andere Konservierungsstoff gutgetan. Jedenfalls scheiterte kurz nach seinem Verzehr mein Plan, heute nicht müssen zu müssen.

Mangels anderer nutzte ich meine Toilette. Zum ersten Mal seit ich losgefahren war. Sie nahm die rechte Seite meines der Beschreibung zufolge »Kompaktbad« heißenden Hygieneraumes ein.

Die Längsachse des Sitzschüsselovals war nicht in die Mitte des Räumchens ausgerichtet, sondern fast im rechten Winkel zur unmittelbar anschließenden Seitenwand. Bei geschlossener Tür war ich gezwungen, quer auf dem Oval Platz zu nehmen. Wegen des im Vergleich zu handelsüblichen Heimklosetts deutlich geringeren Schüsseldurchmessers und der männlichen Anatomie verursachte Quersitzen Quetschungen. Durch Öffnen der Kompaktbadtür und Unterbringung der Beine im Küchenbereich gelang es mir, annährend längs auf dem Schüsseloval und damit schmerzfrei zu sitzen. Bonus: Ich konnte durchs große Seitenfenster hinausgucken. Das Ehepaar, das zu dem Wagen neben mir zurückkehrte, guckte in die Gegenrichtung.

Ich grüßte freundlich und wartete mit den nach Geschäftsabschluss erforderlichen Handgriffen, bis sie ihren Einkauf verstaut hatten und losfuhren.

Frau Navis Aufgabe bestand heute zunächst darin, mich auf die B1 zurückzuleiten. Das gelang ihr gut, wenngleich sie gelegentlich durch Ansagen irritierte wie: »Fahren Sie im Kreisverkehr geradeaus«.

Kurz nach Hohenwarsleben erreichte ich wieder die B1 und damit Murrays Route 58. Erste Wegmarke: Eichenbarleben. Dort gibt es ein höchst anheimelndes Hotel.26 Dergleichen kann ich nach Durchfahrt nicht bestätigen, alternativ besteht die Möglichkeit der Einkehr in die »Fleischerei Ingeborg Frost«.

Die Börde ist das fruchtbarste Getreideland in Deutschland. Wenngleich es eine offene und unscheinbare Landschaft ist, die kaum Hecken oder Bäume aufweist29.

Aus der Luft betrachtet gleicht die Börde einem Patchwork-Tuch. Viereck an Viereck. Nirgends wächst Wald. Der Löss-Boden zwischen Elbe, Saale, Ohre und Bode ist zu kostbar, um ihn an Bäume zu verschwenden. 1934 wurde der Acker eines sogenannten Reichsspitzenhofes in Eickendorf, in der südlichen Börde, zur deutschlandweiten Referenz für Ackerqualität und bekam die Bodenwertzahl 100.27 Nirgends war die Erde fruchtbarer. Nach Deutschlands Teilung brauchte der Westteil einen eigenen Referenzwert für die Ertragsfähigkeit landwirtschaftlicher Flächen – er beeinflusst die Höhe von Abgaben und Zuschüssen – und fand sie in der Hildesheimer Börde. Inzwischen nimmt Eickendorf wieder den besten Bodenwert des Landes für sich in Anspruch.28

Zwei Stunden waren wir nun unterwegs. Frau Navi, mein Gefährt und ich. Felder bis zum Horizont in sanften Wellen. Als wäre das Patchwork-Tuch,...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2021
Reihe/Serie POLYGLOTT Abenteuer und Reiseberichte
Reiseerzählungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Deutschland
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte Allgäu • Ansbach • Bayern • Bayreuth • Briten • Britischer Humor • Camper • Camping • Campingplatz • Comedy • CouchSurfing • Deutschland erleben • Dresden • Drömling • Fränkische Schweiz • Hamburg • Handbook for Travellers • internationale Reisen • Kilometer • Komisch • lustig • Magdeburg • Mittelfranken • Nürnberg • Oberlausitz • Oberschwaben • Phoenix-Viertel • Rangau • Regierungsbezirk Oberfranken • Reiseabenteuer • Reiseberichte • Reiseerzählungen • Reiseführer • Reiseliteratur • Reisemobil • Reisender • Reisen in Deutschland • Sächsische Schweiz • Sehenswürdigkeit • Unterhaltung • witzig • Wohnmobil
ISBN-10 3-8464-0881-6 / 3846408816
ISBN-13 978-3-8464-0881-0 / 9783846408810
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 19,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
85 außergewöhnliche Plätze in Deutschland - erweiterte und …

von Björn Staschen

eBook Download (2021)
Prestel (Verlag)
CHF 16,60
Wie wir noch mehr Natur in unser Leben bringen

von Christo Foerster

eBook Download (2024)
Piper Verlag
CHF 17,55