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Antoniusfeuer. Kriminalroman -  Monika Geier

Antoniusfeuer. Kriminalroman (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
432 Seiten
CULTurBOOKS (Verlag)
978-3-95988-240-8 (ISBN)
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Kriminalkommissarin Bettina Boll ist Ärgernisse gewöhnt, doch der jüngste Streich ihrer Dienststelle schmeckt bitter. Ein Tod im Jugendknast muss untersucht werden, die Behörden fürchten einen Skandal, und nun soll Bettina für ihren neuen Chef die Kohlen aus dem Feuer holen und einem Kollegen dazwischenfunken. Überdies erweist sich der Fall als ausnehmend verschroben. Gibt es wirklich katholische Dorf-Aktivisten, die Dämonen austreiben? Und was hat das berühmte Isenheimer Altarbild voller bunter Bestien damit zu tun? Zu Recht gilt Monika Geier als eine der besten deutschen Krimiautorinnen und Meisterin im Jonglieren mit den schrägen Aspekten der Wirklichkeit. Antoniusfeuer ist ein betörender neuer Bettina-Boll-Krimi: lebensprall und farbenfroh mit starkem Plot, umwerfenden Charakteren und feinen Überraschungen.

Monika Geier, Jahrgang 1970, wurde in Ludwigshafen geboren. Nach dem Abitur folgte eine Ausbildung zur Bauzeichnerin. Für ihr Debüt wurde Geier mit dem Marlowe geehrt. Inzwischen ist sie Diplomingenieurin für Architektur, Mutter von drei Jungs, freie Künstlerin und Schriftstellerin.

»Was wie Intuition scheint, ist Ergebnis blitzschneller Kombination von Gesehenem und Gehörtem, unkonventionellem Denken und analytischem Rückgriff. Darin - nur darin - ähnelt Monika Geier ihrem Vorbild Agatha Christie. In allen anderen Punkten hat sie die Britin längst meilenweit überflügelt.« — Jury Deutscher Krimipreis

2


Lavendelwasser, so warm, dass es dampfte. Ein sauberer Mopp, doppelt ausgespült, Besen und Kehrblech. Der Schlüssel zur Kirche. Drei Schlösser aufsperren, das gewöhnliche Türschloss ganz oben, das zweihundert Jahre alte Kastenschloss in der Mitte, das Sicherheitsschloss darunter. Dann die schwere Tür aufziehen, kühle Luft von innen abfließen lassen. Brille absetzen, Augen umgewöhnen ans Dunkel. Eintreten. Putzen. Ja, putzen. Es ging Elle nicht darum, gefällig zu sein, Gutes zu tun, obwohl sie tatsächlich viel zu schlecht bezahlt wurde. Sie war nur einfach gern an diesem aufgeladenen Ort. Meistens schloss sie wieder hinter sich zu, weil es so schön war, allein zu sein in dieser Welt aus all den alten Sünden, die sich hier überall in die Ritzen gesogen hatten. Einfach arbeiten, ganz gewöhnlich schrubben neben dem Tabernakel mit den Goldkelchen, ums ewige Licht, in den Beichtstühlen. Wachs abkratzen unter dem großen Kerzenständer des Marienaltars. Nirgendwo sonst war die Zeit so zu spüren. Die frühgotische Unsere Liebe Frau war älter als jedes andere Haus im Ort, älter als jeder Weinstock in den Wingerten ringsum, ja sogar älter als jeder einzelne Baum im Pfälzerwald. Als diese Kirche gebaut wurde, gab es gerade mal dieselben Berge, Wege und Feiertage wie heute. Sie war eine Verbindung in jene fremde Welt, aus der die Gegenwart entstanden war, darum gehörte sie allen. Auch Elle. Obwohl Elle nie Katholikin gewesen war und es nie sein würde. Es war einfach ihr Recht als Mensch, in diese gewachsene Spiritualität einzutauchen, auch ohne knien und beten, befolgen und glauben. Also schloss Elle jeden Samstag- und Montagmorgen die Tür zu Unsere Liebe Frau auf und atmete tief den Geruch des alten Holzes ein, das jahrhundertelang mit Weihrauch und Kerzenruß und immer neuer Andacht imprägniert worden war.

Heute war aber etwas anders.

Es roch. Chemisch. Nach Renovieren. Hatte vielleicht endlich jemand die Holzvertäfelung der Sakristei gestrichen? Nötig wäre es ja.

Nein. Ein kurzer Blick in den vollgestopften Raum zeigte ihr: alles wie immer. Hier war der seltsame Geruch sowieso kaum noch wahrnehmbar. Vermutlich von außen mit hereingeweht. Elle vergaß ihn und legte los, wie immer zuerst in den Ecken um den Hochaltar herum, an den Stühlen für die Messdiener vorbei, dann bei dem Tisch für Wein und Wasser, dem Altar, den Stufen mit den Kniepolstern und der Glocke. Sie endete an der Osterkerze und der großen Vase. Dann hatte sie die Apsis durch und schleppte den Eimer ins südliche Seitenschiff vor den Marienaltar.

Da war dieses chemische Aroma wieder, diesmal stärker.

Ganz frische Farbe, irgendeine Art von Lack, beißend. Sie hob die Nase und schnupperte. Schaute auf das lebensgroße Marienbild, das überm Altar hing.

Nichts.

Merkwürdig, hier nahm die Intensität zu. Elle griff nach dem Schaber, der brav an seinem Platz neben der gusseisernen Spendenkasse lag, und inspizierte den Kerzenständer. Hundert Lichter passten drauf, drei brannten. War aber auch Samstagmorgen, und freitags wurde nicht viel gebetet. Keine Wachsreste auf dem Boden. Sie sammelte die paar leeren Teelichthalter ein und sah sich noch mal um. Der Geruch ging nicht weg. Also gut: Der Kerzenständer war definitiv nicht frisch gestrichen. Was war mit dem Marienaltar? Darauf lag eine weiß gestickte Decke und da stand die blaue Porzellanvase, heute mit Margeriten. Alles wie am Montag. Oder? Nein, gewöhnlich befanden sich die Blumen weiter rechts. Damit sie ganz genau unter der Stelle des großen Marienbildes standen, wo das Jesuskind zu sehen war.

Aber es war weg.

Bild noch da, Kind weg.

Das Schrägste an der Sache war: Es dauerte eine ganze weitere Minute, bis Elle erkannte und verstand, dass dieser Jesus nicht einfach aus dem Bild spaziert und verschwunden war. Jemand hatte ihn schwarz übermalt. Daher der Geruch. Aber die Farbe war so deckend, so exakt auf das Kind aufgetragen und so matt, dass sie das Gemälde nicht verschandelte. Es war keine hilflose Schmiererei. Es war ein Statement. Irgendwer hatte in Unsere Liebe Frau in Frohnwiller in der Nacht der Sonnenwende den Jesus am Marienaltar geschwärzt.

Elle machte ein Foto. Die Maria dort oben lächelte ihr freundlich und eine Spur komplizinnenhaft zu, ein schwarzes Bündel im Arm, sich keines Verlustes bewusst.

Da erst erschrak Elle wirklich.

Denn im Grunde war die Sache sehr einfach. Es gab zwei Schlüsselsätze für die Kirche. Seit dem Unfall des Pfarrers verwahrte einen davon die Gemeindereferentin Ina, den anderen der Sozialarbeiter Mojo. Ina war fast eine Freundin, eine oft hadernde, wunderbar unkonventionell denkende Katholikin, die irgendwie in dieses Leben geboren war. Sie sah entwaffnend spießig aus und funktionierte immer tadellos. Mojo wirkte dagegen ziemlich verrückt, zuweilen sogar pubertär und obercool. Er hatte ein bewegtes Leben hinter sich, über das keiner das Geringste wusste. Und seine erste Amtshandlung hier war vor sechs Jahren (oder sieben?) ein Graffitiworkshop mit der Jugend gewesen. Wenn es also um illegales Malen ging, wer würde da wohl in Verdacht geraten?

Elle mochte Ina (die es echt nicht gewesen sein konnte), war aber grundsätzlich auf der Seite des Protests (wenn er nicht total destruktiv war), und sie wollte nicht, dass Mojo Ärger kriegte. Er war ein Mensch. Selbst wenn er beschloss, einen Jesus zu schwärzen (was ihr nicht ganz unmöglich vorkam), würde er dafür einen Grund haben. Keinen vernünftigen, klar, aber einen Grund. Sie blickte ihr Handy an: Hatte sie Mojo als Kontakt eingespeichert? Nein, aber das Jugendzentrum. Sie drückte auf »Verbinden« und wartete. Die Maria schickte ihr weiter dieses heitere, unbehelligte Lächeln herunter. Mir geht’s gut, sagte es. Besser als je. Kinder können auch eine Last sein.

Verrückt ist es trotzdem, antwortete Elle, Schwester zu Schwester. Warum den Jesus schwarz anmalen?

»Jugendzentrum Unsere Liebe Frau!«, meldete sich Mojo etwas atemlos, sein Bass dröhnte durchs Telefon.

Er ist da, dachte Elle sofort erleichtert. »Hallo, Mojo, Elle Kling hier, ich bin in der Kirche, kannst du grade mal rüberkommen? Hier ist was passiert.«

»Leider bin ich nicht hier, bitte hinterlasse deine Nachricht nach dem Ton.«

Witzbold.

Eine halbe Stunde später waren dann zumindest ein paar wichtige Leute da: Ina, die Bullen und drei Damen vom Rosenkranz, die zufällig vorbeigekommen waren.

»Also dann erklären Sie mal von Anfang an«, sagte ein Polizeioberkommissar Barolo. Der andere, der mehr nach Praktikant aussah, schrieb mit.

Elle erklärte. Die anderen Anwesenden betrachteten etwas ratlos das Bild. Am wenigsten erschüttert wirkte Ina. Sie hatte beim Anblick der Maria nur kurz die Brauen gehoben und schien jetzt mit den Gedanken schon wieder woanders. Vielleicht bei ihrem anstrengenden Familienleben. Sie hatte eine schwierige Tochter, die in Berlin herumgammelte, eine ebenso ferne und sehr kleine Enkelin und zu Hause einen erwachsenen Sohn, der ständiger Pflege bedurfte. Sie sah oft müde aus. Manchmal sogar böse, streng und übernächtigt, so wie jetzt.

»Wer hatte denn den Schlüssel?«, fragte eine der Rosenkranzdamen scharfsinnig.

»Da müssen wir Mojo fragen, der hat auch einen Satz«, sagte Ina eine Spur abweisend. Und zu den Polizisten: »Mojo Hansen, unser Sozialarbeiter hier. – Also unseren hatten wir die ganze Nacht im Pfarrhaus am Schlüsselbrett. Wie immer.« Sie seufzte und sah plötzlich erschöpft aus.

»Sie hatten die Schlüssel die ganze Zeit?«, fragte Barolo. Das Gesicht dieses Bullen kam Elle zunehmend bekannt vor. Vermutlich hatte sie mit dem schon zu tun gehabt.

»Gut, vorhin hab ich den Bund an Frau Kling hier gegeben, die zum Putzen gekommen ist.«

»Sonst war niemand da? Die ganze Nacht nicht? Niemand kann den Schlüssel genommen haben?«

»Nein, aber, wie gesagt, Mojo Hansen besitzt auch einen Satz«, sagte Ina, jetzt fester, sodass der Gedanke im Raum verharrte und einen Verdacht gebar. Kaum aber war diese Niederkunft abgeschlossen, formierten sich die Rosenkranzdamen zu einem Chor, der energisch Mojos Vertrauenswürdigkeit bekräftigte. Sie kannten ihn, er war zuverlässig, und dass er nicht ans Telefon ging, war ein klarer Pluspunkt, zeigte es doch, dass er seine Arbeit ernst nahm und nicht ununterbrochen am Handy hing wie andere Leute. Vermutlich rettete er irgendwo ein Leben und hatte auf jeden Fall Besseres zu tun.

Elle amüsierte es, dass Mojo mehr Rückhalt im konservativen Teil der Gemeinde hatte als vermutet. Als Barolo nachfragte, ob der Herr Hansen nicht schon Jugendcamps mit Graffitikursen veranstaltet hätte, entstand ein richtig peinlicher Moment. Denn die Graffiti konnte keine bestreiten, und außerdem wusste jede hier: Falls der Kirchenschlüssel wirklich verlegt, heimlich verliehen oder benutzt worden war, um nachts einzubrechen, konnte eigentlich nur Mojo verantwortlich sein. Wie aber das ansprechen, ohne es zu sagen? Schließlich fand eine der Rosenkranzdamen einen Ausweg: Der Täter hatte sich wahrscheinlich einschließen lassen. Denn die Kirche stand tagsüber allen Gläubigen offen. Da konnte jemand hereingekommen sein und sich versteckt haben. Gelegenheit dazu gab es ganz sicher, denn schon morgens nach dem Putzen ließ Elle die Tür unverschlossen, und erst abends nach Andacht, Rosenkranz, Gottesdienst oder Anbruch der Dunkelheit wurde wieder verriegelt. Von Ina, meistens, die wohnte ja direkt nebenan. So auch gestern, nicht wahr?

»Ja«, sagte Ina. Eine steile...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
ISBN-10 3-95988-240-8 / 3959882408
ISBN-13 978-3-95988-240-8 / 9783959882408
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