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Klassische Lerntheorien -  Guy Bodenmann,  Meinrad Perrez,  Marcel Schär

Klassische Lerntheorien (eBook)

Grundlagen und Anwendungen in Erziehung und Psychotherapie
eBook Download: EPUB
2023 | 4. Auflage
312 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-76184-8 (ISBN)
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Einführung in die klassischen Lerntheorien Umfassend und anschaulich werden in diesem Lehrbuch die lerntheoretischen Grundlagen unter Einbezug neuer Forschungsbefunde vorgestellt: die Klassische und Operante Konditionierung, neuere behaviorale Ansätze sowie kognitive, soziale und gestaltpsychologische Modelle. Diese bilden unter anderem das lerntheoretische Fundament der Kognitiven Verhaltenstherapie. Nach einer kurzen historischen Einführung werden die bekanntesten Vertreter der einzelnen Theorien und ihre Modelle dargestellt. Zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen die theoretischen Annahmen und zeigen ihre Bedeutung zum Verständnis von Verhalten auf. Jeder Ansatz wird auf seine praktische Anwendbarkeit im Alltag, im erzieherischen Kontext und im Bereich der Psychotherapie diskutiert. Das Lehrbuch leistet damit einen wertvollen Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis. Zu den didaktischen Elementen zählen Übungsfragen, Definitionsboxen und Beispiele. Die vierte, vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage des beliebten Lehrbuchs integriert die aktuelle Forschungsliteratur. Es werden Implikationen der Lerntheorien für altbewährte und neuere psychotherapeutische Methoden unter Einbezug digitaler Formate erörtert.

|29|2  Klassische Konditionierung


Zur Einführung drei Szenarien: Eine Frau schaut auf das eben gekaufte Flugticket und bemerkt, wie sich ihr Puls beschleunigt. Ein junger Mann sieht eine Bierwerbung und zündet sich umgehend eine Zigarette an. In einer Küche wird der Dosenöffner aus der Schublade genommen, und kurz darauf schmiegt sich die eben noch schlafende Katze an die Beine ihres Besitzers.

Diese drei Momentaufnahmen haben eines gemeinsam: Ein Organismus nimmt jeweils einen Stimulus wahr und reagiert darauf. Wie aber kommt es, dass ein Stück Papier Herzrasen verursacht? Weshalb verspürt der Mann gerade in diesem Moment Lust auf eine Zigarette, als er die Bierwerbung sieht? Weshalb wacht die Katze auf, wenn eine Dose geöffnet wird? Angeboren sind diese Reaktionen nicht. Die genannten Verhaltensweisen sind Beispiele von sogenannten Konditionierungen. „Die Theorie des Klassischen Konditionierens versucht zu erklären, warum bestimmte Reize, die nicht angeborenermaßen verhaltensauslösende Qualität besitzen, die Eigenschaft erhalten, bestimmte Reaktionen auszulösen“ (Perrez & Zbinden, 1996, S. 302). Die wichtigsten Vertreter der Klassischen Konditionierung sind Pawlow und Watson. Ihre Theorien werden im folgenden Kapitel vorgestellt.

2.1  Historische Einbettung


In der Wissenschaft wurden mit der Jahrhundertwende die Disziplinen Chemie und Physik innerhalb weniger Jahre auf völlig neue Grundlagen gestellt. Damit wandelte sich das Weltbild. Ernest Rutherford zeigte auf, |30|dass Atome teilbar sind, Max Planck veröffentlichte seine Quantentheorie und Albert Einstein publizierte 1905 die Relativitätstheorie. Raum, Zeit und Materie traten in eine völlig neue Beziehung. Auch diverse technische Erfindungen revolutionierten die Welt. 1883 meldete Daimler ein Patent für den ersten brauchbaren Benzinmotor an, Stromgeneratoren wurden erfunden und bald rollten massenweise Autos vom Fließband der Firma Ford. Durch die Modernisierung der Arbeitsabläufe kam es innerhalb kürzester Zeit zu einer massiven Steigerung der Produktivität.

Durch diese Fortschritte der Industrialisierung nahm der Kapitalismus zu und mit ihm die Anliegen des Proletariats. Sozialistische Strömungen – unter anderem die Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels – gewannen an Einfluss.

Örtlich und zeitlich parallel zur Wiege der Lernpsychologie brach 1905 aufgrund großer Arbeitslosigkeit und sozialer Not in St. Petersburg die russische Revolution aus. Auch in der Kunst wurde opponiert. Die idealisierende wilhelminische Repräsentationskunst wich dem Impressionismus und schließlich dem Expressionismus oder Dadaismus, welche die Subjektivität der Wahrnehmung thematisieren. Der Konstruktivismus in Russland mit Vertretern wie Kandinsky oder Malewitsch, mit ihren geometrischen Formen, war ein Bekenntnis zur modernen Technik und wurde zur offiziellen Kunst der Russischen Revolution ernannt. Was in der Kunst die einzelnen geometrischen Formen waren oder in der Chemie die Grundelemente, war in der Psychologie die Suche nach den elementaren Bausteinen des Erlebens und Verhaltens. Das Hauptziel bestand darin, subjektive Erfahrungen zu beschreiben, wobei man sich auf die Methode der Introspektion fokussierte. In St. Petersburg, fernab vom Forschen der Strukturalisten und umgeben von den Turbulenzen der russischen Revolution, arbeitete ein junger Mediziner namens Pawlow daran, mit der Methodik der Physiologie, Lernprozesse zu erforschen. Er legte damit das Fundament der Lernpsychologie.

|31|2.2  Der Ansatz der Klassischen Konditionierung


2.2.1  Biografie der wichtigsten Vertreter des Ansatzes

2.2.1.1  Iwan Petrowitsch Pawlow (1849 – 1936)

Iwan Pawlow (Abbildung 2-1) wurde 1849 in Rayazan bei Moskau geboren. Als ältestes von zehn Kindern eines russisch-orthodoxen Geistlichen wurde er mit elf Jahren auf ein Priesterseminar geschickt, wodurch er Zugang zu fortschrittlichen Büchern und Zeitschriften erhielt. Damit war das Interesse an den Wissenschaften geweckt und anstatt Priester zu werden, wechselte Pawlow 1870 an die Universität von St. Petersburg. Er studierte anfänglich Jura und Naturwissenschaften, ließ sich dann aber an der militärischen Akademie von St. Petersburg zum Arzt ausbilden. Mit 31 Jahren wurde er Leiter der physiologischen Abteilung am Institut für Experimentelle Medizin, wo er fünf Jahre später die Professur für Physiologie erhielt. Die wissenschaftliche Forschung war nicht gerade Priorität des damaligen Zaren, und Pawlow, der mit seinem bescheidenen Gehalt auch noch für die Kosten seiner Versuchstiere aufzukommen hatte, musste sparsam und erfinderisch sein. So arbeitete und schlief Pawlow in seinem Labor, während seine Frau bei Verwandten unterkommen musste.

Berühmt wurde Pawlow durch seine Forschungen und Experimente im Rahmen des Verdauungsverhaltens von Hunden. Er erhielt 1904 den Nobelpreis für Medizin und war wohl der bekannteste Physiologe seiner Zeit. Mit seiner Demonstration des bedingten Reflexes – eines der berühmtesten Experimente der Psychologie überhaupt – ist er aus keinem Lehrbuch der experimentellen Psychologie mehr wegzudenken. Kurz vor seinem Tode wandte sich Pawlow in einer Rede an die Jugend und ermunterte diese, mit |32|Leidenschaft zu forschen, da die Wissenschaft das ganze Leben verlange. Ganz im Sinne seiner Rede arbeitete Pawlow bis zu seinem Tod im Jahre 1936 täglich im Labor mit seinen Hunden. Er starb im Alter von 86 Jahren.

2.2.1.2  John B. Watson (1878 – 1958)

Neben Pawlow ist John Watson (Abbildung 2-2) eine weitere zentrale Person, die mit ihren Forschungen die Theorie der Klassischen Konditionierung fundamental beeinflusste. Watson ist der eigentliche Vater des amerikanischen Behaviorismus. 1878 in South Carolina geboren, wuchs Watson in einem kleinen Dorf auf. Mehrmals kam er wegen Prügeleien und Schusswaffengebrauch in Kontakt mit der Polizei – ein problematisches Verhältnis zu Autoritäten sollte ihn ein Leben lang begleiten.

Nach seinen College-Jahren entschied er sich – trotz seiner Ansicht, dass die Schule zu Verweichlichung und Faulheit verleite und die Kindheit unnötig verlängere – für ein Psychologiestudium in Chicago. 1907 wurde ihm eine Assistenzprofessur für Psychologie an der Hopkins-Universität in Baltimore angeboten. Dem damaligen Trend entsprechend war die Untersuchung des Seelenlebens durch Introspektion zentral, doch Watson suchte aktiv nach Möglichkeiten, um Verhalten objektiv zu studieren.

In diesen Jahren veröffentlichte der Nobelpreisträger Pawlow seine Arbeiten über Konditionierungen. Watson reagierte 1913 mit seinem berühmten Artikel „Psychology as the Behaviorist views it“, in dem er den Begriff Behaviorismus einführte (Watson, 1913). Im Jahre 1915 wurde der 37-jährige Watson zum Präsidenten der Amerikanischen Psychologischen Vereinigung (APA) gewählt. Er arbeitete mit dem Direktor einer psychiatrischen Klinik zusammen, einem Schüler Freuds, mit welchem sich der Behaviorist Watson überraschend gut verstand. Aus dieser Zusammenarbeit entstand das klassische Experiment über die Entstehung von Ängsten bei Klein|33|kindern. Menschliches Verhalten, so behauptete Watson, sei einzig und allein auf eine Reihe von Konditionierungen zurückzuführen. Dann wandte sich Watson aber einem neuen Forschungsgebiet zu, was ihn – akademisch gesehen – bald Kopf und Kragen kosten sollte: Weder Ehefrau noch Universität schätzten die Versuchspersonentätigkeit, die Professor Watson und seine Assistentin zur Untersuchung von physiologischen Aspekten sexueller Erregung leisteten. So verdiente der Begründer des Behaviorismus sein Geld alsbald mit dem Verkauf von Kaffee und Gummistiefeln und machte als Handelsvertreter und später als Werbepsychologe seine zweite steile Karriere. Watson verstarb im Alter von 70 Jahren 1958 in New York.

2.2.2  Die Theorie der Klassischen Konditionierung

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Erscheint lt. Verlag 7.8.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-456-76184-8 / 3456761848
ISBN-13 978-3-456-76184-8 / 9783456761848
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