New Leadership in neuen Organisationsdesigns (eBook)
220 Seiten
Schäffer-Poeschel Verlag
978-3-7910-5977-8 (ISBN)
Nicole Bischof ist Professorin für Organisation und Leadership an der OST Ostschweizer Fachhochschule und Lehrbeauftragte an der Universität St.Gallen, Schweiz. Vor ihrer Promotion im Jahr 2013 in Kommunikationsmanagement an der Universität St.Gallen war ihre erste Karriere im Bereich des Naturgefahrenmanagements als Diplom-Geographin. Sie unterrichtet, forscht und berät Organisationen zu Themen der Kommunikation, Team- und Organisationsentwicklung. Besondere Themenfelder sind dabei Self-Leadership und neue Arbeitsformen. Lebenslanges Lernen bedeutet ihr sehr viel und so hat sie Weiterbildungen u. a. in Didaktik, Design Thinking, Coaching, Strukturaufstellung und Gruppendynamik absolviert. Als selbstständige Coach und Beraterin unterstützt sie seit Jahren Menschen in ihrer Karriereplanung und ihrem Life-Design (entwicklung-individuell.ch).
Nicole Bischof Nicole Bischof ist Professorin für Organisation und Leadership an der OST Ostschweizer Fachhochschule und Lehrbeauftragte an der Universität St.Gallen, Schweiz. Vor ihrer Promotion im Jahr 2013 in Kommunikationsmanagement an der Universität St.Gallen war ihre erste Karriere im Bereich des Naturgefahrenmanagements als Diplom-Geographin. Sie unterrichtet, forscht und berät Organisationen zu Themen der Kommunikation, Team- und Organisationsentwicklung. Besondere Themenfelder sind dabei Self-Leadership und neue Arbeitsformen. Lebenslanges Lernen bedeutet ihr sehr viel und so hat sie Weiterbildungen u. a. in Didaktik, Design Thinking, Coaching, Strukturaufstellung und Gruppendynamik absolviert. Als selbstständige Coach und Beraterin unterstützt sie seit Jahren Menschen in ihrer Karriereplanung und ihrem Life-Design (www.entwicklung-individuell.ch). Privat lebt sie mit ihrem Mann und zwei Kindern in Davos, Schweiz. Roger Künzli Roger Künzli, Mitglied der Geschäftsleitung bei CSP AG, Partner, lic.iur. HSG, eidg.dipl. Informatiker.
3.2 Führungsprinzipien im Rahmen von selbstorganisierten Organisationsformen
Auch in selbstorganisierten Systemen gibt es Anteile von Führung und Leadership (Pircher, 2018). Wenn man aus einem hierarchisch organisierten System einfach die Führungsriege entnimmt, ist man noch lang nicht bei Selbstorganisation angelangt. Führung in selbstorganisierten Systemen findet auf unterschiedlichen Ebenen statt, einerseits auf der kollektiven Ebene, andererseits auf der individuellen Ebene durch Selbstführung (Walz, 2020). Beide Ebenen und die zugrunde liegenden Prinzipien werden im Folgenden vorgestellt.
3.2.1 Appreciative Inquiry – wertschätzende Führung als Prinzip
Ziel der Organisationstransformation soll neben dem schnellen Reagieren auf Umweltveränderungen und Kundenanforderungen eine zunehmende Eigenverantwortung der Mitarbeitenden sein. Parallel dazu entwickelt sich eine neue Strömung, die auf Achtsamkeit (engl. Mindfulness) in der Organisations- und Mitarbeiterführung setzt (Good et al., 2016) und durch die Forschungsarbeiten der Positiven Psychologie beeinflusst wurde. Die Methode des Appreciative Inquiry konzentriert sich ausschließlich auf die Stärken, das Positive, das Potenzial der Organisation und deren Mitarbeitenden. Die Methode wird als »wertschätzende Untersuchung« beschrieben (Castello, 2005).
Analysiert man die bewährten und die neuen Führungspraktiken, so ist auffallend, dass bei allen das Konzept der »Wertschätzung« enthalten ist. Beispielsweise enthalten Mitarbeitendenbefragungen Items, wie »Ich fühle mich/meine Arbeit durch meinen Vorgesetzten/Kollegen ausreichend anerkannt/wertgeschätzt«.
Unbestritten ist, dass Anerkennung, Respekt und Wertschätzung zu den wichtigsten Motivationsfaktoren in Organisationen gehören. Sie bilden die Basis für die Steigerung des persönlichen Wohlbefindens der Mitarbeitenden im beruflichen Alltag und sind damit zugleich wichtige Schlüsselfaktoren für den persönlichen Erfolg und eine erfolgreiche betriebliche Zusammenarbeit. Auch bei den Kunden bleibt wertschätzende Führung nicht unbeachtet; Kundinnen erleben eine Organisation dann als kundenzentriert, wenn sie den Eindruck erhalten, dass die Mitarbeitenden dieser Organisation mit Begeisterung ihre Arbeit ausüben (Preusser/Bruch, 2014). Wertschätzung ist nicht nur förderlich für die Zusammenarbeit verschiedener Menschen , sondern auch ein wesentlicher Aspekt einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur. Demnach scheint der Schluss zulässig, dass Wertschätzung infolge erhöhter Motivation und weiterer positiver Auswirkungen (Gesundheit, Identifikation, Selbstwert) die Wertschöpfung fördert.
Die individuelle Behandlung und Förderung der Mitarbeitenden ist eine weitere Dimension, die im aktuell favorisierten und effizientesten Modell der Führungstheorien eine Rolle spielt – der transformationalen Führung (Bass/Avolio, 1995). Die Potenziale der Mitarbeitenden zu erkennen und sie in ihrer Individualität anzuerkennen, das erfordert Empathie und Wertschätzung. Doch wer ist in Organisationen dafür verantwortlich, dass Mitarbeitende Wertschätzung erfahren?
Forschungsergebnisse im Bereich Change-Management und Organisationsentwicklung belegen einerseits, dass eine erfolgreiche Unternehmenstransformation nicht ohne veränderte Einstellungen und Verhaltensweisen möglich ist, und andererseits, dass Führungskräfte die entscheidenden Gestalter dabei sind. Die Einstellungen und Verhaltensweisen der Führungskräfte haben Vorbildcharakter und bieten Rollenmodelle für das Erlernen neuer Verhaltensmuster. Deren Mindset im Sinne einer wertschätzenden Führung ist ausschlaggebend für das Etablieren von Wertschätzung im gesamten Unternehmen. Wertschätzender Umgang ist Ausdruck einer persönlichen Haltung, erfordert häufig ein Umdenken und bildet schlussendlich die Basis für selbstorganisiertes und eigenverantwortliches Handeln.
3.2.2 Selbstorganisation als grundlegendes Prinzip
Organisationen sind in einen hoch komplexen und sich schnell verändernden Kontext der VUKA-Welt (siehe Kap. 1) eingebettet. Der technologische Fortschritt und die zunehmende Digitalisierung erfordern Innovation und hoch spezialisierte Arbeitskräfte. Organisationen sind durch optimierte Wertschöpfungsprozesse mittlerweile global vernetzt und bedienen die individuellen Bedürfnisse einer Multioptions- und Konsumgesellschaft (Rüegg-Stürm/Grand, 2019). Mit ihren historisch gewachsenen Strukturen und Prozessen werden viele Organisationen diesen Anforderungen jedoch nur noch selten gerecht. Da die traditionellen Organisationsformen ihren Ursprung im Industriezeitalter haben, können sie die Herausforderungen des digitalen Zeitalters heute kaum noch bewältigen. Sie kämpfen mit langwierigen Entscheidungsprozessen, hierarchischen Kommunikationswegen, Unbeweglichkeit und hohen Fluktuationszahlen. »Kurz gesagt, die heutigen Organisationen sind veraltet.« (Robertson, 2015, S. 8).
Zur Lösung des Problems entscheiden sich viele Unternehmen für ein neues Organisationsdesign und zukunftsfähige Zusammenarbeitsformen der sogenannten New-Work-Bewegung. Dafür wurden unterschiedliche Formen von Selbstorganisationsmethoden entwickelt und im Lizenzverfahren angeboten, wie z. B. Scrum, Large Scale Scrum (LeSS) oder Scaled Agile Framework (SAFe). Auch kollegial geführte Unternehmen seien an dieser Stelle exemplarisch erwähnt. Frederic Laloux (2015) beschreibt dieses Phänomen in seinem Buch »Reinventing Organizations« als Paradigmenwechsel im Selbstverständnis von Arbeit und führt mit »lebendigen Systemen« eine neue Metapher für Organisationen ein. Drei Merkmale kennzeichnen solche Organisationen, welche Management neu erfinden: Selbstführung durch verteilte Autorität, Ganzheit und evolutionärer Sinn (Laloux, 2015). Brian Robertson ging einen Schritt weiter und entwickelte nicht nur eine Methodik für selbstorganisierte Zusammenarbeit in Teams, sondern eine völlig neue Organisationsstruktur, die er Holacracy nannte (Robertson, 2015) und die dem Prinzip der verteilten Autorität folgt. Lee und Edmondson (2017) definieren Organisationen, die sich selbst verwalten als »those that radically decentralize authority in a formal and systematic way throughout the organization«. In diesem Sinne gilt Holacracy zurzeit als eine der bekanntesten und radikalsten selbstgeführten Organisationsformen (Bernstein et al., 2016; Lee/Edmondson, 2017). In der Organisationsverfassung von Holacracy wird Autorität im System neu verteilt.
Dadurch findet ein grundlegendes Umdenken im Führungsverständnis innerhalb der gesamten Organisation statt: Entscheidungen werden nicht mehr an der Spitze des Organigramms gefällt, sondern von Mitarbeitenden, die durch das System ermächtigt werden und in ihren Rollen selbstbestimmt Arbeit verrichten (Herzmann, 2020; Seeger, 2020). »Es gibt keinen Manager mehr, der als eine Art Vater oder Mutter fungiert und ihre Probleme lösen kann« (Robertson, 2015, S. 22).
Der Wegfall der klassischen Führungskraft und die Befähigung der einzelnen Mitarbeitenden stellen eine einschneidende Veränderung im Organisationsgeschehen dar (Haken/Schiepek, 2010; Herzmann, 2020), weshalb Lee und Edmondson (2017) verschiedene mögliche Forschungsrichtungen vorschlagen und Wissenschaftlerinnen dazu motivieren, mehr über selbstgeführte Organisationen in Erfahrung zu bringen.
Viele Schweizer Unternehmen haben das Prinzip Holacracy bereits eingeführt, beispielsweise die Swisscom (Bauer/Hohl/Zirkler, 2019). Bauer, Hohl und Zirkler (2019) weisen darauf hin, dass der Wandel in ein holakratisches Organisationssystem in der Regel unterschätzt wird, und geben praktische Empfehlungen, was bei der Einführung von Holacracy beachtet werden soll. Unter anderem betonen die Autorinnen, dass die Arbeit für den Wandel zwar rasch dezentralisiert werden soll, sie jedoch hohe Anforderungen an Change Agents und Multiplikatorinnen stellt, da die neuen Spielregeln auch von ihnen zuerst erlernt und verinnerlicht werden müssen. Besonders zentral seien deshalb geeignete Maßnahmen für die Entwicklung der ehemaligen Führungskräfte. Durch die Transformation hin zur Selbstorganisation kann keineswegs komplett auf Führung verzichtet werden, auch hier ist Führungsarbeit notwendig, sie muss jedoch komplett anders gestaltet werden, wie die Studie des Instituts für angewandte Psychologie der ZHAW (IAP-Studie zur Arbeitswelt 4.0) zeigt (Majkovic et al., 2019).
Ein ideales Unternehmensklima ermuntert Mitarbeitende, vorgegebene Annahmen in Zweifel zu ziehen und Probleme oder Fehler freimütig zu melden, und regt die dazu an, vielfältige Analysen und Ansichten in Bezug auf die Produktionsprozesse der Organisation zu prüfen sowie Verfahren einzuführen, die dazu beitragen, dass diese unterschiedlichen Meinungen geäußert und wahrgenommen werden (Weick/Sutcliffe, 2010).
Erfolgsfaktoren | Misserfolgsfaktoren |
+ Vorbildfunktion des Top-Managements | - Mangelhafte Kommunikation in der Gestaltung des Change-Prozesses |
+ Etablierung einer Vertrauenskultur | - Mangelhafte Kommunikation, Sinnhaftigkeit und Vorteile der Transformation |
+ Agilität nicht zum Selbstzweck | - Mangelnde Integration wesentlicher Stakeholder |
+ Change-Maßnahmen und Akteure breit in der... |
Erscheint lt. Verlag | 28.3.2024 |
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Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | learning journeys • Neues Organisationsdesign • New Leadership • new work • Nicole Bischof • Organisations- und Teamentwicklung • Roger Künzli |
ISBN-10 | 3-7910-5977-7 / 3791059777 |
ISBN-13 | 978-3-7910-5977-8 / 9783791059778 |
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