Ausbreitungs- und Persistenzstrategien des Virus der Bornaschen Krankheit in primären corticalen Astrozytenkulturen von Lewis-Ratten
Seiten
2016
VVB Laufersweiler Verlag
978-3-8359-6443-3 (ISBN)
VVB Laufersweiler Verlag
978-3-8359-6443-3 (ISBN)
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1.Ziel der vorliegenden Dissertationsschrift war die Untersuchung der Rolle von Astrozyten bei der Ausbreitung und Persistenz des Virus der Bornaschen Krankheit (Borna Disease Virus, BDV). Zunächst sollten der Reifung und Differenzierung primärer, BDV-infizierter und nicht infizierter Astrozytenkulturen aus den cerebralen Cortices von Lewis-Ratten untersucht werden, um die Eignungen und Grenzen dieser Kulturen zur Analyse persistenter Virusinfektionen zu erarbeiten. Außerdem sollte geklärt werden, ob in Astrozyten Unterschiede zwischen der akuten und der chronisch-persistenten Infektionsphase hinsichtlich der BDV-Protein und –mRNA Expression bestehen. Hierzu wurden die Virusproteine BDV-N (Nukleoprotein), BDV-M (Matrixprotein) und BDV-GP (Glykoprotein) und die dazu gehörenden mRNAs in einer Kinetik untersucht. Die Rolle des BDV-GP für die glia-gliale Virusausbreitung in primären Astrozytenkulturen wurde mittels Furininhibitor getestet, der die Spaltung des BDV-GP in seine beiden funktionellen Untereinheiten BDV-GP-C und BDV-GP-N verhindert (BECKER et al., 2010). Weiterhin wurde der Zellkulturüberstand BDV-infizierter Astrozyten auf infektiöses, BDV-GP-haltiges Virus untersucht.
2.In der Literaturübersicht wird ein Überblick über Physiologie und Pathologie von Astrozyten gegeben, Astrozytenreifungs- und -differenzierungsmarker beschrieben und der Verwendungszweck von primären astrozytären Zellkulturen charakterisiert. Es wird ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung bezüglich Pathogenese und Klinik der Bornaschen Krankheit gegeben. Das Virus, seine Proteine sowie sein Infektionszyklus und die viralen Persistenzmechanismen werden beschrieben. Die Ausbreitungsstrategien behüllter Viren und der aktuelle wissenschaftliche Stand zur BDV-Ausbreitung in Zellkulturen werden charakterisiert. Abschließend wird außerdem auf den Zelltropismus des BDV eingegangen. Abschließend wird ein kurzer Einblick in Prophylaxe und Therapieansätze bei Bornascher Krankheit und in die Funktionen der Pro-Protein-Konvertase Furin gegeben sowie der Furin-Inhibitor MI-0701 charakterisiert.
3.Im experimentellen Teil wurden aus den Gehirnen neonataler Lewis-Ratten primäre Astrozytenkulturen des Cortex cerebri gewonnen und in vitro mit einer Ratten-adaptierten BDV-Präparation (5/25/92) infiziert. Um die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen primärer astrozytärer corticaler Zellkulturen zu untersuchen, wurden zunächst BDV-infizierte und nicht infizierte Kulturen auf ihre Reifungs- und Differenzierungsmarker getestet. Mittels indirekter Immunfluoreszenz wurde die Expression von GFAP, Vimentin, Nestin, S100ß, GLAST und GLT-1 am 7. 28. und 42 Tag in vivo (day in vivo, DIV) semiquantitativ bestimmt. BDV-Nukleoprotein (BDV-N) BDV-Matrixprotein (BDV-M) und BDV-Glykoprotein (BDV-GP) wurden durch indirekte Immunfluoreszenz nachgewiesen und in einer Kinetikstudie am Tag 14, 28. und 42 nach Infektion (post infection, p.i.) semiquantitativ untersucht und deren intrazelluläre Lokalisation bestimmt. Die Ergebnisse wurden durch Western-Blot Untersuchungen der gleichen Antigene überprüft. Zum Nachweis verschiedener viraler RNAs wurde eine Fluoreszenz-In-situ-Hybridisierung (FISH) mit Digoxigenin (DIG)-markierten RNA Sonden durchgeführt. Es wurden Sonden verwendet, die vorwiegend positiv orientierte mRNAs (+ss) detektieren, die für die Virusproteine BDV-N, BDV-M und BDV-GP kodieren. Für BDV-N wurde außerdem die genomische, negativ orientierte (-ss) RNA dargestellt. Die Zeitpunkte 28 und 42 p.i. wurden semiquantitativ ausgewertet und die intrazelluläre Lokalisation der RNAs bestimmt. Mittels real-time Polymerase-Kettenreaktion (real-time PCR) wurde die Transkriptionseffizienz der BDV-N, BDV-M und BDV-GP spezifischen Transkripte in einer Kinetik (Tag 21, 28 und 42 p.i.) quantitativ untersucht. Der Zellkulturüberstand primärer Astrozyten wurde am Tag 27 p.i. auf das Vorhandensein freier, infektiöser Viruspartikel überprüft. Zur Untersuchung der Rolle des BDV-GP bei der glia-glialen Virus-Ausbreitung wurden nicht infizierte Astrozyten im Verhältnis 100:1 mit zu 94% BDV-infizierten Astrozyten gemischt und für 23 Tage kokultiviert. Einem Teil der Zellen wurde der Furin-Inhibitor MI-0701 zugegeben, der die Spaltung des BDV-GP in seine funktionellen Untereinheiten GP-C und GP-N verhindert. Der andere Teil der Zellen wurde ohne Inhibitorzugabe kultiviert. Der Prozentsatz BDV-infizierter Zellen wurde bei beiden Untersuchungsgruppen mittels indirekter Immunfluoreszenz gegen BDV-N kinetisch untersucht.
4.Die Astrozyten-Reifungsmarker GFAP, Vimentin, Nestin, S100ß waren am Tag 7, 28 und 42 in vitro in fast allen Zellen nachweisbar. Primäre Astrozytenkulturen des Cortex cerebri von Lewis-Ratten reiften folglich unter den hier verwendeten Kulturbedingungen nicht wie Astrozyten in vivo vollständig aus, sondern ähnelten immaturen perinatalen Astrozyten früherer in vivo Studien. Die Expression der Astrozyten-Differenzierungsmarker GLAST und GLT-1 charakterisierte die Zellen als protoplasmatische Astrozyten (Typ 1-Astrozyten). Es konnte kein Unterschied zwischen BDV-infizierten und nicht infizierten Astrozytenkulturen festgestellt werden, so dass die BDV-Infektion die Reifung und Differenzierung der Astrozyten nicht zu beeinflussen scheint. Die primären Astrozyten erwiesen sich für die Untersuchung der BDV-Ausbreitung und speziell BDV-infizierte Astrozyten betreffende Fragestellungen als sehr wertvolle Werkzeuge. In vitro-Astrozyten exprimieren nicht die gleichen Zellreifungsmarker wie gleichalte in vivo-Astrozyten. Dies zeigt die Beschränkungen dieses in vitro-Ansatzes auf, so dass bei Verwendung primärer Astrozyten die Ergebnisse gegebenenfalls im Tierversuch überprüft werden müssen oder die Ausreifung der Zellen durch Zugabe von Wachstumsfaktoren induziert werden sollte.
5.Durch indirekte Immunfluoreszenz ließ sich BDV-GP zu keinem Untersuchungszeitpunkt nachweisen. Dieses Ergebnis deckt sich mit den in vivo Verhältnissen, wo BDV-GP ebenfalls noch nie in Astrozyten nachgewiesen werden konnte. BDV-N fand sich zu allen Untersuchungszeitpunkten sowohl im Zellkern als auch im Zytoplasma und in Zellfortsätzen. BDV-M war dagegen nur sehr selten im Kern nachweisbar, sondern befand sich überwiegend im Zytoplasma und Zellfortsätzen. BDV-N und BDV-M waren am Tag 14 p.i. jeweils in weniger als 30% der Zellen exprimiert. Die BDV-N Expression stieg vom Tag 28 zum Tag 42 kontinuierlich an und erreichte eine Expression in >80% der Zellen. Bei BDV-M war der Anstieg vom Tag 28 zum Tag 42 nur geringgradig ausgeprägt, zu beiden Zeitpunkten fand sich eine Reaktion in 30-80% der Astrozyten.
6.BDV-N und BDV-M ließen sich mittels Western Blot zu allen Untersuchungszeitpunkten nachweisen. BDV-GP war in den untersuchten Proben vom 21., 28. und 42. dpi nicht nachweisbar. Der BDV-GP Nachweis gelang jedoch in persistent BDV-infizierten Astrozyten. BDV-GP konnte dadurch erstmals in Astrozyten nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse deuten jedoch auf eine starke Restriktion der BDV-GP-Expression in Astrozyten hin.
7.BDV-N RNA und mRNA, BDV-M mRNA sowie BDV-GP mRNA wurden morphologisch mittels FISH nachgewiesen. BDV-N mRNA trat sowohl im Zytoplasma als auch in Kernen auf und wurde am stärksten exprimiert, was den 3´-5´-Transkriptionsgradient des BDV bestätigt. Die Expression fiel im Untersuchungsverlauf leicht ab. Dagegen stieg die BDV-GP mRNA Expression von geringem auf mittleres Niveau an. Die mRNA befand sich allerdings fast ausschließlich in Zellkernen. Dies deutet auf eine effektive Transkription, aber Restriktion des nukleären Exportes der mRNA hin, was eine Erklärung für das fast völlige Fehlen des BDV-GP-Nachweises in Astrozyten sein kann und den Verhältnissen in vivo entspricht. BDV-M mRNA war zu allen Untersuchungszeitpunkten nur schwach nachweisbar und fand sich variabel sowohl in Zellkernen als auch im Zytoplasma. Möglicherweise ist der schwache Nachweis auf Verwendung der mit 88 Nukleotiden nur sehr kurzen FISH Sonde zurückzuführen. Da BDV-M am 28. und 42 dpi in 30-80% der Zellen nachweisbar ist, scheint eine ausreichende Translation stattzufinden. Genomische BDV-N RNA stieg von geringem auf mittleres Niveau an und fand sich besonders am Tag 42 p.i. sowohl im Zellkern als auch im Zytoplasma. Möglicherweise findet zu späten Infektionszeitpunkten ein gesteigerter Transport genomischer RNA zu astrozytären Fortsätzen statt, wo Reifung und Freisetzung des BDV stattfinden könnten.
8.BDV-N spezifische Transkripte waren in primären Astrozytenkulturen zu allen Untersuchungszeitpunkten und in allen Proben mittels real-time PCR in signifikant höherer Kopienzahl nachweisbar als BDV-M mRNA und BDV-GP mRNA. Dies entspricht wie erwartet dem 3`-5`-Transkriptionsgradient des BDV. Eine Regulation der Transkriptmenge zu verschiedenen Zeitpunkten p.i. fand sich für BDV-N mRNA und BDV-M mRNA, die Transkripte fielen vom Tag 21 zum Tag 42 stetig ab. Die BDV-GP mRNA blieb dagegen in etwa konstant.
9.In der vorliegenden Arbeit konnte erstmals die Notwendigkeit des BDV-GP für die glia-gliale Virusausbreitung belegt werden. Im Zellkulturüberstand BDV-infizierter Astrozyten am Tag 27 p.i. war kein infektiöses Virus nachweisbar. Daraus kann gefolgert werden, dass BDV-infizierte primäre Astrozytenkulturen, wenn überhaupt, dann nur ganz geringe Mengen an infektiösen BDV-Partikeln in den Extrazellularraum abgeben, die für eine Neuinfektion von Zellen nicht ausreichen. Dies zeigt, dass sich die BDV-Infektion überwiegend zwischen benachbarten Zellen ausbreitet. Die Virusausbreitung ist außerdem von einer korrekten Spaltung des BDV-GP in seine funktionellen Untereinheiten abhängig, da die Ausbreitung durch Zugabe des Inhibitors MI-0701, der die GP-Spaltung verhindert, signifikant reduziert wird. Eine Virusausbreitung über unbehüllte Ribonukleoproteinkomplexe scheint somit unwahrscheinlich. Es kann gefolgert werden, dass für die transgliale BDV-Ausbreitung ganze, BDV-GP-haltige Viruspartikel gebraucht werden. Die Übertragung scheint durch bisher noch unbekannte Mechanismen von infizierte auf uninfizierte Nachbarzellen stattzufinden. Als mögliche Mechanismen kämen die Weitergabe über Zytoplasmabrücken oder die Bildung lokaler Mikrofusionsporen in Frage. Auch eine lokale Abschnürung von Viren wäre denkbar. Sowohl das mit dem RNP assoziierte BDV-N als auch das mit der Virushülle und dem RNP assoziierte BDV-M sowie genomische BDV-N vRNA konnten in astrozytären Fortsätzen nachgewiesen werden. Möglicherweise findet, analog zum intraaxonalen Transport in Neuronen, ein Transport genomischer RNA und BDV-spezifischer Proteine zu astrozytären Fortsätzen statt, wo Reifung und Weitergabe des BDV an die Nachbarzelle stattfinden könnte.
10.Zur Aufrechterhaltung der viralen Persistenz benutzt das BDV in Astrozyten vielschichtige Regulationsmechanismen, die dazu beitragen könnten, den nicht-zytolytischen persistierenden Lebenszyklus im ZNS zu etablieren. Insbesondere zu späten Infektionszeitpunkten könnten Astrozyten in vivo zur Aufrechterhaltung der BDV-Replikation und Virusfreisetzung beitragen und dadurch die virale Persistenz ermöglichen. Die starke Restriktion der Glykoproteinexpression und die fehlende Freisetzung infektiöser Viruspartikel stellen in vivo vermutlich wichtige Faktoren zur Umgehung des körpereigenen Immunsystems dar. Diese Mechanismen konnten auch in primären Astrozytenkulturen nachgewiesen werden. Weiterhin scheint das BDV durch verschiedene Mechanismen in der Lage zu sein, aktiv das körpereigene Immunsystem zu unterdrücken. In Astrozyten geschieht dies in vivo unter anderem durch eine Herabregulation von S100ß, welches als Zytokin fungiert und Entzündungsreaktionen fördert. Eine BDV bedingte Verringerung der S100ß-Expression konnte in primären corticalen Astrozytenkulturen jedoch nicht gezeigt werden, was möglicherweise an einer fehlenden Rückkopplung durch immunologische Effektorzellen liegen könnte. Die Proteinexpression wird in Astrozyten vielschichtig reguliert. Das am höchsten exprimierte Protein BDV-N schützt das Virusgenom, wirkt einer Aktivierung des Immunsystems entgegen und trägt durch Schutz vor Superinfektionen zur genomischen Stabilität des BDV bei. BDV-M wird in vivo vor allem in der späten Infektionsphase exprimiert. Es fanden sich Hinweise, dass das Mengenverhältnis von BDV-M zu einer balancierten Freisetzung neuer Viruspartikel beitragen könnte. Möglicherweise beeinflusst BDV-M außerdem über seine Bindung an BDV-P indirekt die Polymeraseaktivität. BDV-GP ist eine wichtige Determinante für die antivirale Immunantwort und wird in Astrozyten extrem restriktiv exprimiert. Die Herabregulierung der BDV-GP-Expression geschieht unter anderem durch eine geringere Spleißeffizienz, die sich aufgrund möglicher abweichender Spleißregulatoren in Astrozyten von der in Neuronen unterscheiden könnte. Eine restriktive BDV-GP Expression wird außerdem durch Retention der BDV-GP mRNA im Zellkern, regulierte Translation und Akkumulation des Proteins in zellulären Kompartimenten erreicht.
2.In der Literaturübersicht wird ein Überblick über Physiologie und Pathologie von Astrozyten gegeben, Astrozytenreifungs- und -differenzierungsmarker beschrieben und der Verwendungszweck von primären astrozytären Zellkulturen charakterisiert. Es wird ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung bezüglich Pathogenese und Klinik der Bornaschen Krankheit gegeben. Das Virus, seine Proteine sowie sein Infektionszyklus und die viralen Persistenzmechanismen werden beschrieben. Die Ausbreitungsstrategien behüllter Viren und der aktuelle wissenschaftliche Stand zur BDV-Ausbreitung in Zellkulturen werden charakterisiert. Abschließend wird außerdem auf den Zelltropismus des BDV eingegangen. Abschließend wird ein kurzer Einblick in Prophylaxe und Therapieansätze bei Bornascher Krankheit und in die Funktionen der Pro-Protein-Konvertase Furin gegeben sowie der Furin-Inhibitor MI-0701 charakterisiert.
3.Im experimentellen Teil wurden aus den Gehirnen neonataler Lewis-Ratten primäre Astrozytenkulturen des Cortex cerebri gewonnen und in vitro mit einer Ratten-adaptierten BDV-Präparation (5/25/92) infiziert. Um die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen primärer astrozytärer corticaler Zellkulturen zu untersuchen, wurden zunächst BDV-infizierte und nicht infizierte Kulturen auf ihre Reifungs- und Differenzierungsmarker getestet. Mittels indirekter Immunfluoreszenz wurde die Expression von GFAP, Vimentin, Nestin, S100ß, GLAST und GLT-1 am 7. 28. und 42 Tag in vivo (day in vivo, DIV) semiquantitativ bestimmt. BDV-Nukleoprotein (BDV-N) BDV-Matrixprotein (BDV-M) und BDV-Glykoprotein (BDV-GP) wurden durch indirekte Immunfluoreszenz nachgewiesen und in einer Kinetikstudie am Tag 14, 28. und 42 nach Infektion (post infection, p.i.) semiquantitativ untersucht und deren intrazelluläre Lokalisation bestimmt. Die Ergebnisse wurden durch Western-Blot Untersuchungen der gleichen Antigene überprüft. Zum Nachweis verschiedener viraler RNAs wurde eine Fluoreszenz-In-situ-Hybridisierung (FISH) mit Digoxigenin (DIG)-markierten RNA Sonden durchgeführt. Es wurden Sonden verwendet, die vorwiegend positiv orientierte mRNAs (+ss) detektieren, die für die Virusproteine BDV-N, BDV-M und BDV-GP kodieren. Für BDV-N wurde außerdem die genomische, negativ orientierte (-ss) RNA dargestellt. Die Zeitpunkte 28 und 42 p.i. wurden semiquantitativ ausgewertet und die intrazelluläre Lokalisation der RNAs bestimmt. Mittels real-time Polymerase-Kettenreaktion (real-time PCR) wurde die Transkriptionseffizienz der BDV-N, BDV-M und BDV-GP spezifischen Transkripte in einer Kinetik (Tag 21, 28 und 42 p.i.) quantitativ untersucht. Der Zellkulturüberstand primärer Astrozyten wurde am Tag 27 p.i. auf das Vorhandensein freier, infektiöser Viruspartikel überprüft. Zur Untersuchung der Rolle des BDV-GP bei der glia-glialen Virus-Ausbreitung wurden nicht infizierte Astrozyten im Verhältnis 100:1 mit zu 94% BDV-infizierten Astrozyten gemischt und für 23 Tage kokultiviert. Einem Teil der Zellen wurde der Furin-Inhibitor MI-0701 zugegeben, der die Spaltung des BDV-GP in seine funktionellen Untereinheiten GP-C und GP-N verhindert. Der andere Teil der Zellen wurde ohne Inhibitorzugabe kultiviert. Der Prozentsatz BDV-infizierter Zellen wurde bei beiden Untersuchungsgruppen mittels indirekter Immunfluoreszenz gegen BDV-N kinetisch untersucht.
4.Die Astrozyten-Reifungsmarker GFAP, Vimentin, Nestin, S100ß waren am Tag 7, 28 und 42 in vitro in fast allen Zellen nachweisbar. Primäre Astrozytenkulturen des Cortex cerebri von Lewis-Ratten reiften folglich unter den hier verwendeten Kulturbedingungen nicht wie Astrozyten in vivo vollständig aus, sondern ähnelten immaturen perinatalen Astrozyten früherer in vivo Studien. Die Expression der Astrozyten-Differenzierungsmarker GLAST und GLT-1 charakterisierte die Zellen als protoplasmatische Astrozyten (Typ 1-Astrozyten). Es konnte kein Unterschied zwischen BDV-infizierten und nicht infizierten Astrozytenkulturen festgestellt werden, so dass die BDV-Infektion die Reifung und Differenzierung der Astrozyten nicht zu beeinflussen scheint. Die primären Astrozyten erwiesen sich für die Untersuchung der BDV-Ausbreitung und speziell BDV-infizierte Astrozyten betreffende Fragestellungen als sehr wertvolle Werkzeuge. In vitro-Astrozyten exprimieren nicht die gleichen Zellreifungsmarker wie gleichalte in vivo-Astrozyten. Dies zeigt die Beschränkungen dieses in vitro-Ansatzes auf, so dass bei Verwendung primärer Astrozyten die Ergebnisse gegebenenfalls im Tierversuch überprüft werden müssen oder die Ausreifung der Zellen durch Zugabe von Wachstumsfaktoren induziert werden sollte.
5.Durch indirekte Immunfluoreszenz ließ sich BDV-GP zu keinem Untersuchungszeitpunkt nachweisen. Dieses Ergebnis deckt sich mit den in vivo Verhältnissen, wo BDV-GP ebenfalls noch nie in Astrozyten nachgewiesen werden konnte. BDV-N fand sich zu allen Untersuchungszeitpunkten sowohl im Zellkern als auch im Zytoplasma und in Zellfortsätzen. BDV-M war dagegen nur sehr selten im Kern nachweisbar, sondern befand sich überwiegend im Zytoplasma und Zellfortsätzen. BDV-N und BDV-M waren am Tag 14 p.i. jeweils in weniger als 30% der Zellen exprimiert. Die BDV-N Expression stieg vom Tag 28 zum Tag 42 kontinuierlich an und erreichte eine Expression in >80% der Zellen. Bei BDV-M war der Anstieg vom Tag 28 zum Tag 42 nur geringgradig ausgeprägt, zu beiden Zeitpunkten fand sich eine Reaktion in 30-80% der Astrozyten.
6.BDV-N und BDV-M ließen sich mittels Western Blot zu allen Untersuchungszeitpunkten nachweisen. BDV-GP war in den untersuchten Proben vom 21., 28. und 42. dpi nicht nachweisbar. Der BDV-GP Nachweis gelang jedoch in persistent BDV-infizierten Astrozyten. BDV-GP konnte dadurch erstmals in Astrozyten nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse deuten jedoch auf eine starke Restriktion der BDV-GP-Expression in Astrozyten hin.
7.BDV-N RNA und mRNA, BDV-M mRNA sowie BDV-GP mRNA wurden morphologisch mittels FISH nachgewiesen. BDV-N mRNA trat sowohl im Zytoplasma als auch in Kernen auf und wurde am stärksten exprimiert, was den 3´-5´-Transkriptionsgradient des BDV bestätigt. Die Expression fiel im Untersuchungsverlauf leicht ab. Dagegen stieg die BDV-GP mRNA Expression von geringem auf mittleres Niveau an. Die mRNA befand sich allerdings fast ausschließlich in Zellkernen. Dies deutet auf eine effektive Transkription, aber Restriktion des nukleären Exportes der mRNA hin, was eine Erklärung für das fast völlige Fehlen des BDV-GP-Nachweises in Astrozyten sein kann und den Verhältnissen in vivo entspricht. BDV-M mRNA war zu allen Untersuchungszeitpunkten nur schwach nachweisbar und fand sich variabel sowohl in Zellkernen als auch im Zytoplasma. Möglicherweise ist der schwache Nachweis auf Verwendung der mit 88 Nukleotiden nur sehr kurzen FISH Sonde zurückzuführen. Da BDV-M am 28. und 42 dpi in 30-80% der Zellen nachweisbar ist, scheint eine ausreichende Translation stattzufinden. Genomische BDV-N RNA stieg von geringem auf mittleres Niveau an und fand sich besonders am Tag 42 p.i. sowohl im Zellkern als auch im Zytoplasma. Möglicherweise findet zu späten Infektionszeitpunkten ein gesteigerter Transport genomischer RNA zu astrozytären Fortsätzen statt, wo Reifung und Freisetzung des BDV stattfinden könnten.
8.BDV-N spezifische Transkripte waren in primären Astrozytenkulturen zu allen Untersuchungszeitpunkten und in allen Proben mittels real-time PCR in signifikant höherer Kopienzahl nachweisbar als BDV-M mRNA und BDV-GP mRNA. Dies entspricht wie erwartet dem 3`-5`-Transkriptionsgradient des BDV. Eine Regulation der Transkriptmenge zu verschiedenen Zeitpunkten p.i. fand sich für BDV-N mRNA und BDV-M mRNA, die Transkripte fielen vom Tag 21 zum Tag 42 stetig ab. Die BDV-GP mRNA blieb dagegen in etwa konstant.
9.In der vorliegenden Arbeit konnte erstmals die Notwendigkeit des BDV-GP für die glia-gliale Virusausbreitung belegt werden. Im Zellkulturüberstand BDV-infizierter Astrozyten am Tag 27 p.i. war kein infektiöses Virus nachweisbar. Daraus kann gefolgert werden, dass BDV-infizierte primäre Astrozytenkulturen, wenn überhaupt, dann nur ganz geringe Mengen an infektiösen BDV-Partikeln in den Extrazellularraum abgeben, die für eine Neuinfektion von Zellen nicht ausreichen. Dies zeigt, dass sich die BDV-Infektion überwiegend zwischen benachbarten Zellen ausbreitet. Die Virusausbreitung ist außerdem von einer korrekten Spaltung des BDV-GP in seine funktionellen Untereinheiten abhängig, da die Ausbreitung durch Zugabe des Inhibitors MI-0701, der die GP-Spaltung verhindert, signifikant reduziert wird. Eine Virusausbreitung über unbehüllte Ribonukleoproteinkomplexe scheint somit unwahrscheinlich. Es kann gefolgert werden, dass für die transgliale BDV-Ausbreitung ganze, BDV-GP-haltige Viruspartikel gebraucht werden. Die Übertragung scheint durch bisher noch unbekannte Mechanismen von infizierte auf uninfizierte Nachbarzellen stattzufinden. Als mögliche Mechanismen kämen die Weitergabe über Zytoplasmabrücken oder die Bildung lokaler Mikrofusionsporen in Frage. Auch eine lokale Abschnürung von Viren wäre denkbar. Sowohl das mit dem RNP assoziierte BDV-N als auch das mit der Virushülle und dem RNP assoziierte BDV-M sowie genomische BDV-N vRNA konnten in astrozytären Fortsätzen nachgewiesen werden. Möglicherweise findet, analog zum intraaxonalen Transport in Neuronen, ein Transport genomischer RNA und BDV-spezifischer Proteine zu astrozytären Fortsätzen statt, wo Reifung und Weitergabe des BDV an die Nachbarzelle stattfinden könnte.
10.Zur Aufrechterhaltung der viralen Persistenz benutzt das BDV in Astrozyten vielschichtige Regulationsmechanismen, die dazu beitragen könnten, den nicht-zytolytischen persistierenden Lebenszyklus im ZNS zu etablieren. Insbesondere zu späten Infektionszeitpunkten könnten Astrozyten in vivo zur Aufrechterhaltung der BDV-Replikation und Virusfreisetzung beitragen und dadurch die virale Persistenz ermöglichen. Die starke Restriktion der Glykoproteinexpression und die fehlende Freisetzung infektiöser Viruspartikel stellen in vivo vermutlich wichtige Faktoren zur Umgehung des körpereigenen Immunsystems dar. Diese Mechanismen konnten auch in primären Astrozytenkulturen nachgewiesen werden. Weiterhin scheint das BDV durch verschiedene Mechanismen in der Lage zu sein, aktiv das körpereigene Immunsystem zu unterdrücken. In Astrozyten geschieht dies in vivo unter anderem durch eine Herabregulation von S100ß, welches als Zytokin fungiert und Entzündungsreaktionen fördert. Eine BDV bedingte Verringerung der S100ß-Expression konnte in primären corticalen Astrozytenkulturen jedoch nicht gezeigt werden, was möglicherweise an einer fehlenden Rückkopplung durch immunologische Effektorzellen liegen könnte. Die Proteinexpression wird in Astrozyten vielschichtig reguliert. Das am höchsten exprimierte Protein BDV-N schützt das Virusgenom, wirkt einer Aktivierung des Immunsystems entgegen und trägt durch Schutz vor Superinfektionen zur genomischen Stabilität des BDV bei. BDV-M wird in vivo vor allem in der späten Infektionsphase exprimiert. Es fanden sich Hinweise, dass das Mengenverhältnis von BDV-M zu einer balancierten Freisetzung neuer Viruspartikel beitragen könnte. Möglicherweise beeinflusst BDV-M außerdem über seine Bindung an BDV-P indirekt die Polymeraseaktivität. BDV-GP ist eine wichtige Determinante für die antivirale Immunantwort und wird in Astrozyten extrem restriktiv exprimiert. Die Herabregulierung der BDV-GP-Expression geschieht unter anderem durch eine geringere Spleißeffizienz, die sich aufgrund möglicher abweichender Spleißregulatoren in Astrozyten von der in Neuronen unterscheiden könnte. Eine restriktive BDV-GP Expression wird außerdem durch Retention der BDV-GP mRNA im Zellkern, regulierte Translation und Akkumulation des Proteins in zellulären Kompartimenten erreicht.
Erscheinungsdatum | 15.06.2016 |
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Reihe/Serie | Edition Scientifique |
Sprache | deutsch |
Maße | 146 x 210 mm |
Gewicht | 338 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Veterinärmedizin ► Klinische Fächer ► Krankheitslehre |
Schlagworte | Doktorarbeit • Uni • Wissenschaft |
ISBN-10 | 3-8359-6443-7 / 3835964437 |
ISBN-13 | 978-3-8359-6443-3 / 9783835964433 |
Zustand | Neuware |
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