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Lebendige Nacht (eBook)

Vom verborgenen Leben der Tiere

****

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
272 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-27696-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lebendige Nacht - Sophia Kimmig
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Faszinierendes Paralleluniversum: Sophia Kimmig entführt in die Dunkelwelt und öffnet die Augen für die Wunder der Nacht direkt vor unserer Tür.
Wenn die Sonne untergegangen ist, wird es bei den Wildtieren erst richtig interessant: Wo tagsüber Menschen auf Busse warten, durchwühlt eine Wildschweinfamilie den Mülleimer an der Haltestelle. Füchse suchen nach Futter, Glühwürmchen senden Blinksignale an potenzielle Partner, Waschbären durchstöbern das Gebüsch. Die Nacht ist nicht nur eine Zeit, sondern ein vielfältiger Lebensraum, über den wir immer noch zu wenig wissen. Die Wildbiologin Sophia Kimmig ist den Geheimnissen der Nacht auf der Spur. Sie stellt dabei nicht nur ihre wilden Bewohner vor, sondern zeigt auch, wie es ist, in dieser Parallelwelt zu leben: Wie sie entstand, wie es dort aussieht, sich anfühlt oder riecht. Eine faszinierende Reise zu den Wundern der Nacht.

Sophia Kimmig, geboren 1988, erforscht an einem Institut der Leibnizgesellschaft in Berlin, wie Wildtiere sich an verändernde Lebensraumbedingungen anpassen. 2021 erschien ihr Bestseller Von Füchsen und Menschen. In Vorträgen, durch Medienarbeit und mit ihren Texten verfolgt sie ihr Anliegen, Menschen die Vielfalt und den Wert der Natur näherzubringen und Akzeptanz für Natur- und Artenschutz zu schaffen. Die Autorin lebt in Berlin.

Die dunkle Seite des Tages


Auf jeden Tag folgt eine Nacht. So weit, so normal. Aber haben Sie sich schon mal wirklich bewusst gemacht, was das bedeutet? Wir Menschen verschlafen einen nicht unerheblichen Teil des Tages. Aber wir verpassen nicht nur ein paar Stunden, eine Portion Zeit, die uns durch die Finger rinnt. Wir verpassen eine ganze Welt, eine Art Spiegeluniversum, in dem alles irgendwie gleich und dennoch völlig anders ist. Es ist, als wäre das Leben zweigeteilt. Zwei parallele Welten mit ihren eigenen Kreaturen und Regeln, mit ihrer eigenen Realität.

Von subjektiven Realitäten


Die Tatsache, dass wir überwiegend in nur einer dieser beiden Welten leben, mag zunächst nicht allzu wichtig erscheinen, aber sie hat weitreichende Konsequenzen. Das betrifft uns beispielsweise ganz direkt. So sind unsere Fähigkeiten, Gewohnheiten, unsere Physiologie und vieles mehr, das uns als Menschen ausmacht, eng mit unserer Lebensweise als Tagesbewohner verknüpft. Es fängt bei unserer Orientierung an, denn unsere Augen sind auf das Sehen bei Tageslicht spezialisiert. Sie lösen komplexe Szenen in wunderschönen, bunten und klaren Bildern auf und helfen uns so, uns in der Welt zurechtzufinden. Sobald die Nacht dämmert, sind wir dagegen auf Lichtquellen angewiesen, seien es natürliche, wie das Mondlicht einer klaren Vollmondnacht, Feuer, oder die Abermillionen von künstlichen Lichtern, mit denen wir uns heute die Nacht erhellen. Auch wenn wir in der natürlichen Dunkelheit selbstverständlich nicht völlig blind sind und unsere Augen sich durchaus an die schwachen Lichtverhältnisse in der Nacht gewöhnen, ist unser nächtliches Sehen im Vergleich zu anderen Säugetieren, die sich im Laufe der Evolution für die andere Seite des Tages entschieden, stark eingeschränkt.

Auch unser ganzer Schlaf-Wach-Rhythmus und der dazugehörige Hormonstoffwechsel sind darauf ausgelegt, dass wir überwiegend tagsüber aktiv sind und nachts ruhen. Im Gegensatz zu vielen anderen Lebewesen, die ihre Schlafperioden über den Tag verteilen, sind wir natürlicherweise Nachtschläfer und brauchen die Dunkelheit, um Melatonin auszuschütten und erholsam schlafen zu können. Gleichzeitig macht Licht uns wach und munter, hebt unsere Stimmung und verbessert unsere kognitiven Leistungen. Das gilt besonders für blaues Licht, das natürlicherweise im Farbenspektrum des sichtbaren Sonnenlichts vorkommt. Wir verdanken unsere Blau-Affinität einem Molekül namens Melanopsin, das Fotopigment in unserer Netzhaut reagiert besonders stark auf diese Lichtfarbe.1 Was uns am Tag munter macht, kann uns jedoch in der Nacht wach halten, zum Beispiel wenn wir durch blaues Licht von Computer und Handybildschirmen das über Jahrtausende entstandene Hormongefüge und damit unsere innere Uhr durcheinanderbringen.2 Leben und arbeiten wir gegen unseren natürlichen Rhythmus, macht uns das sogar krank, so sind bei Menschen, die regelmäßig nachts arbeiten, Risiken für Krebs-, Herzkreislauferkrankungen, Depressionen und weitere Erkrankungen erhöht.3

Unsere tagaktive Lebensweise beeinflusst jedoch nicht nur unseren Körper auf vielfältige Weise, sondern auch unsere Wahrnehmung der Welt. Zum Beispiel unser Wissen über die Natur, die uns umgibt. Machen wir ein kleines Experiment, um das zu verdeutlichen: Denken Sie an Schmetterlinge und erinnern Sie drei Namen für tagaktive Falter. Welche fallen Ihnen ein?

Vielleicht der Zitronenfalter, das Tagpfauenauge und der Admiral? Dann wären da beispielsweise noch Kohlweißling, Schwalbenschwanz, kleiner und großer Fuchs, Bläuling, Kaisermantel, Distelfalter, Trauermantel, Kleines Wiesenvögelchen, Aurorafalter oder Schachbrett. Welche sind Ihnen eingefallen? Auch wenn Ihnen diese Namen nicht durch den Kopf gegangen sein sollten, so kennen Sie doch vermutlich einige davon, oder? Nun wiederholen wir den Versuch, aber diesmal denken Sie an drei Nachtfalter …

Und? Sollte Ihnen keiner eingefallen sein, grämen Sie sich nicht, denn damit dürften Sie zur Mehrheit der Menschen gehören. Auch ich hätte vor nicht allzu langer Zeit vermutlich keine drei Namen zusammenbekommen. Dabei tragen die Falter der Nacht teils poetische Namen, wie Mondspinner oder Silbereule.

Mir persönlich war bis zu Beginn meiner Arbeit in einem Forschungsprojekt zur natürlichen Dunkelheit und ihren Bewohnern nicht einmal bewusst, wie wenig ich über das Thema wusste. Bei der Arbeit mit Füchsen im Rahmen meiner Doktorarbeit waren es vor allem Waschbär, Marder, Igel und Co., denen ich nachts begegnete. Viele weitere nächtliche Bewohner bemerkte ich nicht.

Von meiner Unwissenheit über Nachtfalter angestachelt, begann ich zu recherchieren und suchte unter anderem nach verschiedenen Faltern und ihren Namen, nur um festzustellen, dass manche Arten keinen eigenen, deutschen Namen tragen. Selbst in einem Kinderbuch entdeckte ich auf einer Seite mit Nachtfaltern neben den Namen von Mondspinner und Kaisermotte plötzlich gar nicht so kinderbuch-taugliche Namen wie Eumorpha labruscae oder Citheronia regalis. Das ist die für alle bekannten Lebewesen vorhandene, lateinische Artbezeichnung aus Gattung und Art (zum Beispiel Canis lupus für den Wolf oder Homo sapiens für den modernen Menschen). Niemand hat sich die Mühe gemacht, diese faszinierenden, teils wunderschönen Geschöpfe in unserer Alltagssprache zu benennen.

Nicht nur die Falter sind von unserem Tag-Filter getroffen. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse über die Tier- und Pflanzenwelt und darüber hinaus sind am Tag entstanden, denn Forschungen mit Nachtfokus sind in der Wissenschaft unterrepräsentiert.4 Aber was macht das aus? Betrachtet man beispielsweise den Anteil nachtaktiver Tiere unter den gesamten Tierarten, die auf der »Roten Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten« der internationalen Weltnaturschutzunion IUCN stehen, fällt etwas auf. Sie scheinen weniger vom Rückgang betroffen zu sein als andere Arten.

Zu glauben, dass nachtaktive Tiere weniger bedroht sind, wäre jedoch vermutlich ein Trugschluss. Neben diversen Gefährdungskategorien von »nicht gefährdet« bis »ausgestorben« findet man bei vielen Arten auf der Roten Liste den Vermerk »DD« (data deficient). Für die Einstufung dieser Arten liegt also keine ausreichende Datengrundlage vor, und wir wissen schlicht zu wenig über sie, um ihre Gefährdung überhaupt beurteilen zu können.

Von den 583 Säugetierarten mit diesem Unwissenheitsvermerk sind über achtzig Prozent nachtaktiv. Zum Vergleich, bei den tagaktiven sind es nur etwa elf Prozent.5 Meist tappen wir also im Dunkeln darüber, wie es um die nachtaktiven Arten steht. Wir unterschätzen so möglicherweise das Risiko, dem sie ausgesetzt sind, handeln unzureichend und zu spät.

Welche Bereiche unserer wissenschaftlichen Forschung noch von unserem Tag-Fokus betroffen sind, wissen wir zum Teil gar nicht. Denken Sie beispielsweise an die Erforschung von Medikamenten. Jahrzehntelang — und immer noch zu häufig — wurden und werden Medikamente überwiegend an männlichen, jungen Probanden getestet. Erst viel später wurde uns bewusst, was das bedeutet: Ob die getesteten Wirkstoffe auch Frauen, älteren Menschen oder Kindern helfen, ist völlig unklar. Studien, die das im Nachgang gezielt überprüften, kamen dabei oft zu erschreckenden Ergebnissen. Ähnlich wie sich so manche Krankheit bei Frauen und Männern ganz unterschiedlich äußern kann, wirken auch Medikamente nicht für alle Menschen gleich, ihre Wirkung ist für bestimmte Gruppen kaum nachweisbar. Das ist ein großes Problem, über dessen Existenz wir uns lange gar nicht bewusst waren. Wer weiß daher schon, was ein blinder Fleck beim Thema Dunkelheit so alles für Auswirkungen haben könnte?

Es gibt noch viel über die Nacht zu lernen, und wenn wir die Natur bewahren wollen, müssen wir neben räumlichen vielleicht auch in zeitlichen Dimensionen denken. Einige Wissenschaftlerinnen und Naturschützer schlagen beispielsweise vor, Schutzgebiete ...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Technik
Schlagworte Artenschutz • Artensterben • Charles Foster • Dave Goulson • Der Geschmack von Laub und Erde • Dinosaurier • Freie Universität Berlin • Füchse • Geheimnis • Helen Macdonald • klimakrise was tun • Klimaschutz • Leibniz Gesellschaft • Lichtverschmutzung • Nacht • Naturschutz • Säugetiere • Stadt • Tiere bei Nacht • Von Füchsen und Menschen • warum gibt es nachtaktive Tiere? • Waschbären • was passiert nachts? • Wildschwein
ISBN-10 3-446-27696-3 / 3446276963
ISBN-13 978-3-446-27696-3 / 9783446276963
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