Crashkurs Immobilienwirtschaft (eBook)
300 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-15249-2 (ISBN)
Prof. Dr. Helmut Geyer war Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Zudem war er viele Jahre Vorstand einer großen Wohnungsgenossenschaft mit Spareinrichtung und Dozent an der Frankfurt School.
Helmut Geyer Prof. Dr. Helmut Geyer war Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Zudem war er viele Jahre Vorstand einer großen Wohnungsgenossenschaft mit Spareinrichtung und Dozent an der Frankfurt School. Johannes F. Müller Johannes F. Müller ist Geschäftsführer einer Sachverständigengesellschaft für Immobilienbewertung.
2 Wertermittlung von Immobilien
2.1 Notwendigkeit der Wertermittlung
Eine Immobilie hat, wie jedes andere Wirtschaftsgut auch, einen Wert. Ohne diesen Wert zu kennen, ist es nicht möglich, wirtschaftliche Entscheidungen sinnvoll zu treffen. Die Besonderheit bei Gebäuden besteht einerseits darin, dass ihr Wert aufgrund des immobilen Charakters in hohem Maß von regionalen Faktoren (insbesondere der Lage des Objekts) abhängt.18 Andererseits weisen sie im Regelfall einen in Relation zu anderen Gütern nicht unerheblichen Wert auf, weswegen der Wertbemessung besondere Beachtung zu widmen ist.
Die Wertbemessung ist jedoch mit Kosten verbunden. Auf privater Ebene entstehen Gutachterkosten. Aus unternehmerischer Sicht ist entweder ein speziell geschulter Mitarbeiter nötig oder ein Gutachter zu beauftragen. Die Kosten für Wertgutachten liegen für gewöhnliche Ein- und Mehrfamilienhäuser in der Regel zwischen 1.000 und 2.000 EUR. Bei gewerblichen Objekten variieren die Kosten erheblich.
Grundsätzlich gilt, dass die Kosten, die für die Wertermittlung entstehen, im Verhältnis zum Immobilienwert eher geringfügig sind. Für diesen Aufwand erhält der Beauftragende eine nachvollziehbare und objektive Bestimmung der Wertverhältnisse, weswegen eine Begutachtung prinzipiell zu befürworten ist, da sie vor unnötigen Kosten schützen kann.
Beispiel: Wertermittlungskosten
Einer Zeitungsanzeige ist ein Immobilienangebot für ein Einfamilienhaus in ruhiger Lage und 150 m2Wohnfläche für 275.000 EUR zu entnehmen. Da der Käufer sich absichern will, beauftragt er einen Gutachter, der den Verkehrswert auf 250.000 EUR schätzt. Das Honorar hierfür beträgt 1.900 EUR. Die Kosten für das Gutachten entsprechen also lediglich 0,76 Prozent des ermittelten Werts.
Angenommen, beide Parteien einigen sich auf einen Kompromiss und als Kaufpreis wird der Mittelwert beider Beträge, also 262.500 EUR, vereinbart, hat der Käufer durch das Gutachten 10.600 EUR gespart.
Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen sind Wertgutachten regelmäßig unvermeidbar, wohingegen sie beim Kauf bzw. Verkauf oder beim Bau eines Gebäudes rein rechtlich nicht benötigt werden. Der Käufer will möglichst wenig bezahlen und der Verkäufer will den höchstmöglichen Erfolg erzielen. Eine professionelle Einschätzung hilft, überteuerte bzw. zu günstige Angebote zu erkennen. Zwar befürworten Käufer im Regelfall sehr günstige Preise, aber es ist darauf zu achten, dass das Haus hinsichtlich der Qualität nicht zu beanstanden ist, was wiederum nicht zu jedem Preis möglich ist.
Die professionelle Wertermittlung ist in einer Vielzahl von Fällen denkbar. Zu diesen Fällen zählen unter anderem die Berechnung des Zugewinnausgleichs im Falle einer Scheidung, die Bestimmung von Erbschaftspflichtteilen, Investitionsentscheidungen, Vermögensaufstellungen, Entschädigungen aufgrund von Enteignungen und der Kauf bzw. Verkauf oder Bau einer Immobilie.
Immobilien werden regelmäßig über Kreditinstitute finanziert. Für sie dient das Finanzierungsobjekt als Kreditsicherheit, sodass im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der Kredit dennoch bedient werden kann. Folglich muss der Bank bekannt sein, bis zu welchem Betrag eine Finanzierung langfristig möglich ist. Auch aus Kundensicht ist dieser Betrag relevant. Wenn die Zinsbindungsfrist19 ausläuft, ist eine Umschuldung notwendig. Fällt nun der Gebäudewert niedriger aus als der umzuschuldende Kreditbetrag, werden Banken nur eingeschränkt bereit sein, den Kredit zu übernehmen bzw. zu verlängern.
2.2 Flächenberechnung und Lagekriterien
2.2.1 Flächendefinitionen
2.2.1.1 Grundlegendes
Die Fläche einer Immobilie ist ein entscheidender Faktor. Sie ist in vielen Fällen maßgeblich – so z. B. bei der grundlegenden Entscheidung für bzw. gegen eine Liegenschaft, bei der Umlage der Bewirtschaftungskosten, bei Flächenangaben im Mietvertrag oder bei der Berechnung von Kennzahlen. Allerdings ist Fläche nicht gleich Fläche. Es gibt viele voneinander abweichende Definitionen, die bei der Berechnung zu signifikanten Differenzen führen können.
Typische Unterschiede beziehen sich z. B. auf die Anrechnung von Terrassen und Balkonen, innenliegenden Gängen wie einem Flur, Aufzügen und auch Treppen.
Die in Deutschland üblicherweise verwendeten Vorschriften sind:
- Wohnungswirtschaftlicher Bereich
- DIN 277 bzw. DIN 283
- Zweite Berechnungsverordnung (II. BV)
- Wohnflächenverordnung (WoFlV)
- Gewerblicher Bereich
- MFG und MF/V
Oftmals ist bei Höhenangaben der Begriff »lichte Höhe« zu finden. Als »lichte Höhe« wird die Entfernung von der Oberkante des Fußbodens (einschließlich des Fußbodenbelags) zur Unterkante der Decke bezeichnet.
Hinweis
Im Folgenden werden die Regelungen lediglich auszugsweise dargestellt. Für weitere Ausführungen siehe unter anderem das Buch »Wertermittlungsrichtlinien« aus dem Jahr 2016 von Wolfgang Kleiber.
2.2.1.2 DIN 277
In der DIN-Norm 277 werden Flächen- und Raummaße für den Hochbau geregelt. Das Gebäude ist nach der Fassung aus dem Jahr 2005 in drei Bereiche zu gliedern, die alle zur BGF zählen:
- überdeckt und allseitig in voller Höhe umschlossen (Bereich a)
- überdeckt, jedoch nicht allseitig in voller Höhe umschlossen (Bereich b)
- nicht überdeckt (Bereich c)
In der Fassung aus dem Jahr 2005, die seither überarbeitet wurde, sind die in der Abbildung »Flächenarten nach DIN 277« dargestellten Flächenarten zu unterscheiden.
Flächenarten nach DIN 277
Die Bruttogrundfläche (BGF) bezieht sich auf Außenmaße und ist die Summe der Grundflächen aller nutzbaren Grundrissebenen eines Bauwerks. So bilden unter anderem abgehängte Decken keine eigene Grundrissebene und sind folglich zu übermessen. Die Nettogrundfläche (NGF), unterteilt in Nutz-, Verkehrs- und technische Funktionsfläche (NF, VF und TF), gibt die korrespondierenden Innenflächen an. Die Differenz zwischen der Bruttogrundfläche und der Nettogrundfläche, die Konstruktionsgrundfläche (KGF), entspricht der Fläche der sogenannten aufgehenden Bauteile wie z. B. Wänden oder Grundflächen von Türöffnungen.
Die Nutzfläche – ehemals in Haupt- und Nebennutzfläche (HNF und NNF) gegliedert – ist der Teil der Nettogrundfläche, der der Gebäudebestimmung (Wohnen, Einzelhandel, Büro usw.) entsprechend genutzt wird. Als technische Funktionsfläche – ehemals Funktionsfläche (FF) – wird der Gebäudeteil bezeichnet, in dem die betriebstechnischen Anlagen wie Heiz- oder Lüftungsanlagen untergebracht sind. Die Verkehrsfläche dient dem Zugang zu Räumen und dem Verkehr innerhalb des Bauwerks.
Es gibt jedoch nicht nur die Bruttogrundfläche nach DIN 277. In der Sachwertrichtlinie ist die Bruttogrundfläche ebenfalls ausführlich geregelt.
Hinweis
Es ist wichtig, zwischen beiden Ermittlungsvarianten zu unterscheiden. Der wesentliche Unterschied zwischen der BGF nach Sachwertrichtlinie und der nach DIN 277 besteht (zumindest im Bereich des individuellen Wohnungsbaus) in der Behandlung von Dachgeschossen. Die Sachwertrichtlinie macht die Berücksichtigung in der BGF insbesondere von der Deckenhöhe abhängig. Dies kann dazu führen, dass die BGF nach SW-RL signifikant geringer ist als die BGF, die sich auf Basis der Vorschriften der DIN 277 ermitteln lässt.
In der Praxis ist oftmals auch der Begriff der Bruttogeschossfläche zu finden. In Deutschland handelt es sich hierbei um eine fälschliche Vermischung der Bruttogrundfläche mit der baurechtlich relevanten Geschossfläche. Zur Geschossfläche darf nur die Fläche von Vollgeschossen gezählt werden, deren Definition sich aus den jeweiligen Landesbauordnungen ergibt. Keller- und Dachgeschosse erfüllen oftmals die Voraussetzungen nicht (siehe hierfür Kapitel 2.4.3). In Österreich hingegen ist die Bruttogeschossfläche ein Synonym für die Bruttogrundfläche.
Neben den dargestellten Flächenmaßen sind in der DIN 277 auch Raummaße – namentlich der...
Erscheint lt. Verlag | 25.8.2021 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Technik |
Technik | |
Schlagworte | angelsächsisches Verfahren • Baufinanzierung • Bauplanungsrecht • Bauvertragsrecht • Flächenberechnung • Flächendefinition • Grundbuch • Grundsteuer • Grundstücksbewertung • Grundstücksrecht • Immobilienbewertung • Immobilieninvestitionen • Immobilienmanagement • Immobilienpolitik • marktbeurteilung • Mietendeckel • Mietkennzahl • Mietvertrag • Nießbrauch • Tilgungsvereinbarung • Vergleichswertverfahren • Vermögensaufbau • WEG-Reform • Wohnungsmiete • Zins |
ISBN-10 | 3-648-15249-1 / 3648152491 |
ISBN-13 | 978-3-648-15249-2 / 9783648152492 |
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