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Schule neu denken und organisieren -  Florian Rockel

Schule neu denken und organisieren (eBook)

Organisation evolutionärer Haltung und Lernprozesse
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
122 Seiten
Carl-Auer Verlag
978-3-8497-9073-8 (ISBN)
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Dieses Buch bietet eine tiefgehende Analyse der Herausforderungen im Bildungssystem des 21. Jahrhunderts und stellt das innovative Konzept einer 'Evolutionären Schule' vor. Der Autor zeigt auf, wie eine 'evolutionäre Haltung' als Leitprinzip für die Neugestaltung von Bildungseinrichtungen fungieren kann, inspiriert von modernen - agilen - Unternehmensformen. Er schlägt eine verzahnte Organisationsstruktur vor, die verschiedene Rollen und Aufgabenbereiche geschickt miteinander verknüpft. Das Buch beinhaltet neben den theoretischen Grundlagen auch konkrete Handlungsanweisungen für die Umsetzung: von Qualitätsmanagement über Abläufe und Strukturen bis hin zu einem Dokumentationssystem und Online-Tools. Darüber hinaus diskutiert der Autor die Herausforderungen bei der Umsetzung seines Schulkonzepts und beschreibt, welche Schritte erforderlich sind, um regulatorische und psychologische Hindernisse zu überwinden. Er liefert mit diesem Werk eine fundierte Auseinandersetzung mit der Zukunft der Bildung.

Florian Rockel ist Konstruktivist mit einem nicht unbedingt linearen beruflichen Werdegang. Nach Gründung des Tonstudios Impuls Studio in Berlin, Tätigkeit u. a. im Projekt- und Eventmanagement im Kulturbereich sowie Leitung und Entwicklung der alternativen Bildungsplattform Street College, arbeitet er heute als Senior Agile Coach und Transformation Manager im Bereich der Agilen Organisationsentwicklung bei MOIA (Volkswagen Group). Parallel ist er freiberuflich als Coach tätig mit Schwerpunkten: systemisches Coaching, Flow Coaching, Business Coaching, Transformation Management sowie Strategy & Leadership Consulting.

6 Ergebnis


Im Folgenden wird ein radikal evolutionärer Lernansatz und die dafür notwendigen Grundvoraussetzungen basierend auf dem Stand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse (vgl. Kapitel 3) erarbeitet. Durch den Begriff radikal, entsteht ein deutlicher Hinweis darauf, mit welcher Konsequenz die Begriffe und der Vorschlag in eine Handlungspraxis überführt werden sollen. Die mit dem Begriff radikal einhergehende mögliche polarisierende Wirkung ist als Pertubation im sozialen System Gesellschaft nicht nur willkommen, sondern ausdrücklich erwünscht. Es soll als deutlicher Hinweis dafür dienen, dass sich dieses Lernkonzept mit der ihm zugrunde liegenden Haltung deutlich vom Habitus der organisierten, defizitorientierten Fremdbestimmung (vgl. Hinte, 1980, S. 94) öffentlicher Schulen und deren veränderungsresistenten Handlungsprogrammen (vgl. Christina Schwer, 2014, S. 50) abgrenzt. Radikal11 bedeutet an die Wurzel gehend (lat. Radix=Wurzel) und meint im Kontext dieser Arbeit sich radikal auf sein Gegenüber einzulassen. Es steht für eine bedingungslosen Akzeptanz der möglichen Existenz anderer Wahrheiten (Realitäten) und dass diese für ihre Konstrukteure genauso real und wahrhaftig sind wie die eigene (vgl. Renner, 2019, S. 80). Nach dieser Erkenntnis kann die eigene Wahrheit nicht über die der anderen gestellt werden und es besser zu wissen hat nur aus Perspektive der eigenen Realität bestand. Auch wenn Teile der hier zugrunde liegenden Erkenntnisse bereits vor Jahrzehnten veröffentlicht wurden, gilt doch:

6.1 GRUNDVORAUSSETZUNG


Um den Aufbau einer Schule so zu gestalten, dass sie den Erkenntnissen und dem aktuellen Stand der Wissenschaft gerecht wird, müssen diese Erkenntnisse als Grundlage zur Orientierung für die Neukonstruktion dienen. Dazu zählt unter anderem auch die Betrachtung des Menschen im Sinne der humanistischen Psychologie, d. h. dem Menschen wird (sofern seine Grundbedürfnisse gestillt sind) ein positives und soziales Wesen unterstellt. Aufgrund der Strukturdeterminiertheit und Anerkennung der individuellen Wirklichkeitskonstruktion wird außerdem grundsätzlich unterstellt, dass Studierende aus ihrer Perspektive heraus immer das für sie Richtige tun und nicht böswillig destruktiv mit ihrer Umwelt umgehen. Der Eindruck der Böswilligkeit entsteht nur von außen als Interpretation aufgrund der Strukturdeterminiertheit und aus der individuellen Wirklichkeitskonstruktion der interpretierenden Menschen heraus (vgl. Simon, 2006, S. 53). Ob Studierende Opfer oder Täter sind und ihr als negativ empfundenes Verhalten daraus resultiert, unterliegt der Beschreibung, Erklärung und Bewertung, die dem Erlebnis zugeschrieben wird, also der individuellen Interpretation des Beobachters (vgl. Simon, 2006, S. 72–73).

Ein weiterer Punkt, der in der Handlungspraxis Berücksichtigung finden muss, sind die radikal konstruktivistischen und systemischen Annahmen in Bezug auf die menschliche Entwicklung und Kommunikation. Damit ist gemeint, dass das Bewusstsein lebendig gehalten wird, das kontinuierlich daran erinnert, dass Kommunikation aufgrund der Strukturdeterminiertheit immer ein Akt der Interpretation ist. Das Übertragen einer Information verläuft wie bereits beschrieben eben nicht einer linearen Kausalität im Sinne des Sender-Empfängerprinzips, sondern zirkulär und alle an der Kommunikation Beteiligten sind auch an der Konstruktion der Information beteiligt.

Über diese Elemente hinaus sind weitere Punkte als Grundvoraussetzung in der Errichtung einer evolutionären Schule und Lernansatzes notwendig:

Radikale Bedarfsorientierung

An die Stelle von vorgegebenen Lehrplänen, Rahmenbedingungen und starren Strukturen tritt die radikale Bedarfsorientierung. Die radikale Orientierung an den individuellen Bedarfen wird zum einen durch die Strukturdeterminiertheit der Studierenden und zum anderen mit ihrer Betrachtung als nichttriviale (psychische) Systeme (vgl. Kapitel 3.53.7) begründet. So lässt sich von außen nichts über die Beschaffenheit der kognitiven Strukturen sagen, noch darüber wie auf einen bestimmten Input reagiert wird (vgl. Simon, 2006, S. 53). Aus diesem Grund wird keine pädagogische Methode als überlegen oder privilegiert betrachtet und bevorzugt praktiziert. Ob nun non-direktiv oder direktiv, Hausaufgaben und feste Lehrpläne oder freie Themenwahl, entscheidend ist die Bedarfsäußerung der Studierenden. Radikale Bedarfsorientierung betrachtet die Suche nach Lernzielen und Rahmenbedingungen, also auch nach passenden Lernmethoden, nicht als Einmal-Handlung, sondern als einen fortlaufenden Prozess. Hierfür ist eine Atmosphäre notwendig, in der ein vermeintliches Scheitern einer gewählten Lernmethode im Erreichen eines Ziels oder der gewählten Rahmenbedingungen als Chance interpretiert wird, aus dieser Erkenntnis passendere Lösungen zu entdecken. Die Befriedigung der physiologischen Bedürfnisse (vgl. Maslow, 1981, S. 62–65) und der psychologischen Bedürfnisse (vgl. Maslow, 1981, S. 66–73) sind Grundvoraussetzung dafür die Ebene der Selbstverwirklichung zu erreichen (vgl. Maslow, 1981, S. 73–74). Auf dieser Ebene der Selbstverwirklichung wirken Werte und Emotionen als Attraktoren, um bestimmte Lernziele verwirklichen zu wollen (vgl. Hüther, 2016, S. 62). Die Annahmen des radikalen Konstruktivismus, dass nicht die eine Realität gefunden werden kann, sondern Realität individuell konstruiert wird und Objektivität lediglich Einigung über viabel erscheinende Wirklichkeiten darstellt (vgl. Glasersfeld, 1992, S. 29–30), tragen zur Sinnhaftigkeit einer radikalen Bedarfsorientierung bei. Wie schon oben erwähnt wird mit dem Begriff radikal die bedingungslose Akzeptanz der möglichen Existenz anderer Wahrheiten (Realitäten) unterstrichen und dass diese für ihre Konstrukteure genauso real und wahrhaftig sind wie die eigene für einen selbst (vgl. Renner, 2019, S. 80). Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass eine radikale Bedarfsorientierung nicht meint, dass die Studierenden machen können, was sie wollen. Wenn ein*e Schüler*in lernt, indem sie Texte laut vorliest, wovon andere sich gestört fühlen, dann heißt Bedarfsorientierung hier eine Lösung zu finden, die für alle passend ist. Daher ist die Raumgestaltung auch Teil der Bedarfsorientierung, damit in Ruhe oder in Gruppen, parallel gelernt werden kann. Wenn Studierende den Wunsch haben mit 3D Brillen im Kontext virtueller Umgebungen zu lernen, ist es wichtig das die Atmosphäre ihnen die Sicherheit gibt diesen Bedarf ganz selbstverständlich zu äußern. Es ist aber genauso wichtig, wenn die Schule nicht die nötigen Geldmittel zur Verfügung hat, dies auch so zu kommunizieren, ohne dass bei den Studierenden der Eindruck entsteht etwas Unangemessenes geäußert zu haben. Diese Situation sollte vielmehr als Ausgangspunkt für einen kollaborativen Erfüllungsprozess verstanden werden, indem die Organisation mit den Studierenden gemeinsam überlegt, wie dieser Bedarf erfüllbar wird (Spendenaktion, Förderanträge stellen, entsprechende Technik leihen, etc.).

Radikale Bedarfsorientierung bedeutet: Studierende können das machen, was sie wollen und was im Zusammenhang mit der Organisation als Schule (Präsenzpflicht, Fürsorgepflicht, Räumlichkeiten, Geldmittel, etc.) und den anderen Beteiligten (Begleiter*innen, Kommilitonen, etc.) möglich ist. Es bedeutet auch, dass die Studierenden lernen müssen, für sich einzustehen, die Verantwortung für ihre Bedarfe und deren Umsetzung zu übernehmen, indem sie lernen, das Bestmögliche zusammen mit anderen auszuhandeln. Diese Prozesse des Aushandelns sind von hoher Bedeutsamkeit, insbesondere wenn es darum geht, die Grundsätze demokratischen Zusammenlebens zu verstehen.

Individuelle Lernziele

Jedes geäußerte Lernziel wird ernst genommen und die daraus resultierenden Lernprozesse individuell nach Möglichkeit angepasst bzw. gestaltet. Intrinsische Motivation wird als Grundvoraussetzung für nachhaltige Lernprozesse angesehen und das Erreichen solcher Ziele als Katalysator für weiteres inneres Wachstum. Der Prozess der Selbstverwirklichung wird somit stabilisiert, macht Studierende bei ihrer Bedürfnisbefriedigung (also auch Selbstverwirklichung) unabhängiger von ihren Umwelten und stärkt ihre Resilienz (vgl. Maslow, 1981, S. 193).

Eigenverantwortung und Autonomie (Kreativität)

Es wird keine pädagogische (Lern-)Methode als überlegen oder privilegiert betrachtet. Ob vermittelnder Frontalunterricht, Gruppen- und Projektarbeit, oder selbstgesteuertes Lernen, die Gestaltung der Lernprozesse wird nicht vorweggenommen noch gewertet. Studierende entscheiden selbst, was sie wann, mit wem, wie lernen möchten. Solange sie dabei andere im Lernen und in deren Freiheit nicht einschränken. Somit sind sie für das, was sie als Scheitern oder Erfolg empfinden, immer selbst verantwortlich und können weder ihren...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-8497-9073-8 / 3849790738
ISBN-13 978-3-8497-9073-8 / 9783849790738
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