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Der Mensch ist mehr als seine Krankheit -  Ursula H. Pabsch

Der Mensch ist mehr als seine Krankheit (eBook)

Systemische Soziale Arbeit im Krankenhaus
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
203 Seiten
Carl-Auer Verlag
978-3-8497-8473-7 (ISBN)
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'Kleine Fallvignetten, Fragen zur Reflexion von Problemstellungen sowie konkrete Anregungen zum Vorgehen in der Arbeit mit Patienten machen dieses Buch zu einem geeigneten Lehr-/Lernexemplar.' Helmut Pauls Niemand ist alleine krank Schwere Erkrankungen sind für die Betroffenen wie für ihre Angehörigen emotional belastend. Soziale Fachkräfte müssen in der Lage sein, mit solchen Belastungen professionell umzugehen. Die Voraussetzung dafür ist - neben Empathie und Selbstfürsorge - eine kompetente Kommunikation sowohl mit Patient:innen und Angehörigen als auch dem medizinischen Personal. Ein ressourcen- und lösungsorientierter Dialog, wie er in der systemischen Familientherapie praktiziert wird, bietet für die soziale Beratung im Kurzzeitsetting 'Klinik' entscheidende Vorteile. Ursula Pabsch bereitet zentrale systemische Konzepte, Techniken und Interventionen für die Soziale Arbeit im Krankenhaus auf und lädt Sozialarbeiter:innen ein, diese in ihre tägliche Praxis aufzunehmen. Die Anwendungs- und Fallbeispiele gehen auf die vielfältigen Auswirkungen von Erkrankungen in dem jeweiligen familiären Kontext ein, was den Transfer in den eigenen klinischen Alltag erleichtert. Eine Besonderheit sind die regelmäßigen Fragen zur Reflexion des eigenen Handelns. Sie tragen dazu bei, die eigene Kompetenz zu erweitern und das professionelle Standing zu festigen - sei es im Akutkrankenhaus, in der Rehabilitationsklinik oder in einer ambulanten Beratungsstelle. Die Autorin: Ursula H. Pabsch, Dipl.-Päd.; Systemische Therapeutin, Beraterin, Supervisorin und Organisationsentwicklerin; langjährige Tätigkeit in der klinischen Sozialarbeit; selbstständig in außerklinischem Case Management und Supervision; Inhaberin des Intensivpflegeportals www.leben-mit-intensivpflege.de; Beraterin von Intensivpflegediensten.

Ursula H. Pabsch, Dipl.-Päd.; Systemische Therapeutin, Beraterin, Supervisorin und Organisationsentwicklerin; langjährige Tätigkeit in der klinischen Sozialarbeit; selbstständig in außerklinischem Case Management und Supervision; Inhaberin des Intensivpflegeportals www.leben-mit-intensivpflege.de; Beraterin von Intensivpflegediensten.

2 Im System steckt mehr, als wir sehen


Der Versuch, das menschliche Leben auf einen Aspekt zu reduzieren, um als Sozialarbeiterin ihn – den Menschen und seinen Hilfebedarf – besser zu verstehen, scheitert sehr schnell an der Komplexität seiner Lebenswirklichkeit. Genauso schnell scheitert der Versuch, Klinische Sozialarbeit unter systemischen Gesichtspunkten zu reduzieren und dabei alle anderen Teilaspekte zu ignorieren, die Systemische Therapie zu erklären oder das Funktionieren einer Klinik im Gesundheitswesen transparent zu machen.

Mit diesem Buch betrete ich ein breites Feld mit vielen Spannungsmomenten von scheinbar gegensätzlichen Positionen, was mir aber erst in der Schlussphase bei der Arbeit am Manuskript bewusst geworden ist. Mit der Idee zu diesem Buch bin ich seit 2006 schwanger gegangen. Eigentlich wollte ich nur ein kleines systemisches Methodenhandbuch verfassen, um den Alltag in Kliniken für Sozialarbeiterinnen leichter und lustvoller zu machen. Schon das Wort »lustvoll« erscheint im Kontext »Klinik« geradezu anmaßend, doch meiner Erfahrung nach ist der Begriff durchaus sinnstiftend und erlebbar.

Beim Versuch der theoretischen Rahmung mit unzähligen Büchern und Zeitschriften um mich herum bin ich immer tiefer in Spannungsfeldern versunken, die sich auf vielen wissenschaftlichen, politischen und individuellen Metaebenen offenbarten.

Gesundheit ∞ Krankheit

politischer Zeitgeist ∞ Sozialgesetzgebung

Gesundheitswesen ∞ Heilungsauftrag

Mensch ∞ Patient

Diagnose ∞ persönliches Empfinden

Heilung ∞ Misserfolg

Patient ∞ Klient

ambulant ∞ stationär

Gesellschaft ∞ Individuum

soziales Umfeld ∞ Persönlichkeit

Soziale Arbeit ∞ Klinische Sozialarbeit

Soziale Arbeit ∞ systemische Beratung

Systemische Therapie ∞ Systemische Sozialarbeit

Systemische Therapie ∞ systemische Psychotherapie

Alle diese Spannungsfelder beeinflussen rekursiv die Begegnung zwischen Sozialarbeiterin und Klient im Arbeitsfeld »Klinik« und auch die Qualität des Beratungsprozesses im jeweils aktuellen Fall. Was vor ein paar Jahren Standard war, kann inzwischen vielleicht nicht mehr möglich sein oder auch erst jetzt umgesetzt werden. Das aktuelle Zeitgeschehen beeinflusst alle privaten und beruflichen Felder und auch die Forschung. Themen, die gerade brisant sind, bekommen Forschungs- und Fördergelder.

Bei der Auseinandersetzung mit der Fachliteratur zur Sozialen Arbeit ist mir eine sehr große Zurückhaltung dabei aufgefallen, eine Methode als »systemisch« zu benennen. Es las sich so, als läge ein Fluch im Flur der ehrwürdigen Sozialen Arbeit, die bisherige Terminologie und Theorien zu bewahren und zu ehren. Sehr erfrischend dazu ist der Aufsatz von Wolf Ritscher (2022, S. 3–33), der über doch sehr viele Gemeinsamkeiten und wenige Unterschiede schreibt.

Im systemischen Kosmos taucht die Sozialarbeit dagegen fast nur im Bereich der Jugendhilfe auf. Im klinischen Zusammenhang gibt es die systemische Familienmedizin, wo die Sozialarbeiterinnen nur kurz als Teil des medizinischen Behandlungsteams erwähnt werden (vgl. Altmeyer u. Kröger 2003). Wenn die Medizinerinnen mit ihrem Latein am Ende sind, die Heilung nicht erfolgt oder zusätzlich komplexe soziale Dynamiken mitschwingen, dann ist die sozialarbeiterische Expertise gefragt. Ein Thema dabei ist die Compliance der Patienten. Was kann man tun, wenn der Patient nicht so will, wie die Ärztin es gut mit ihm meint? Oder es folgt der Auftrag, möglichst schnell ein Pflegeheim zu finden. Haun verweist im Kontext der Systemischen Familienmedizin auf die psychosozialen Anforderungen von Krankheit und die Anpassungsfähigkeit der Familien als entscheidenden Bewältigungsfaktor. Er spricht von der Möglichkeit, den Familien »regelmäßige psychosoziale Check-up-Termine in größeren Abständen« anzubieten (vgl. Haun 2023, S. 223). Leider gibt es weder einen Hinweis darauf, wer den psychosozialen Check-up macht und wer sich um die Behandlung der psychosozialen Belastungen kümmert, noch einen Hinweis auf die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit mit den Klinischen Sozialarbeiterinnen.

Ein weiteres neues systemisches Feld im klinischen Bereich ist die Pflege und die Überschneidung mit dem Schwerpunkt »Arbeit mit älteren Menschen«.

Ein Blick auf die Fachgruppen der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V. (DGSF e. V.) zeigt den aktuellen Zeitgeist in der systemischen Welt. Der Wunsch, sich unter der DGSF-Fahne auch politisch zu engagieren, verstärkte sich umso mehr, als sich die einst vermutete stabile sicherheitspolitische Lage in Europa mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine als Trugschluss erwies. Die große Frage im Gesundheitswesen, die die Wissenschaft und vor allem die Praktiker bewegt, scheint die Suche nach dem wahren Heiler zu sein. Wer hat die politische und ideelle Lizenz, wer ist der bessere oder auch billigere Wegbegleiter auf dem Weg zur Gesundheit? Und wer darf sich die Leistung auch vom Staat bezahlen lassen?

Die Systemische Therapie hat einen langen Instanzenweg hinter sich, um als Heilverfahren in der Psychotherapie nun anerkannt zu sein. Doch glücklich sind damit auch nicht alle Systemiker. Wollte man nicht »Krankheit« nur als Konstrukt betrachten? Sehr lesenswert sind die Diskussionsbeiträge von Reinert Hanswille und Tom Levold zur Zukunft der Systemischen Therapie mit und ohne Heilauftrag (vgl. Kuhnert u. Berg 2020, S. 311–380).

Davon abgesehen wird im systemischen klinischen Kontext fast nur über das psychiatrische Behandlungsspektrum geschrieben. Die Fachliteratur hat sich bisher in dieses Feld der Diagnosen vertieft, meist aus ärztlicher oder psychologischer Sicht (vgl. von Schlippe u. Schweitzer 2016, S. 335–414). Auch die Literatur zur Systemischen Organisationsberatung hat bisher nur die Psychiatrie im Blick. Meines Wissens gibt es aber mehr Disziplinen in einer Klinik, bei denen die Patienten von einer systemischen Betrachtungsweise profitieren könnten. Die Erweiterung des systemischen Blickwinkels auf andere Diagnosen findet erst langsam statt. In einem Akuthaus mit Vollversorgung sind es eher Kurzzeitsettings, in Rehakliniken gibt es etwas größere zeitliche Rahmen. Darauf gehe ich im Kapitel »Praxisfelder« näher ein.

Auf meine große Frage, warum bisher niemand über Systemische Sozialarbeit in Kliniken geschrieben hat, habe ich trotz intensiver Recherche keine Antwort gefunden. Auch nach meiner langjährigen publizistischen Abstinenz, in der ich die aktuelle Literatur nicht verfolgte, fand ich kein lesbares Ergebnis. Immerhin mehren sich nun allmählich doch die Publikationen zur Systemischen Sozialarbeit. Es mag an der Seele der Sozialarbeiterinnen liegen, Gutes zu tun, sich weiterzubilden und dann einfach weiterzuarbeiten. Muss ja keiner merken, wie kompetent wir sind. Nebenbei bemerkt sind fast ¾ aller Teilnehmer von systemischen Weiterbildungen Sozialarbeiterinnen.

Mein dezenter kritischer Humor ist das Ergebnis von 30-jähriger Berufserfahrung in Kliniken und als Referentin/Supervisorin für systemisches Arbeiten im Gesundheitswesen. Manchen definitorischen Diskussionen, z. B. in den Verbänden – egal, ob im systemischen Feld oder bei den Sozialarbeiterinnen – kann ich nur mit Humor und einem tiefen Seufzer folgen. Ein weiterer Seufzer gilt dem niedrigen beruflichen Selbstwertgefühl und der Resignation von Sozialarbeiterinnen angesichts der Strukturen insbesondere in Kliniken. Immerhin gibt es dank Helmut Pauls aus Coburg Masterstudiengänge für Klinische Sozialarbeit (Pauls 2013). In Merseburg gab es unter der Leitung von Johannes Herwig-Lempp von 2009–2018 einen Masterstudiengang Systemische Sozialarbeit.

Mein Herz schlägt für mindestens zwei Professionen, für die pragmatische Sozialarbeit und für die bisher in der Krankenhaus-Sozialarbeit nicht aufgegriffene Systemtheorie. Ganz besonders aber schlägt es für die Familien in ihrer Sorge um ein krankes Familienmitglied.

Das Buch ist für Sozialarbeiterinnen geschrieben, verbunden mit der Hoffnung, damit Lust auf systemisches Arbeiten im klinischen Kontext zu erwecken.

Ich erläutere verschiedene Methoden und Interventionen (s. Kap. 6) der systemischen Familientherapie und die zugrunde liegende Haltung im Kontext der Klinischen Sozialarbeit. Der ressourcen- und lösungsorientierte Dialog mit Patienten und Angehörigen auf der Basis der systemischen Familientherapie ist für mich die Grundlage hilfreichen Handelns in den Kliniken und in anderen Arbeitsfeldern im Gesundheitswesen.

Für die Berufsgruppe der Sozialarbeiterinnen in Kliniken sind die Methoden, ihre Wirkung sowie der Nutzen der systemischen Haltung noch weitgehend unbekannt. Meiner Meinung nach ist die Lösungsorientierte Kurzzeitberatung jedoch sehr passend für den Beratungskontext im Krankenhaus, wo anscheinend nur wenig Zeit für einen vertrauensvollen Dialog zur Verfügung steht. Der vertrauensvolle Dialog ist für mich der nachhaltig wirksame Kern im klinischen...

Erscheint lt. Verlag 26.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-8497-8473-8 / 3849784738
ISBN-13 978-3-8497-8473-7 / 9783849784737
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