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Alltagsrassismus -

Alltagsrassismus (eBook)

Einführung für die pädagogische Praxis und Soziale Arbeit
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
210 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-043038-9 (ISBN)
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Alltagsrassismus ist häufig subtiler Bestandteil von Handlungsroutinen und meist nicht sofort erkennbar; auch werden die Erfahrungen der Betroffenen oft verharmlost. Gerade dadurch schränkt Alltagsrassismus Teilhabechancen ein. Das Buch gibt einen Überblick über die verschiedenen Formen und die wichtigsten Erklärungsansätze. Die Problemanalysen erfolgen aus intersektionaler Perspektive und berücksichtigen die Verflechtung von Alltagsrassismus mit anderen Diskriminierungslinien. Dabei werden spezifische Formen von Alltagsrassismus in unterschiedlichen Institutionen und Bereichen betrachtet, z.B. in Schule und Hochschule, in der Gesundheitsversorgung, am Arbeitsmarkt und in der Polizeiarbeit. Zudem setzt sich das Buch mit Konzepten auseinander, die für Alltagsrassismus sensibilisieren und Fachkräften der sozialen und pädagogischen Arbeit eine Reflexionsgrundlage bieten.

Dr. Ayça Polat ist Professorin für Sozialpädagogik in der Migrationsgesellschaft an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Abigail M. Joseph-Magwood ist Lehrende für Kommunikationspsychologie und Transferable Skills an der Hochschule Osnabrück.

Über dieses Buch


Die Debatte um Rassismus und rassistische Einstellungen ist in Deutschland im Vergleich mit den Debatten in Ländern wie den USA, Großbritannien, Kanada oder Südafrika noch jung. Die aktuellen Ergebnisse der Studie »Rassistische Realitäten« des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) zeigen aber, dass das Thema präsenter geworden ist als noch vor ein paar Jahren. 90 % der Bevölkerung geben in dieser Studie an, dass es Rassismus in Deutschland gibt, 61 % sind davon überzeugt, dass Rassismus den Alltag von Menschen prägt und etwa zwei Drittel der Gesamtbevölkerung gibt an, einmal direkt oder indirekt (durch Beobachtungen eines rassistischen Vorfalls) mit Rassismus in Berührung gekommen zu sein (DeZIM 2022: 101). Ereignisse wie die rassistischen Morde an zehn Menschen durch den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in den 2000er Jahren, der rassistische Anschlag vor einer Synagoge und in einem Imbiss in Halle 2019, dem zwei Menschen zum Opfer fielen, und der Anschlag in Hanau 2020, bei dem ebenfalls Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu Tode kamen, haben der Öffentlichkeit einmal mehr die Ausmaße, die Rassismus haben kann, vor Augen geführt. In diesem Zusammenhang hat sich auch gezeigt, dass staatliche Instanzen wie Polizei und Justiz in der Aufklärung und Vermeidung dieser Anschläge zum Teil kläglich versagt haben bzw. ihren Pflichten nicht nachgekommen sind (vgl. Schulz 2018). Das Handeln einzelner Akteur*innen in der Polizei und der Justiz gibt zumindest deutliche Hinweise darauf, dass es institutionelle Formen von Rassismus gibt (▸ Kap. 12). Rassismus war aber auch schon vorher nicht nur ein Thema in rechtsextremistischen Milieus bzw. Gruppierungen. Er zeigt sich auch in Fällen, in denen er nicht explizit als Herabwürdigung und Diskreditierung intendiert ist und entwickelt als Ordnungsprinzip eine Wirkungsmacht, die Menschen verallgemeinernd und essentialisierend andere bzw. negative Eigenschaften zuschreibt, sie in Großgruppen einteilt und diese hierarchisiert (Rommelspacher 2011). Mit diesen Ordnungsmechanismen sind nicht nur Teilhabechancen an gesellschaftlich relevanten Ressourcen verbunden, mit ihnen geht auch die Etablierung von Zugehörigkeitsverhältnissen, subjektives Wohlbefinden und soziale Anerkennung einher.

Unsere Recherchen zu vorliegender deutschsprachiger Literatur verdeutlichen, dass es nach wie vor einen großen Bedarf an wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit rassistischen Diskursen, Handlungsroutinen, Überzeugungen und institutionellen Praktiken im Alltag gibt und die Forschung dazu auch weiterverfolgt bzw. erweitert werden muss (vgl. Schramkowski/Ihring 2018).

Mit diesem Band möchten wir einen Beitrag dazu leisten, einen Überblick über relevante theoretische und empirische Zugänge, Erklärungsansätze und Forschungsergebnisse zum Phänomen Alltagsrassismus und seinen vielschichtigen Ausdrucksformen zu geben. Die Beiträge des ersten Abschnitts »Theoretische Ausführungen und Erklärungszusammenhänge zu Alltagsrassismus« führen in den wissenschaftlichen Diskurs zu Alltagsrassismus ein und thematisieren die Verantwortung von Wissenschaft in diesem Kontext. Nach dem einführenden Beitrag der Herausgeberinnen (▸ Kap. 1), skizziert Rudolf Leiprecht in seinem Beitrag (»Alltagsrassismus verstehen«; ▸ Kap. 2) die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu Alltagsrassismus unter Bezugnahmen auf historische und internationale Fachdebatten, die in den letzten Jahrzehnten geführt wurden, um dann den aktuellen Stand herauszuarbeiten. Der Beitrag von Astride Velho (»Angesichts von Alltagsrassismus«; ▸ Kap. 3) thematisiert u. a. die Notwendigkeit von klaren Begrifflichkeiten und kritischen Wissensbeständen im Umgang mit intersektionale Rassismusformen und -praxen und die subjektbildenden und psychische Effekte von Rassismuserfahrungen. Der Beitrag von Florian Ohnmacht, Anita Rotter und Erol Yıldız (»Alltagsrassismus im akademischen Diskurs«; ▸ Kap. 4) geht am Beispiel des »Netzwerk Wissenschaftsfreiheit« der Frage nach, welche Verantwortung der akademische Diskurs für Alltagsrassismus trägt und wie implizites, aber auch explizites rassistisches Wissen die alltägliche wissenschaftliche Praxis anleitet und durchzieht.

Die Beiträge des zweiten Abschnitts widmen sich den Ausprägungs- und Erscheinungsformen von Alltagsrassismus in ausgewählten Bereichen. Die eigenen Studien der Co-Autor*innen stehen im Zentrum dieser Beiträge. Die Problemanalysen erfolgen, nach Möglichkeit, aus intersektionaler Perspektive und berücksichtigen die mehrdimensionale Verflechtung von rassialiserenden Unterscheidungspraktiken mit anderen Differenzkategorien wie z. B. Gender und Alter. In den acht Beiträgen des Abschnitts geht es um Ausschlussprozesse und Diskriminierung in den Bereichen Schule/Bildung (Aysun Doğmuş, ▸ Kap. 5), Einrichtungen der Elementarpädagogik (Bedia Akbaş/Soniya Alkis; ▸ Kap. 6), Hochschulische Bildung (Yvonne Garbers/Abigail M. Joseph-Magwood/Ayça Polat; ▸ Kap. 7), Arbeitsmarkt (Katrin Menke/Cora Wernerus; ▸ Kap. 8), Gesundheitsversorgung (Merle Heyrock/Henrike Knudsen/Ayça Polat/Britta Thege; ▸ Kap. 9), soziale Altenarbeit (Monique Ritter/Marlene Jänsch; ▸ Kap. 10), Soziale Medien (Stefan Knauff/Simon Kühne/Dorian Tsolak; ▸ Kap. 11) und Polizei (Fatoş Atali-Timmer/Ikram Errahmouni-Rimi; ▸ Kap. 12).

Kritische Rassismusforschung und rassismuskritische Bildungsarbeit gehen nicht davon aus, dass Rassismus einfach überwunden oder abgeschafft werden kann. Vielmehr geht es um einen fortlaufend kritisch hinter- und befragenden Prozess und »die Fähigkeit, sich von eigenen und gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten irritieren zu lassen und diese Irritationen zuzulassen« (Kourabas 2019: 13). Diese Prozesse der Irritation, Verunsicherung und des Verlernens stehen im Zusammenhang mit einem Machtverständnis, das davon ausgeht, dass wir uns nicht vollständig von den bestehenden Verhältnissen lösen, sondern nur innerhalb dieser Verhältnisse operieren und verändern können (ebd.: 11). Die Beiträge des dritten Abschnitts »Interventionsmöglichkeiten und Handlungsansätze von sozialer und pädagogischer Arbeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus« greifen diese Überlegungen auf und möchten Anregungen zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Rassismus in der sozialen und pädagogischen (Bildungs-)‌Arbeit formulieren. Hierbei gehen die Beiträge von Esther van Lück (»Kritisches Weißsein als Ansatz rassismuskritischer sozialer und pädagogischer Arbeit«; ▸ Kap. 13), Lara-Lee Terkowski (»Soziale Arbeit – (K)‌ein rassismusfreier Raum?«; ▸ Kap. 14), Abigail M. Joseph-Magwood (»Macht- und rassismusrelevante Transformationsprozesse moderieren«; ▸ Kap. 15) und Aki Krishnamurthy (»Rassismuskritische Theater- und Körperarbeit«; ▸ Kap. 16) auch auf die Grenzen und Widerstände im Umgang mit Alltagsrassismus in der Praxis ein.

Wir möchten an dieser Stelle unseren Mitautor*innen herzlich für ihre aufschlussreichen und wertvollen Beiträge sowie die gute Zusammenarbeit danken!

Wir hoffen mit diesem Band weiteres Interesse zur kritischen Auseinandersetzung mit einem Thema wecken zu können, das wie kaum ein anderes Phänomen schon sehr lange als ein (subtiles) machtvolles Ordnungsprinzip wirksam ist.

»Der Rassismus wird uns – in Europa, in Südafrika und Brasilien, in den Vereinigten Staaten, in der Karibik und in der restlichen Welt – auch in absehbarer Zukunft erhalten bleiben. Das gilt nicht nur für die Massenkultur, sondern auch für die gute Gesellschaft – und wir täten gut daran, das nicht zu vergessen« (Mbembe 2020: 108).

Osnabrück, Juli 2023
Prof. Dr. Ayça Polat & Abigail M. Joseph-Magwood

Literatur

DeZIM – Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (2022): Rassistische Realitäten: Wie setzt sich Deutschland mit Rassismus auseinander? Auftaktstudie zum Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa), Berlin. Online verfügbar unter: https://www.rassismusmonitor.de/fileadmin/user_upload/NaDiRa/CATI_Studie_Rassistische_Realit%C3%A4ten/DeZIM-Rassismusmonitor-Studie_Rassistische-Realit%C3%A4ten_Wie-setzt-sich-Deutschland-mit-Rassismus-auseinander.pdf, Zugriff am 22. 06. 2023.

Kourabas, V. (2019): Grundlegende Darstellung zu Rassismuskritik. Was ist Rassismus und was heißt Rassismuskritik? In: Arbeitspapier Denkanstöße für eine rassismuskritische Perspektive auf kommunale Integrationsarbeit in den Kommunalen Integrationszentren – Ein Querschnittsthema (S. 5 – 18). Online verfügbar unter: https://www.stadt-muenster.de/fileadmin/user_upload/stadt-muenster/v_zuwanderung/pdf/Denkanstoesse_fuer_eine_rassismuskritische_Perspektive_finale_Fassung.pdf, Zugriff am 13. 04. 2023.

Mbembe, A. (2020): Politik...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-17-043038-6 / 3170430386
ISBN-13 978-3-17-043038-9 / 9783170430389
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