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Organisationssoziologie (eBook)

Eine Einführung
eBook Download: EPUB
2024 | 3. Auflage
320 Seiten
UTB (Verlag)
978-3-8463-5508-4 (ISBN)

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Organisationssoziologie -  Markus Pohlmann
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Der Band lädt zum organisationssoziologischen Denken ein. Anhand empirischer Beispiele und Fallstudien wird in zentrale Begriffe, Konzepte und Perspektiven der Organisationssoziologie eingeführt und den Leser:innen ein ebenso fundierter wie praktischer Einstieg in deren Fragestellungen, Themen und Erklärungsformen ermöglicht. Dabei spannt sich der inhaltliche Bogen von der Darlegung eines sozialwissenschaftlichen Verständnisses der Organisation und der Klassifizierung von Typen der Organisation über die Beschreibung zentraler Ansätze der Organisationssoziologie bis zu den Themenbereichen Motivation, Macht, Führung und Strategie. Nicht zuletzt analysiert der Autor auch Fragen der Organisationskultur und der organisationalen Kriminalität. Das Buch bietet Studierenden sozialwissenschaftlicher und auch betriebswirtschaftlicher Studiengänge einen idealen Einstieg in dieses Thema.

Prof. Dr. Markus Pohlmann lehrt am Max-Weber-Institut für Soziologie der Universität Heidelberg.

Prof. Dr. Markus Pohlmann lehrt am Max-Weber-Institut für Soziologie der Universität Heidelberg.

Vorwort
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung — Eine Einladung zum organisationssoziologischen Denken
1.1 Die Vorgehensweise
Quellen
2 Das sozialwissenschaftliche Verständnis der Organisation
2.1 Die italienische Mafia als Organisation?
2.2 Die Bekämpfung der Mafia
2.3 Auf dem Weg zu einem komparativen Organisationsverständnis
2.4 Zusammenfassung
Quellen / weiterführende Literatur
3 Zentrale Ansätze der Organisationssoziologie
3.1 Das Konzentrationslager: Auf den Spuren irrationaler/rationaler Organisation
3.2 Organisationssoziologische Ansätze im Vergleich
3.3 Organisation als korporativer Akteur
3.4 Organisation und die Institutionen der Gesellschaft
3.5 Organisation als System
3.6 Zusammenfassung
Quellen / weiterführende Literatur
4 Personal und Motivation
4.1 Der Mensch als Person – Zum Personenverständnis in der Soziologie
4.2 Personal — eine soziologische Bestimmung
4.3 Motive
4.4 Die Entgrenzung von Arbeit und das »unternehmerische Selbst
4.5 Zusammenfassung
Quellen / weiterführende Literatur
5 Macht und Geld
5.1 Macht
5.1.1 Machtentstehung und Ordnungsbildung bei Popitz
5.1.2 Macht und Interessen im Handlungssystem der Organisation: Colemans Theorie
5.1.3 Probleme kollektiven Handelns in der Organisation: Crozier/Friedbergs Theorie
5.1.4 Macht als Medium der Organisation: Luhmanns Theorie
5.2 Geld
5.3 Zusammenfassung
Quellen / weiterführende Literatur
6 Management, Führung und Strategie
6.1 Die Funktion des Managements – Grundlegende Perspektiven
6.2 Führung und Strategie
6.2.1 Führung
6.2.2 Strategien
6.3 Manager*innen – Person und Personal
6.4 Zusammenfassung
Quellen / weiterführende Literatur
7 Organisationskultur
7.1 Kultur als veränderbare Variable oder als ungeschriebene Regeln, die sich der gezielten Veränderung entziehen?
7.2 Organisationskultur als Regeln, wie Dinge gesehen werden
7.3 Organisationskulturen und die Veränderung der Organisation
7.4 Organisationskulturen im Theorienvergleich
7.5 Zusammenfassung
Quellen / weiterführende Literatur
8 Organisationale Devianz, Moral und Korruption
8.1 Organisation und Moral — einige Vorbemerkungen
8.2 Organisationale Devianz und organisationale Kriminalität
8.3 Aktive Korruption bei Siemens
8.3.1 Korruption als Risikokalkulation
8.3.2 Korruption als Anpassung und Nachahmung
8.3.3 Korruption als »brauchbare Illegalität
8.4 Individuelle, organisationale und professionsgeleitete Devianz: Die Manipulationen der Wartelisten in der deutschen Transplantationsmedizin
8.5 Compliance, Moral und die Bekämpfung von Korruption und Manipulationen
8.6 Zusammenfassung
Quellen / weiterführende Literatur
9 Organisationstypen im Vergleich
9.1 Die feldspezifische Ausrichtung der Organisation
9.2 Ein Besuch in der Kirche
9.3 Interessen- oder Arbeitsorganisation als Vergleichskriterium
9.4 Die PPU oder: Welche Organisationsformen haben politische Parteien?
9.5 Aufgabenautonomie, Hierarchie und Professionsgebundenheit als Vergleichskriterien
9.6 Das öffentliche Krankenhaus
9.7 Die Eigentums- und Ressourcenautonomie als Vergleichskriterium
9.8 Unternehmen oder: Der Ikea-Effekt
9.9 Zusammenfassung
Quellen / weiterführende Literatur
10 Schlagwortverzeichnis

2Das sozialwissenschaftliche Verständnis der Organisation


In diesem Kapitel erfahren Sie

was die Sozialwissenschaften unter Organisationen verstehen,

ob die Mafia in diesem Sinne eine Organisation ist und

wie sich Organisationen von anderen sozialen Gebilden unterscheiden lassen.

Wir beginnen unsere Überlegungen in diesem Kapitel mit der italienischen Mafia.4 Das mag ungewöhnlich erscheinen, aber immerhin wird die Mafia als eine sehr erfolgreiche und zugleich beständige kriminelle Organisation gesehen. Nicht ohne Grund sprechen Polizei und Justiz in ihrem Falle von »organisierter« Kriminalität. Haben wir es hier also mit einem althergebrachten Prototyp von Organisation zu tun, und woher rührt dessen Beständigkeit? Diese Frage leitet unsere Beschäftigung mit der italienischen Mafia an. Unsere Absicht ist es, im idealtypischen Vergleich mit anderen sozialen Gebilden herauszuarbeiten, welches die besonderen Merkmale moderner Organisationen sind. Dabei rücken wir vor allem die Form und Art der Mitgliedschaft ins Zentrum, um beispielsweise Gruppen oder Familien von Organisationen unterscheiden zu können, und orientieren uns dabei gleichermaßen am Organisationsverständnis von Max Weber und Niklas Luhmann. Obwohl Weber handlungstheoretisch argumentierte und Luhmann systemtheoretisch, ergänzen sich ihre Perspektiven in Bezug auf die Form der Organisation in sinnvoller Weise. Um also herauszufinden, wie wir Organisationen am besten sozialwissenschaftlich einordnen können, sehen wir uns im Vergleich verschiedene soziale Gebilde an und stellen drei einfache Fragen: (1) Wie kommen wir in dieses soziale Gebilde hinein? (2) Welche Mitgliedschaftsregeln – formale und informale – gelten für uns, wenn wir Mitglieder sind? (3) Wie kommen wir aus diesem sozialen Gebilde wieder hinaus. Diese drei einfachen Fragen sollen uns helfen zu verstehen, womit wir es zu tun haben.

Begriffsbox 2.1: Organisierte Kriminalität

»Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- und/oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig (a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, (b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder (c) unter Einflussnahme auf Politik, Massenmedien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.« (RiStBV 1991).

Natürlich könnten wir auch anders vorgehen und von Organisation sprechen, wenn wir es mit dem geplanten, koordinierten Handeln mehrerer Personen zu tun haben (wie es z.B. die Ermittlungsbehörden tun), aber dann fällt zu viel darunter und wir könnten Familien, Gruppen oder totale Institutionen nicht mehr voneinander unterscheiden bzw. müssten sie alle in diesem Aspekt als Organisationen führen.

2.1Die italienische Mafia als Organisation?


Ist die italienische Mafia im sozialwissenschaftlichen Sinne eine Organisation? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, beschäftigen wir uns zunächst mit den oben genannten drei Aspekten: 1. Wie ist der Eintritt bei der italienischen Mafia gestaltet? 2. Wie sind die Mafiosi in die italienische Mafia integriert, welche Regeln der Mitgliedschaft gelten und welche Zwecke werden verfolgt? 3. Auf welche Weise erfolgt der Austritt aus der italienischen Mafia?

Bei der Beantwortung dieser Fragen müssen wir berücksichtigen, dass wir keine Insiderinformationen über die „italienische organisierte Kriminalität“ haben und nur darüber berichten können, was Polizei, Staatsanwält*innen und Richter*innen in aufgedeckten Fällen über die italienische Mafia herausgefunden haben. Dabei gibt es ein großes Dunkelfeld, das sich unserer Erkenntnis entzieht. Insbesondere wenn wir Roberto Scarpinato Glauben schenken, einem der bekanntesten Mafia-Jäger Italiens, operiert die italienische Mafia immer mehr im Stillen („mafia silente“) und immer mehr verdeckt von legalen Organisationen mit weltweiten Geschäftspraktiken auf globalen Märkten („marketist mafia“) (Scarpinato 2020: 44; vgl. dazu auch Le Moglie et al. 2022). Auch liegen länderübergreifend keine einheitlichen Definitionen und (mit wenigen Ausnahmen) belastbare Statistiken zur „italienischen organisierten Kriminalität“ vor, auf die wir unsere Analyse gründen können (Kirkpatrick 2020: 69). Dennoch gibt es durch die aufgedeckten Fälle, die von uns geführten Interviews und die verfügbaren Datenbanken der Justizbehörden hinreichend Indizien, um Antworten auf diese drei Fragen geben zu können und mit ihrer Hilfe zu einem sozialwissenschaftlichen Verständnis von Organisationen zu gelangen.

Ein erstes alltagstheoretisches Verständnis der Mafia legt die Vorstellung einer Organisation nahe. Wir haben Hierarchien — von der obersten Position des sogenannten Paten oder »capo dei capi« über die »consiglieri« (Berater) bis hinunter zu den einfachen Mitgliedern (vgl. Arlacchi 1995; Paoli 1999) — und auch die Polizei spricht von organisierter Kriminalität (siehe Begriffsbox 2.1). Manche Expert*innen, wie z.B. Catino 2019; 2020: 70, sprechen im Falle der italienischen Mafia sogar von formalen Organisationen.

Organisationen implizieren außerdem klare Anweisungsstrukturen, Über- und Unterordnungsverhältnisse und gemeinsame Ziele, die mit ihrer Hilfe verfolgt werden. All dies trifft auch für die italienische Mafia zu. Auf den ersten Blick ließe sich also sagen, bei der Mafia handelt sich um eine Organisation. Trotzdem stellt sich die Frage, inwiefern es – gemessen an der Beantwortung der drei Fragen – tatsächlich sinnvoll ist, die Mafia als eine solche zu bezeichnen. So zeichnen sich formale Organisationen in modernen Gesellschaften z.B. dadurch aus, dass sie Ein- und Austritte vertraglich regeln und die Beschäftigten nur in einem begrenzten Umfang formal beanspruchen, nämlich in ihrer Rolle als Personal.5 Gilt das auch für die Mafia? Dazu kehren wir zur ersten Frage vom Anfang des Kapitels zurück:

(1) Wie ist der Eintritt bei der italienischen Mafia gestaltet?

Darüber kann man einiges sagen (vgl. Paoli 1999: 4 f.; Paoli 2003: 21; Meneghini et al. 2021: 7 ff.): Die italienische Mafia rekrutiert ihre Mitglieder in der Regel durch Zuwahl (Kooptation). Man kann sich nicht bewerben. Sehr häufig werden auch heute noch Familien- und Sippenmitglieder vorgeschlagen (vgl. nur Catino 2020: 73 ff.) und nach Abstimmung mit den anderen Mafia-Familienoberhäuptern aufgenommen. Eine reine Blutsverwandtschaft oder nur die Ehe mit einem Mafioso reichen hingegen nicht aus, um dazuzugehören. Je nachdem, mit welcher italienischen Mafia man es zu tun hat, werden auch weitere Familien und Clans, wie z.B. bei der Cosa Nostra, assoziiert (vgl. Catino 2020: 75). Die Mitgliedschaft ist nicht auf Blutsverwandtschaft beschränkt, aber die Auswahl ist sehr streng (ebd.). Auch sollte keine weitere Verwandtschaft mit Angehörigen der Polizei oder des Justizsystems vorliegen (vgl. ebd. 75). Die 'Ndrangheta ist die einzige Mafia, deren Mitgliedschaft ausschließlich auf Blutsbande und strategische Ehen zwischen Familien beruht (ebd.: 78).

Eine Auswertung der Proton-Datenbasis, welche von 1985-2017 Daten zu 11.138 Straftäter*innen mit späterer Mafia-Zugehörigkeit in Italien enthält, zeigt darüber hinaus, dass gerade junge Rekrutierte (unter 27 Jahren) der italienischen Mafia in nicht wenigen Fällen vor Eintritt bereits schwere Straftaten begingen (Meneghini et al. 2021: 7 ff.).6 Insofern ist auch von einer Art Bewährung im „kriminellen Geschäft“ auszugehen, die als Empfehlung für eine Mafia-Zugehörigkeit dienlich ist (ebd.: 12). Schulbildung ist dabei nicht von Belang. Nur ca. 10% der Mitglieder der italienischen Mafia, welche in diese Polizeidatenbank gelangten, weisen nach den Auswertungen von Meneghini et al. einen High-School-Abschluss auf.

Auch wenn die italienische Mafia bisweilen mit assoziierten Gruppen von nicht clanzugehörigen Kriminellen zusammenarbeitet, bleibt sie in ihrem Kern bis heute durch Familenclans konstituiert (vgl. nur Scarpinato 2020; Catino 2020; Paoli 2020).

Aber auch in der Art der Aufnahme mit den dazugehörigen Ritualen erkennt man eine Besonderheit: Der – nach Meinung von Expert*innen auch heute noch verlangte – Schwur von Gehorsamkeit und Schweigsamkeit bis in den Tod sieht einer Organisation nicht ähnlich und erinnert eher an geheimbündische Traditionen (vgl.dazu auch Paoli 2008a; 2020; de Donno 2009: 895 ff.; Sergi 2019: 14).7 Auch außerhalb Italiens, beispielsweise bei der Ndranghetta in Australien, spielen diese Rituale eine wichtige Rolle (vgl. für Australien z.B. Sergi 2019: 14). Wie bei anderen Formen...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Arbeitsorganisation • Colemans Theorie • Compliance • Führung • Geld • Hierarchie • Konzentrationslager • Korruption • Korruptionsbekämpfung • Lehrbuch • Luhmann • Macht • Machtentstehung • Management • Moral • öffentliches Krankenhaus • Organigramm • Organisation • Organisationskultur • Organisationssoziologie • Organisierte Kriminalität • politische Parteien • Sozialwissenschaft • Soziologie • Soziologie studieren • Soziologiestudium • Strategie • Systemtheorie • Unternehmensorganisation
ISBN-10 3-8463-5508-9 / 3846355089
ISBN-13 978-3-8463-5508-4 / 9783846355084
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