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Die Schwester -  Sung-Yoon Lee

Die Schwester (eBook)

Die Geschichte der gefährlichsten Frau der Welt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01733-5 (ISBN)
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Spätestens als Donald Trump 2019 als erster amtierender US-Präsident nordkoreanischen Boden betrat, fiel der Weltöffentlichkeit eine Frau an der Seite des nordkoreanischen Diktators auf: Kim Jong Uns Schwester und die Person, der er vertraut wie keiner anderen. Sie gibt sich charmant und wird gerne als Hoffnungsträgerin und Friedensbotschafterin gesehen. Dass sie aber vor kaum etwas zurückschreckt, hat sie in den vergangenen Jahren in ihrer Rolle als Chefpropagandistin ihres Bruders vielfach bewiesen. Sung-Yoon Lee enthüllt die Wahrheit über die ebenso schillernde wie skrupellose Schwester des nordkoreanischen Diktators und bietet einen packenden Blick hinter die Kulissen eines der grausamsten Regime der Welt.

Sung-Yoon Lee, geboren in Südkorea, ist Ostasienwissenschaftler, Nordkoreaexperte und Professor für Koreastudien an der Tufts University, Massachusetts. Er schreibt regelmäßig u.a. für die New York Times, Los Angeles Times, Washington Post oder das Wall Street Journal. Darüber hinaus ist er für BBC, CNN und das ZDF ein gefragter Experte und berät das United States House Committee on Foreign Affairs in Nordkoreafragen.

Sung-Yoon Lee, geboren in Südkorea, ist Ostasienwissenschaftler, Nordkoreaexperte und Professor für Koreastudien an der Tufts University, Massachusetts. Er schreibt regelmäßig u.a. für die New York Times, Los Angeles Times, Washington Post oder das Wall Street Journal. Darüber hinaus ist er für BBC, CNN und das ZDF ein gefragter Experte und berät das United States House Committee on Foreign Affairs in Nordkoreafragen.

Kapitel 1 Die Prinzessin kommt


Unter einem nebelverhangenen Februarhimmel setzte ein Flugzeug zum Landeanflug auf den internationalen Flughafen Incheon in Südkorea an. In der Maschine saßen dreiundzwanzig Passagiere – fünf Regierungsvertreter, drei Journalisten, der Rest Leibwächter. Doch eine Passagierin war wichtiger als alle anderen.

Am 9. Februar 2018 um 13.46 Uhr koreanischer Zeit setzte die Iljuschin 62 sowjetischer Bauart auf, die Chammae-2 (»Habicht-2«), der nach dem Nationalvogel Nordkoreas benannte Privatjet des nordkoreanischen Führers. Es war das erste Mal, dass ein Abkömmling der »Paektu-Blutlinie«, wie sich die direkten Nachfahren des nordkoreanischen Staatsgründers Kim Il Sung bezeichnen, einen Fuß auf südkoreanischen Boden setzte, das erste Mal seit dem Staatsgründer Nordkoreas selbst, im Juli 1950, einen Monat, nachdem er mit seinen Truppen in den Süden einmarschiert war. An Bord befand sich jedoch nicht der derzeitige nordkoreanische Führer Kim Jong Un, und dies war eine völlig andere Art von »Invasion« – eine, die vom Großteil aller Südkoreaner freudig begrüßt wurde.

Nach der Landung verbrachte die Maschine noch neun Minuten auf dem Rollfeld, bis sie das Gate erreicht hatte. Zuschauerinnen und Zuschauer, die unbedingt die ersten Fernsehbilder der so bedeutsamen Persönlichkeit erhaschen wollten, mussten sich anschließend weitere fünfunddreißig Minuten einzig mit dem Umriss des geparkten Flugzeugs begnügen: Auf dem Heckflügel prangte ein großer roter Stern, das Nationalwappen des Landes, über den Rumpf zog sich, auf Koreanisch, der lang gestreckte Schriftzug »Demokratische Volksrepublik Korea«.

Als sich eine Fluggastbrücke langsam auf die Maschine zubewegte, stöhnte der Nachrichtensprecher des großen südkoreanischen Senders, der live über die Geschehnisse berichtete, enttäuscht auf. Die Zuschauer würden nun doch nicht miterleben, wie die bedeutende Persönlichkeit glanzvoll der Maschine entstieg.

Das allererste Bild des Gastes flimmerte, je nach TV-Sender, erst vierzig Minuten nach Beginn der Übertragung über die Bildschirme. Der offizielle Leiter der nordkoreanischen Gesandtschaft, Kim Yong Nam, trat aus dem Flughafengebäude und stieg in die erste von zwei schwarzen Limousinen. Dann, im Schutze eines großgewachsenen nordkoreanischen Bodyguards und einer südkoreanischen Leibwächterin, marschierte eine zierliche junge Frau das Dutzend Schritte zum zweiten Wagen. Ihr Blick war gelassen, ihre Haltung kerzengerade, als würde ihr es nicht das Geringste ausmachen, im Mittelpunkt eines historischen Moments wie diesem hier zu stehen.

Es war so schnell gegangen, klagten die TV-Kommentatoren – und zudem war dieser flüchtige Anblick auch noch halb verdeckt gewesen von einem Gebäude. Schon selbst in diesen wenigen Sekunden waren einige Dinge klar geworden. Die Besucherin war bekannt dafür, dass sie sich nur dezent schminkte, wie ein Experte anmerkte – und doch schien sie nun ihr bislang auffälligstes Make-up zu tragen. Was hatte das zu bedeuten? Waren sie sicher, dass sie es war? Dennoch war es aufregend, sinnierte der Experte, da die Dicke ihres Lidschattens etwas Positives bedeuten musste – nämlich, dass sie, im Rahmen ihrer Bemühungen um die innerkoreanische Verständigung, ihre Mission äußerst ernst nahm.

Als sich die Fahrzeugkolonne wenige Minuten später in Bewegung setzte, geriet auf der anderen Seite des Wagens, in dem die junge Frau saß, ein weiterer nordkoreanischer Leibwächter in den Blick und joggte zusammen mit dem ersten ein Stück neben der Limousine her, bevor beide in einen nachfolgenden schwarzen SUV sprangen. Ihr Ziel war die KTX-Bahnstation (Korea Train eXpress) innerhalb des Flughafenkomplexes, von der aus die Delegation mit Südkoreas topmodernem Hochgeschwindigkeitszug ostwärts nach Gangneung reisen würde. Die Fahrt mit diesem Zug würde den Besuchern die zahlreichen gravierenden Gegensätze zwischen den beiden koreanischen Staaten gewiss schmerzlich und hautnah vor Augen führen.

Die Fernsehsender spielten diese kostbaren Sekunden, als sie zum Wagen liefen, in Dauerschleife ab. Manche Kommentatoren identifizierten einige der nordkoreanischen Regierungsbeamten, die später aus dem Flughafen gekommen waren. »Aber Moment mal!«, platzte einer der Nachrichtensprecher heraus. »Wir haben noch ein früheres Video von ihr, im VIP-Raum!«

Der neue Clip, abermals schier endlos wiederholt, enttäuschte nicht. Endlich bot sich den Zuschauern ein guter Blick auf die Debütantin, als diese ihren mit Spannung erwarteten »Bühnenauftritt« im VIP-Empfangsraum des Flughafengebäudes absolvierte. Als Erstes erschien Kim Yong Nam in Begleitung seines südkoreanischen Gastgebers, des Wiedervereinigungsministers Cho Myoung Gyon. Nach wenigen Schritten hielt Kim mitten im Gehen inne und sah sich um, als hätte er ein wenig Angst, vor seiner bedeutenderen Kollegin zu laufen. Der Blick hatte zur Folge, dass alle zurückschauten, und dann, mit einem leisen Lächeln auf dem Gesicht, marschierte die Frau der Stunde herein. Kameras surrten. Ihre Haltung noch immer kerzengerade, die Augen unverwandt auf zwei oder drei Fixpunkte im Raum gerichtet, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, sie wäre aufgeregt oder gar ängstlich.

Es war Kim Yo Jong, die jüngere Schwester Kim Jong Uns – des »Obersten Führers« Nordkoreas. Ihr Bruder regiert wie ein absolutistischer Monarch, doch sie war keines der königlichen Geschwister, die im Grunde keine Macht besaßen, wie Jong Uns älterer Bruder Jong Chol. Spätestens seit 2014 hatte sie bereits das einflussreiche Ministerium für Propaganda und Agitation geleitet. Sie war ehrgeizig. Als jüngstes Kind Kim Jong Ils, Nordkoreas Machthaber der zweiten Generation, war sie von frühester Kindheit an verwöhnt und umschwärmt worden. Ihre Eltern nannten sie »Meine süße Prinzessin Yo Jong« oder »Prinzessin Yo Jong«. Ihr Vater hatte schon früh ihre Begabung und ihren politischen Weitblick erkannt. Und auch die Welt würde sie nun endlich kennenlernen.

Während die wichtigsten nordkoreanischen Abgesandten aus dem Flugzeug geleitet wurden, hatten die Fernsehkommentatoren die historische Bedeutung dieses Augenblicks betont und die Zuschauer über die voraussichtliche Reiseroute Kim Yo Jongs in den nächsten sechsundfünfzig Stunden informiert, auch wenn vieles noch nicht endgültig geklärt war. Eines jedoch war sicher: Das wichtigste Ereignis war Kim Yo Jongs für den nächsten Tag geplanter Besuch beim südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In im Blauen Haus, dem Amts- und Wohnsitz des Regierungschefs, mit anschließendem Mittagessen. Vielleicht würde sie einen Brief ihres Bruders überbringen? Vielleicht würde Kim Jong Un darin ja sogar vorschlagen, dass sich die beiden Staatschefs irgendwann einmal persönlich treffen? Ein innerkoreanisches Gipfeltreffen, das erste seit über einem Jahrzehnt – wie aufregend das doch wäre, ja, womöglich eine Aussicht auf Frieden auf der koreanischen Halbinsel? (Tags darauf überbrachte sie tatsächlich einen solchen Brief.)

Auch wurde bestätigt, dass die nordkoreanische Delegation später am Abend an der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang an der Ostküste teilnehmen würde, rund zweieinhalb Stunden mit dem Hochgeschwindigkeitszug von Incheon entfernt. Die Ironie der Geschichte, dass Kim Yo Jong in Incheon landen sollte, konnte der Abordnung nicht verborgen geblieben sein – ausgerechnet jener Stadt an der Westküste der Halbinsel, wo 1950 eine bedeutende Militäroperation im Koreakrieg das Blatt zuungunsten Pjöngjangs gewendet hatte. An diesem Abend würden die Nordkoreaner zum ersten Mal mit Präsident Moon zusammentreffen, wenn auch nur zu einem Fototermin. Als offizieller Delegationsleiter würde der neunzigjährige Kim Yong Nam am Empfang vor der Eröffnungsfeier samt Abendessen teilnehmen und sich ein wenig unter die anderen Staats- und Regierungschefs mischen; Kim Yo Jong würde erst später zur eigentlichen Eröffnungszeremonie erscheinen. Sie würde in der Ehrenloge auf der Tribüne sitzen, vermutlich ganz in der Nähe von Präsident Moon.

Der südkoreanische Gastgeber hatte viele internationale Würdenträger zu empfangen: US-Vizepräsident Mike Pence, den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, den außerhalb Europas nur wenige kannten, den japanischen Premierminister Shinzo Abe, den viele Südkoreaner hassten, den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees Thomas Bach, der sich sehr über die Anwesenheit der Nordkoreaner freute, sowie andere, für die wohl weniger auf dem Spiel stand. Bei der Zeremonie würden die Sportler beider koreanischer Staaten gemeinsam unter einer einzigen blauen Halbinselfahne einlaufen – eine Symbolik, die auch nach einem historischen innerkoreanischen Handschlag zwischen...

Erscheint lt. Verlag 6.5.2024
Übersetzer Alexander Weber
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Asien • Atombombe • Donald Trump • Kim Jong Un • Kim Yo Jong • Nordkorea • Südkorea
ISBN-10 3-455-01733-9 / 3455017339
ISBN-13 978-3-455-01733-5 / 9783455017335
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