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Und dann kommt das Meer in Sicht (eBook)

Wunderschöne Reisegeschichten vom Aufbrechen und Ankommen
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
208 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-28529-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Und dann kommt das Meer in Sicht -  Tamina Kallert
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Aufbrechen und Ankommen - neue wunderschöne Geschichten vom Reisen
Auf ihre typisch herzliche, emotionale und direkte Art erzählt Tamina Kallert neue unterhaltsame Geschichten über das Reisen. Sie berichtet von herzerwärmenden und auch skurrilen Begegnungen mit Menschen, von Naturerfahrungen und Eigenheiten verschiedener Landstriche, denn - trotz Stillstand im Leben können wir immer wieder aufbrechen ins Neue. Auch sie wurde durch Corona ausgebremst und umso mehr macht Tamina Kallert deutlich, dass besondere Reiseerlebnisse und vor allem persönliche Begegnungen wichtige Ressourcen sind. Wie es ihr persönlich erging und wie wir alle von mehr Selbstbestimmung und Selbstfürsorge profitieren können, zeigt sie in ihrem neuen Buch. Ihr Motor sind und bleiben dabei Lebensfreude, Optimismus und die Lust auf Reisen Neues zu entdecken.

Tamina Kallert, geboren 1974, arbeitete nach dem Studium der Geschichte und Anglistik als Moderatorin, Reporterin und Autorin beim Westdeutschen Rundfunk, bei ProSieben und für das Deutsche Sportfernsehen. Seit 2004 moderiert sie das WDR-Reisemagazin »Wunderschön«, seit 2016 auch die Städtereisen »2 für 300«. Zusammen mit dem WDR-Funkhausorchester führt sie regelmäßig durch wunderschöne Reisekonzerte. Tamina Kallert ist erfolgreiche Autorin, ihr Bestseller »Mit kleinem Gepäck« erschien 2018. Sie ist verheiratet, Mutter von zwei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Freiburg im Breisgau.

Hashtag Sehnsucht

Wer sich nach dem Licht sehnt, ist nicht lichtlos,
denn die Sehnsucht ist schon Licht.

Bettina von Arnim

Liverpool! Was für eine quicklebendige Stadt! Kameramann Uwe Irnsinger, mit dem ich seit vielen Jahren das Format »2 für 300« drehe, und ich wollen die Stadt der Beatles und des Fußballs entdecken. Wir sind ein eingespieltes Team; Madrid, Wien, Hamburg, Rotterdam, Paris und viele Städte mehr haben wir schon besucht. Doch dieses Mal ist alles anders: Es ist März 2020 und das Coronavirus breitet sich in alle Ecken und Enden der Welt aus. In der Redaktion hatten wir intensiv beratschlagt: Ziehen wir den Dreh durch oder warten wir ab, wie sich die Dinge entwickeln? Irgendwie hatten wir alle die Hoffnung, dass es schon nicht so wild werden wird und nach ein paar Wochen alles ausgestanden sei. Aber in die Überlegungen schlichen sich auch erste bange Ahnungen ein: Wer weiß, wie lange wir noch in andere Länder reisen können! Wir einigten uns, dass das Team wie geplant nach Liverpool fährt – Uwe Irnsinger als erster Kameramann, die Autorin, ein Tontechniker, eine Volontärin, die gleichzeitig auch »zweite Kamera machen« würde, und ich. Während der Abreisetermin näher rückte, spitzte sich die Coronalage weiter zu, Masken und Schutzkleidung für Ärzte und Klinikpersonal wurden knapp. Sollten wir doch noch alles absagen? Trotz der Bilder aus den norditalienischen Krankenhäusern schien alles weit weg zu sein.

Ein paar Tage vor dem Abflug stehe ich im Drogeriemarkt vor den Seifen und Cremes in Reisegröße, auch Pröbchen mit Desinfektionsmittel liegen in den Körbchen aus. Soll ich eines mitnehmen? Mein Gott, wie übertrieben! Liverpool ist doch nicht der tiefste Urwald! Zur Not bekomme ich dort in jeder Apotheke etwas zum Desinfizieren meiner Hände. Oder etwa nicht? Das habe ich auf meinen Reisen gelernt: Auch in einer Großstadt kann man Stunden mit der Suche nach einem Allerweltsartikel vergeuden. Also doch lieber rein mit einem Fläschchen in den Einkaufskorb, schadet ja nicht … Später auf dem Flug lachten wir darüber, dass jeder von uns so einen kleinen Reisegenossen griffbereit bei sich hatte. Aber eigentlich war das gar nicht lustig. Das Desinfektionsmittel in der Handtasche war ein Wendepunkt. Statt unvoreingenommen und optimistisch fühlte ich mich kleinlich, misstrauisch und unsouverän. Dieses Fläschchen symbolisierte für mich genau das, was ich nie gewollt habe.

***

Als wir in Liverpool eintrafen, trauten wir unseren Augen nicht. Während man in Deutschland bereits auf Abstand zueinander gegangen war und zig Mal am Tag »Alle meine Entchen« am Waschbecken summte, umarmten sich die Menschen in der Ankunftshalle am Flughafen ganz ohne Vorbehalt, standen eng beieinander, drängelten aneinander vorbei. Am nächsten Morgen hörte ich im Hotelzimmer den lokalen Radiosender. Das mache ich oft, wenn ich in anderen Ländern unterwegs bin, denn so bekomme ich unmittelbar mit, was die Leute bewegt. Kein Zweifel, die Coronathematik war in dieser Stadt noch nicht angekommen. Auch im Frühstücksfernsehen kaum eine Spur vom Virus. Unser Team surfte der Stresswelle voraus. Am Frühstückstisch überlegten wir: Passen wir uns dem unbeschwerten Liverpool an? Oder versuchen wir, unsere frisch eingeübten Abstandsregeln durchzusetzen? Aber wie sollte das gehen? Dass ich keine Berührungsängste habe, gehört ja zum Erfolgsrezept der Reisesendungen. Es wäre auch gegen meine Natur, zurückzuspringen, sobald mir jemand nahekommt.

Das war schon ziemlich schräg! Bei den abendlichen Telefonaten erfuhr ich von Nik, wie in Deutschland das Leben langsam erstarrte. Und tagsüber manövrierte sich das Team durch Situationen, in denen herzliche Liverpooler uns die Hand gaben, uns auf die Schulter klopften und gemeinsam mit uns für die Kamera posierten. Um nicht als megaunhöflich dazustehen, drückten wir meist beide Augen zu – ach komm, stell dich mal nicht so an! Vielleicht hatten ja die Engländer recht und die Deutschen waren viel zu aufgeregt? Dann kam der Tag, an dem wir in der Mathew Street den legendären Cavern Club besuchten. Das Originalgebäude, in dem schon die Beatles auf der Bühne gestanden hatten, war zwar schon vor langer Zeit abgerissen worden, doch man hatte es hier mit Original-Backsteinen wieder aufgebaut. Weil Uwe mit seiner großen Kamera nicht reindurfte, stieg ich allein die dunkle Treppe hinunter ins Souterrain, um mit meinem Handy zu filmen. Es war gerammelt voll, Livemusik spielte, im fensterlosen Halbdunkel standen die Menschen mit ihren Biergläsern dicht an dicht. Da hatte ich zum ersten Mal ein wirklich mulmiges Gefühl, ich drehte um und lief schnell wieder hinauf ins Freie. Das griffbereite Desinfektionsfläschchen war der Vorbote, im Cavern Club verlor das Eintauchen, das Miteinander-etwas-Erleben für mich endgültig seine Unschuld. Danach gab es für lange Zeit noch einen einzigen Moment, in dem ich eine herzliche Umarmung mit ungebremster Körperlichkeit auslebte – Paul McCartney, John Lennon, George Harrison und Ringo Starr waren lebensgroß, aber leider aus Bronze.

***

Eine unserer Verabredungen in Liverpool ist die mit Gerry, dem Besitzer eines Antiquariats mitten in der Altstadt. Er ist über siebzig und hat ein abwechslungsreiches Leben hinter sich. Mit sechzehn ging er zur See und bereiste jahrzehntelang den halben Globus. Dann wählte er das genaue Gegenteil und zog sich in den kleinen Laden mit tausenden alten Büchern zurück. Die Autorin unserer Sendung hatte ihn bei ihrer Vorrecherche spannend gefunden, uns aber auch vorgewarnt, dass er ein kauziger Typ sei und der Erfolg unseres Besuches stark von seiner Tagesform abhängen würde. Kein Problem, dachte ich, meine Herzlichkeit und Offenheit werden schon dafür sorgen, dass wir gut miteinander klarkommen. Ich freute mich auf die Begegnung mit ihm, denn so eine Kehrtwende im Leben wirft eine Menge Fragen auf. Wie kam es dazu? Und wie ist das, wenn der Blick auf einmal nicht mehr frei bis zum Horizont, sondern nur noch bis zum nächsten Buchdeckel reicht? Wenn ich es schaffen würde, ihn zum Erzählen zu bringen, würde das Gespräch mit ihm bestimmt ein Highlight dieser Städtereise werden.

Als wir vor Gerrys Antiquariat stehen, denke ich aber erst einmal: Oje! Wir würden kaum alle in diese mit Büchern und skurrilen Fundstücken vollgestellte Bücherstube hineinpassen. Das Türglöckchen bimmelt, wir quetschen uns in das Lädchen hinein und halten in den engen Gängen Ausschau nach seinem Besitzer. Im Hintergrund ist anspruchsvolle klassische Musik zu hören, in der Nase habe ich diesen aussterbenden Geruch von altem Papier und trockenem Holz, abgerundet mit einer Note von Staub. Gerry sitzt versteckt zwischen seinen Büchern, schaut auf und – wir haben Glück! – sieht ganz gutgelaunt aus. Nach der Begrüßung steige ich gleich ein: »Das ist ja hier ein tolles Sammelsurium!« Da stoppt der Tonmann die Aufnahme: »Halt, so geht das nicht. Die Musik muss abgestellt werden.« Also bitten wir Gerry, die CD zu stoppen – kein guter Start. Er ist nicht der Typ, der sich gerne etwas sagen lässt, das merkt man sofort. Bevor die Sache richtig angefangen hat, ist der Schwung schon wieder raus.

Von Gerry wissen wir, dass er gegen den Strich gebürstet ist und wie eine Auster zuklappen kann. Deshalb würde ich ihn am liebsten ohne Unterbrechungen von seinen Weltreisen erzählen lassen und uns dem Rhythmus überlassen, der entsteht, wenn man es laufen lässt. Aber jeder im Team hat andere Prioritäten. Uwe zum Beispiel hat mich bekniet, bloß nicht zu lange zwischen den Büchern stehen zu bleiben und Gerry möglichst schnell nach der Begrüßung nach draußen auf die Straße zu lotsen. Improvisation und Dynamik sind wichtig und auch spannender für die Zuschauer. Filmt der Kameramann nur aus einer Perspektive – Gerry und Tamina sitzen an einem Tisch und erzählen sich was – hat der Cutter später kein Bildmaterial, mit dem er schnelle Schnittfolgen zaubern könnte. Doch Gerry macht keine Anstalten, seine dunkle Ecke zu verlassen, mir bleibt nichts anderes übrig, als mich zu ihm zu setzen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Uwe sich in halber Hocke zwischen zwei Bücherregale verkeilt hat, damit seine Kamera mit Gerry und mir auf derselben Höhe ist. Ich könnte diese Haltung keine zwei Minuten durchstehen. Ich versuche noch einmal, Gerry einen Gang ins Freie schmackhaft zu machen, doch da helfen weder Charme noch sanfter Druck. Das nervige Hin und Her hat den Widerspruchsgeist unseres Gastgebers geweckt.

Tapfer mache ich weiter: »Wie ist das für Sie, nach so vielen Jahren auf See hier in diesem kleinen Laden zu sein?« Statt von sich zu erzählen, dreht er den Spieß einfach um und fragt mich: »Sie haben doch auch schon viel von der Welt gesehen. Wie ist es für Sie, hier zu sein?« Na, das ist eine spannende Frage, doch wir sind nicht hier, um über mich zu sprechen. Also spiele ich den Ball zurück: »Wie kam es dazu, dass Sie abgeheuert haben?« Ich kann in seinen Augen ein belustigtes Funkeln sehen, aber er antwortet ganz brav: »Früher habe ich ein ganz anderes Leben gehabt …« Ja! Jetzt kommen die interessanten Geschichten! Doch wieder entschlüpft er mir. Das sei doch bei mir sicher auch so, fragt er mich verschmitzt. Das Gespräch entwickelt sich anders als erwartet, die Kollegen scharren unruhig mit den Hufen, Uwe tritt der Schweiß auf die Stirn. Weil der Tonmann ihm den Weg versperrt, ist er wie eingemauert und kommt aus seiner Ecke nicht mehr raus. Wie lange wird er es in seiner unbequemen...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • 2 für 300 • Achtsamkeit • Aufbruch • Begegnungen • eBooks • Entschleunigung • Eskapismus • Fernweh • Krisenbewältigung • Motivation • Neuerscheinung • Persönliche Entwicklung • Reiseerlebnisse • Reisen • Selbstverwirklichung • WDR • "Wunderschön"
ISBN-10 3-641-28529-1 / 3641285291
ISBN-13 978-3-641-28529-6 / 9783641285296
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