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How To Be an Antiracist (eBook)

»Das bisher mutigste Buch über Rassismus im westlichen Denken.« The New York Times - Deutsche Ausgabe
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
416 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-25643-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

How To Be an Antiracist -  Ibram X. Kendi
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Wir alle sind Rassisten, ob wir es merken oder nicht. Ibram X. Kendi, Historiker, Professor an der University of Washington, Schwarz, behauptet auch von sich selbst, früher Rassist gewesen zu sein. In seinem so brillanten wie mitreißenden Buch zeigt er anhand der eigenen Geschichte, dass Neutralität im Kampf gegen Rassismus keine Option ist: Wir sind in unserer Ignoranz so lange Teil des Problems, bis wir Teil der Lösung werden und aktiv antirassistisch handeln. Kendi zerstört den Mythos der postrassischen Gesellschaft und entwirft ein grundlegend neues Verständnis von Rassismus - was er ist, wo er sich verbirgt, wie er zu identifizieren ist und was wir dagegen tun können. Denn wir sind entweder rassistisch oder antirassistisch, dazwischen gibt es nichts.

Ibram X. Kendi, geboren 1982 in New York, ist Gründungsdirektor des Antiracist Research and Policy Center, Professor für Geschichte und Internationale Beziehungen und er hat die renommierte Andrew-W.-Mellon-Professur in the Humanities an der Boston University inne, die als besondere Auszeichnung für akademische und gesellschaftliche Leistung gilt und seit ihrer Gründung 1973 nur von Elie Wiesel besetzt war. Für sein Buch »Gebrandmarkt. Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika« erhielt er 2016 den National Book Award. »How to Be an Antiracist«, sein viel beachtetes Standardwerk zum Thema Antirassismus, war ein New-York-Times-Nummer-1-Bestseller, in dem er anhand seiner eigenen Lebensgeschichte die Mechanismen von Rassismus sichtbar macht und nicht weniger als die radikale Neuorientierung unseres Bewusstseins fordert.

MEINE RASSISTISCHE EINFÜHRUNG


ICH HASSTE ANZÜGE und Krawatten. Siebzehn Jahre lang war ich von Anzug und Krawatten tragenden und gut behüteten Kirchenleuten umgeben gewesen. Meine Garderobe als Teenager war der lautstarke Protest eines Predigerkindes.

Es war der 17. Januar 2000. Über dreitausend Schwarze Menschen – und ein paar versprengte weiße Menschen – hatten sich an jenem Montagmorgen in ihrem besten Sonntagsstaat in der Hylton Memorial Chapel in Northern Virginia versammelt. Meine Eltern trafen in einer Art Schockzustand ein. Ihr orientierungsloser Sohn hatte es irgendwie in die Endrunde eines zu Ehren von Martin Luther King Jr. veranstalteten Redewettbewerbs des Prince William County geschafft.

Anders als der Großteil meiner Konkurrentinnen und Konkurrenten trat ich nicht im weißen Hemd unter einem dunklen Anzug und der passenden dunklen Krawatte an. Ich trug stattdessen ein gewagtes goldbraunes Jackett mit einem glänzenden schwarzen Hemd und einer in leuchtenden Farben gestreiften Krawatte. Der Saum meiner schwarzen Baggy Pants stauchte über meinen cremefarbenen Stiefeln. Beim Seriositätstest war ich bereits durchgefallen, bevor ich auch nur ein einziges Wort von mir gegeben hatte, aber meine Eltern, Carol und Larry, strahlten dennoch über das ganze Gesicht. Sie konnten sich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Krawatte und Jackett getragen hätte, egal, wie auffällig und verrückt.

Aber nicht nur meine Garderobe passte nicht so recht ins Bild. Meine Konkurrentinnen und Konkurrenten waren akademische Wunderkinder. Ich nicht. Mein Notendurchschnitt war nicht atemberaubend; beim SAT, Studierfähigkeitstest, hatte ich mit Mühe und Not 1000 Punkte erreicht. Renommierte Hochschulen warben meine Konkurrentinnen und Konkurrenten an. Ich konnte mir schon etwas darauf einbilden, dass ich überraschenderweise von den beiden Colleges eine Zusage erhalten hatte, bei denen ich mich halbherzig beworben hatte.

Ein paar Wochen zuvor war ich gerade mit meiner Mannschaft auf dem Basketballplatz beim Aufwärmen vor einem Spiel. Wir übten Korbleger, als plötzlich mein Vater mit seinen imposanten 1,90 Meter und 90 Kilo am Eingang der Sporthalle auftauchte. Er ging langsam übers Basketballfeld und wedelte mit den Armen, um mich auf sich aufmerksam zu machen – und mich vor dem »weißen Richter« zu blamieren. Typisch Dad. Was voreingenommene weiße Leute von ihm dachten, war ihm so was von egal. Ganz selten wenn überhaupt setzte er eine falsche fröhliche Miene auf, verstellte seine Stimme auf bewusst ruhig, verbarg seine Meinung oder vermied es, eine Szene zu machen. Ich liebte und hasste meinen Vater dafür, dass er nach seinen eigenen Regeln in einer Welt lebte, die Schwarzen Menschen eigene Regeln normalerweise verweigert. Das war die Art von Trotz, die in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort dazu geführt hätte, dass ihn ein Mob gelyncht hätte – oder die heute dazu führt, dass ihn ein Uniformierter mit Dienstabzeichen lyncht.

Ich trabte zu ihm, bevor er mit seinen rudernden Armen mitten durch unsere Übungsreihe brach. Seltsam aufgedreht reichte er mir einen braunen Umschlag.

»Der ist heute für dich gekommen.«

Er bedeutete mir ungeduldig, den Umschlag zu öffnen, direkt hier auf dem Spielfeld, vor den Augen der weißen Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen und Lehrer.

Ich zog den Brief heraus und las: Ich war an der Hampton University im südlichen Virginia aufgenommen worden. Nach dem ersten Schock empfand ich ein unaussprechliches Glücksgefühl. Ich umarmte meinen Dad und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Tränen mischten sich mit dem Schweiß des Aufwärmtrainings auf meinem Gesicht. Die wertenden weißen Blicke um uns herum verschwanden.

Ich hatte geglaubt, ich wäre dumm, zu doof fürs College. Sicher, Intelligenz ist so subjektiv wie Schönheit. Aber ich zog für mich immer wieder »objektive« Standards heran, etwa Testergebnisse und Zeugnisse. Kein Wunder, dass ich mich nur an zwei Universitäten bewarb: an der Hampton University und an der Hochschule, wo ich schließlich studierte, an der Florida A&M University. Weniger Bewerbungen bedeuteten auch weniger Absagen – und ich rechnete fest damit, dass mich diese beiden historischen afroamerikanischen Universitäten ablehnen würden. Warum sollte eine Universität einen Idioten aufnehmen, der keine Ahnung von Shakespeare hatte? Ich kam damals nicht auf die Idee, dass ich mich vielleicht gar nicht richtig bemüht hatte, Shakespeare zu verstehen, und dass ich deshalb den Kurs Englisch II fürs International Baccalaureate in meinem letzten Jahr an der Highschool abgebrochen hatte. Andererseits las ich in der Zeit eigentlich so gut wie gar nichts.

Wenn ich damals ein paar Geschichtsbücher gelesen hätte, hätte ich vielleicht etwas mehr über die historische Bedeutung der Stadt erfahren, in die meine Familie 1997 aus New York City gezogen war. Ich hätte von all den Denkmälern der Konföderierten erfahren, die mich in Manassas, Virginia, umzingelten wie die toten Soldaten von Robert E. Lees Armee. Ich hätte erfahren, warum so viele Touristinnen und Touristen zum Manassas National Battlefield Park pilgern, um die ruhmreichen Siege der Konföderierten in den Schlachten am Bull Run während des Bürgerkriegs wieder aufleben zu lassen. Es ist der Ort, an dem General Thomas J. Jackson aufgrund seines hartnäckigen Einsatzes auf der Seite der Konföderierten den Spitznamen »Stonewall« erhielt. Die Einwohnerinnen und Einwohner im Norden Virginias hielten diesen »Abwehrwall« all die Jahre intakt. Ob wohl irgendjemandem die Ironie aufgefallen war, dass mein freies Schwarzes Leben beim Redewettbewerb zu Ehren Martin Luther Kings ausgerechnet die Stonewall Jackson High School repräsentierte?

DIE ENTZÜCKENDEN ORGANISATORINNEN der Veranstaltung, Mitglieder der Delta Sigma Theta Sorority, saßen zusammen mit stolzen Würdenträgerinnen, Würdenträgern und den Wettbewerbsteilnehmenden auf einem Podium im Altarraum. Die Sitzplätze für das Publikum zogen sich um das lange, gebogene Podium, so dass die Rednerinnen und Redner genügend Platz hatten, um während ihres Vortrags auf und ab zu schreiten, von einer Seite der Kirche zur anderen; fünf Stufen boten zudem die Möglichkeit, zum Publikum hinunter zu gehen, wenn wir wollten.

DIE SCHÜLERINNEN UND Schüler der Mittelstufe hatten bereits ihre erstaunlich reifen Reden gehalten. Der Kinderchor war hinter uns erklungen. Das Publikum setzte sich wieder und schwieg in Erwartung der drei Highschool-Rednerinnen und -Redner.

Ich war als erster dran. Endlich näherte ich mich dem Höhepunkt einer Erfahrung, die mein Leben bereits verändert hatte. Seitdem ich vor einigen Monaten den Redewettbewerb an meiner Highschool gewonnen hatte und dann einige Wochen später bei einem landesweiten Wettbewerb zum »Sieger der Jury« gekürt worden war, regnete ein steter Schauer akademischen Zuspruchs auf mich nieder. Wenn ich nach dieser Erfahrung nur so durchtränkt war von Selbstbewusstsein fürs College, dann hatte ich zuvor auf der Highschool eine lange Dürre erlebt. Heute frage ich mich, ob mein geringes Selbstwertgefühl für meine geringe Meinung über meine Leute verantwortlich war. Oder sorgte die geringe Meinung über meine Leute dafür, dass ich auch eine geringe Meinung von mir selbst hatte? Wie bei der berühmten Frage nach dem Huhn und nach dem Ei ist die Antwort weniger wichtig als der Kreislauf, den sie beschreibt. Rassistische Vorstellungen bewirken, dass People of Color sich selbst weniger positiv sehen, was sie wiederum anfällig für rassistische Vorstellungen macht. Rassistische Vorstellungen vermitteln weißen Menschen ein positiveres Selbstwertgefühl, weshalb sie sich wiederum zu rassistischen Vorstellungen hingezogen fühlen.

Ich hielt mich für einen unterdurchschnittlichen Schüler und wurde mit Botschaften bombardiert – von Schwarzen Menschen, weißen Menschen, den Medien –, die mir vermittelten, dass mir der Grund dafür ins Gesicht geschrieben stand … was mich noch mehr entmutigte und meine Motivation als Schüler noch mehr dämpfte … was die rassistische Vorstellung, Schwarze Menschen seien nun einmal nicht sonderlich lernfreudig, bei mir weiter verstärkte … wodurch meine Verzweiflung und mein Desinteresse weiter zunahmen … und so weiter. Dieses Gedankenkarussell wurde an keiner Stelle durch eine tiefgründige Analyse meiner spezifischen Situation und Defizite unterbrochen oder durch einen kritischen Blick auf die Vorstellungen einer Gesellschaft, die mich beurteilte – stattdessen verstärkte der Gedankengang die rassistischen Vorstellungen in meinem Innern, bis ich sie schließlich auch anderen predigte.

ICH DENKE SEHR gerne an diesen Redewettbewerb zurück. Aber wenn ich an die rassistische Rede denke, die ich damals hielt, überkommen mich noch immer Gefühle der Scham.

»WIE WÜRDE DR. Kings Botschaft für das neue Jahrtausend lauten? Stellen wir uns doch einmal einen wütenden einundsiebzigjährigen Dr. King vor …« So begann mein Remix von Martin Luther Kings »I Have a Dream«-Rede. Unsere Befreiung aus der Sklaverei sei ein...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2020
Übersetzer Alina Schmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel How to Be an Antiracist
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Black lives matter • Diskriminierung • eBooks • exit racism • Geschichte • Gesellschaft • Persönliche Geschichte • Rassismus
ISBN-10 3-641-25643-7 / 3641256437
ISBN-13 978-3-641-25643-2 / 9783641256432
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