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Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
ebersbach & simon (Verlag)
978-3-86915-294-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann -  Unda Hörner
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Ein fulminante Zeitreise ins Jahr 1949 mit Erika Mann 1949: Erika, die älteste Tochter von Katia und Thomas Mann, begleitet die Eltern nach Jahren des Exils in den USA auf ihrer Europareise. Die zweifache Verleihung des Goethe-Preises an den Vater in Deutschland steht kurz bevor, als die Familie in Stockholm die erschütternde Nachricht von Klaus Manns Freitod ereilt. Während Erika beginnt, den Nachlass des geliebten Bruders zu ordnen, erinnert sie sich - an die behütete Kindheit in München, die wilden Zwanziger in Berlin, gemeinsame Werke und die Weltreise als Mann-Twins, das Engagement gegen die Nazis im Exil. Unda Hörner verwebt die Lebenswege der Manns und die historischen Ereignisse virtuos zu einer atmosphärisch dichten Erzählung und entfaltet ein faszinierndes zeitgeschichtliches Panorama bis ins Schicksalsjahr 1949, in dem die Teilung Deutschlands für Jahrzehnte besiegelt wird. Für alle Fans der Jahreszahlen-Trilogie »1919 - Das Jahr der Frauen«, »1929 - Frauen im Jahr Babylon« und »1939 - Exil der Frauen«.

Unda Hörner, geb. 1961, studierte Germanistik und Romanistik in Berlin und Paris und promovierte 1993 über die Schriftstellerin Elsa Triolet. Sie lebt und arbeitet als freie Autorin, Herausgeberin, Journalistin und Übersetzerin in Berlin. Bei ebersbach & simon sind von ihr u.a. erschienen: »Brecht und die Frauen. Gefährtinnen, Geliebte, gute Geister«, »Auf nach Hiddensee! Die Boheme macht Urlaub« sowie »Scharfsichtige Frauen. Fotografinnen in Paris«, außerdem die Romane »Kafka und Felice« und »Am Horizont der Meere. Gala Dalí« sowie ihre Jahreszahlen-Trilogie, »1919 - Das Jahr der Frauen«, »1929 - Frauen im Jahr Babylon« und »1939 - Exil der Frauen«.

Unda Hörner, geb. 1961, studierte Germanistik und Romanistik in Berlin und Paris und promovierte 1993 über die Schriftstellerin Elsa Triolet. Sie lebt und arbeitet als freie Autorin, Herausgeberin, Journalistin und Übersetzerin in Berlin. Bei ebersbach & simon sind von ihr u.a. erschienen: »Brecht und die Frauen. Gefährtinnen, Geliebte, gute Geister«, »Auf nach Hiddensee! Die Boheme macht Urlaub« sowie »Scharfsichtige Frauen. Fotografinnen in Paris«, außerdem die Romane »Kafka und Felice« und »Am Horizont der Meere. Gala Dalí« sowie ihre Jahreszahlen-Trilogie, »1919 – Das Jahr der Frauen«, »1929 – Frauen im Jahr Babylon« und »1939 – Exil der Frauen«.

Ein eigener Pilotenschein, ja, das hätte sich wirklich gelohnt, eine ausgezeichnete Automobilistin ist sie ja bereits. So viele Flüge über den Atlantik hat Erika in den letzten Jahren hinter sich gebracht, erst in den letzten Tagen hat sie in Chicago schon wieder eine Maschine bestiegen, Washington und New York, von dort weiter nach England, wo Termine in London und Oxford absolviert werden mussten. Und heute, an diesem 19. Mai 1949, geht es weiter auf dem Luftweg nach Stockholm. Erika Mann ist nicht alleine unterwegs. Vor ihr in der Maschine die Eltern Thomas und Katia, in der Lücke zwischen den beiden Sitzen sieht sie die Hände der Eltern, die rechte der Mutter ruht auf der Armlehne, des Vaters linke Hand ist erhoben und hält eine unsichtbare Zigarre zwischen Zeige- und Mittelfinger; sobald die Maschine gelandet ist, wird er sich wieder eine seiner geliebten Havannas anstecken wollen. Doch ein wenig wird er sich noch gedulden müssen, gerade erst hat die Stewardess verkündet, das Flugzeug sei airborne und habe die maximale Flughöhe bereits fast erreicht. Airborne, wie schön das klang. So leicht und abgehoben.

Im Flugzeug nach Stockholm, den Blick auf das Wasser der Nordsee gerichtet, wandern Erikas Gedanken in die ferne Vergangenheit; das bedeutende Jahr 1929, der Triumph vor zwanzig Jahren, der Nobelpreis. Bei ihrem Bruder Klaus hatte die epochale Nachricht gemischte Gefühle ausgelöst. Klar, er freute sich über den Glanz, der durch die Ehrung über die ganze Familie kommen würde, nicht zu reden vom vielen schönen Geld, mit dem die Schulden beglichen werden konnten, die Erika und Klaus auf ihrer jüngst zurückliegenden Weltreise angehäuft hatten. Während der Preisverleihung hockten die Geschwister zu Hause in München am Radio und verfolgten die Übertragung der Zeremonie aus dem Stockholmer Konserthuset, schütteten sich aus vor Lachen, mit andächtiger Stimme bezeichnete der Reporter den Vater als »frackgewohnte Erscheinung«, die sich gemessenen Schrittes auf den schwedischen König Gustav V. zubewege.

Klaus war nicht nur amüsiert. Er hatte soeben seinen ersten Roman veröffentlicht, ein Opus über Alexander den Großen, nun grätschte ihm der alte Herr in die Parade, nicht zum ersten Mal stand er im Schatten des Vaters. Zu allem Überfluss ließen so scharfzüngige Kritiker wie Kurt Tucholsky und Axel Eggebrecht kein gutes Haar an dem angehenden Schriftsteller, bescheinigten ihm gar einen infantilen, operettenhaften Stil. Rudolf Arnheim hatte Klaus in der Weltbühne erbarmungslos vorgeführt: »Er wandte den streng gewordenen Blick zum Wasser, das erbleichte und sich frierend kräuselte.« Diesem Zitat aus Klaus’ Roman hatte der Kritiker einen sarkastischen Kommentar folgen lassen: »So etwas darf kein Schriftsteller vom Wasser verlangen.« Erika konnte darüber nur lachen, er solle sich nicht entmutigen lassen, ihm stehe eine steile Karriere bevor. Und Klaus’ Bücher kamen an beim Lesepublikum, Der Vulkan oder Flucht in den Norden, seine Romane über Emigrantenschicksale wie die ihren. Wenn Erika den Erfolg einem Menschen aus tiefstem Herzen gönnt, dann dem geliebten Bruder.

Die Stewardess meldet sich wieder. Man befindet sich bereits im Landeanflug auf Stockholm. Die Schwerelosigkeit der Gedanken weicht schon wieder der Sorge um die reibungslose Organisation der anstehenden Termine. Denn trotz Erikas verlässlichem Beistand könnte die Europatour für die Eltern noch anstrengend werden, denn es liegt auch eine Einladung nach Deutschland vor, sogar eine doppelte. Man schreibt 1949 ein Goethe-Jahr, zum 200. Geburtstag des großen Dichterfürsten will man den Vater mit dem Goethepreis und einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche ehren; gleiches Ansinnen in der sowjetischen Zone, Zeremonie im Deutschen Nationaltheater zu Weimar und Verleihung der Ehrenbürgerschaft. Eine zweifache Würdigung der Preis, und wer, wenn nicht er, sollte ihn bekommen, er, der Autor der Buddenbrooks. Als Thomas Mann vor genau zwanzig Jahren den Nobelpreis für diesen seinen ersten Roman erhielt, hatte er erklärt, den Preis seiner deutschen Heimat zu Füßen legen zu wollen. Doch seitdem war die Welt eine andere geworden, und um verbindliche Zusagen hat der Schriftsteller sich bislang herumgedrückt. Konnte man jetzt wirklich wieder in die kriegszerstörte Heimat reisen, das erste Mal nach rund sechzehn Jahren? In jenes Land, das ihm und seiner Familie die Staatsbürgerschaft genommen, sie all ihrer Bürgerrechte beraubt und in die Flucht geschlagen hatte? Wo Erika im Völkischen Beobachter wegen ihrer »pazifistischen Frechheiten« verunglimpft worden war und ihr Bruder Klaus aufgrund seiner Homosexualität höchstwahrscheinlich hinter Schloss und Riegel gekommen wäre? Vor allem ist Deutschland das Land, das einen Krieg angezettelt und Millionen von Menschen auf dem Gewissen hat. Mit Theodor W. Adorno hatte Thomas Mann sich bereits über die heikle Preis-Frage zu beraten versucht, war aber nicht recht schlau geworden aus dessen wortreicher Geißelung des Verblendungszusammenhangs und seiner feierlich vorgebrachten Äußerung, dass es kein richtiges Leben im falschen gebe. Klaus hatte sich Erika gegenüber launig zu diesem Thema geäußert: »Da die Frankfurter Visite ja so ziemlich mit der Etablierung des Westdeutschen Staates koinzidiert, läge es doch nahe, dass man dem Vater die Präsidentschaft anböte. … Das Dichterschicksal würde sich bedeutend runden, es wäre eine fette Pointe für die Biografen da. Und die Deutschen könnten sich ins Fäustchen lachen. Wer stünde ihnen sonst zur Verfügung? Dieser Präsident wäre in beiden Zonen akzeptabel und angesehen: er gehört zum Westen, wird aber vom Osten höflich anerkannt. Und was für eine schöne Familienpolitik wir machen könnten! Major Hindenburg und Papen sind nichts dagegen. Ich würde dafür sorgen, dass nur Schwule gute Stellungen kriegen; der Verkauf des heilsamen Morphium wird freigegeben; E amtiert als graue Eminenz in Godesberg, während der Vater in Bonn mit dem russischen Gesandten Rheinwein schlürft …«

Wie immer braucht Thomas Mann also Erikas Rat, will er zu einer Entscheidung kommen. Die hat eine entschiedene, kompromisslose Meinung, so wie immer, schwarz oder weiß, kalt oder heiß, alles oder nichts. »Natürlich wirst du diesen Preis nicht entgegennehmen! Weder in Frankfurt, noch in Weimar! Im Westen brandmarkt man Klaus und mich als Kommunisten, und im Osten, da lügen sie wie gedruckt über die angeblichen Wahrheiten des Kommunismus«, so lautet ihr Urteil. »Und vergiss nicht, dass sie dich in Deutschland als Vaterlandsverräter beschimpfen, weil du nicht dageblieben bist.«

Eine solche Entgegnung ist von Erika zu erwarten gewesen, jedoch nicht die Antwort, die Thomas Mann sich gewünscht hätte. Erika weiß es genau, sie kennt ihren Vater so gut wie sich selbst. Er ist ja nicht gerade uneitel, bewegt im Kopf seine schöne Rede über Goethe und die Demokratie, die er mit ihrer bewährten Assistenz geschrieben hatte, und die so ganz ausgezeichnet zu dem feierlichen Akt in Frankfurt und in Weimar passen würde, in Goethes hessischer Geburtsstadt und an seiner thüringischen Wirkungsstätte. Im Geiste sah der Vater sich doch schon bei der Preisverleihung, im weihevollen Rund eines Kirchenschiffs. In der Stadt am Main hatte man nicht gezögert, die Paulskirche, Wiege der deutschen Demokratie, Symbol für ein neues freies Deutschland, alsbald wieder aufzubauen. Dem Vater klang seine eigene Stimme bereits in den Ohren, wie sie sich zum Lobpreis auf Goethe erhob bis unter die hohe Kuppel des geweihten Hauses. »Es kann doch nicht falsch sein, den Dichter in seiner Heimat zu ehren«, wendet er also ein.

»Der Heimat derer, die Auschwitz und Buchenwald zugelassen haben«, sagt Erika. In ihr brodelt noch immer der unerbittliche Hass auf die Nazis, der sie in den vergangenen Jahren befeuert hat. »Wenn ihr dorthin fahren wollt, bitte sehr, aber ohne mich.«

An die rasche Folge öffentlicher Auftritte und Empfänge ist der allerorten hofierte Thomas Mann seit Langem gewöhnt, die Reisestrapazen werden aufgewogen durch Ehrenbezeugungen und den gebührenden Respekt, den man ihm allerorten zollt. Straffe Organisation der langen Vortragstournee ist das A und O, Thomas Mann weiß, auf Erika ist Verlass, auch wenn sie ihren eigenen Kopf hat. »Es muss abrollen, und man muss seinen Mann stehen«, sagt er. Und Erika den ihren. Aber wenn es um eine Deutschlandreise geht, nein danke, diese Herausforderung werden sie wohl ohne Erika schaffen müssen. In diesen Ring wird sie die Eltern alleine schicken.

Bei der heutigen Ankunft in Stockholm, zwanzig Jahre nach der Nobelpreisverleihung und zehn Jahre nachdem man ausgerechnet hier vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erfuhr, ist die Reisegesellschaft recht entspannt, kaum gerädert vom Transport, der Flug ist glatt und angenehm verlaufen, Hiobsbotschaften wie die vom Überfall der...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Schlagworte 1949 • Alter Ego • Bühnenauftritte • Drogensucht • Erika Mann • Exil • Familie • Familie Mann • Frankreich • Freitod • Geschwisterliebe • Homosexualität • Kabarettistin • Katia Mann • Klaus Mann • Krieg • Literaturnobelpreis • Mann-Twins • Ménage à trois • München • Nazis • Nobelpreisträger • Pamela Wedekind • Schauspielerin • Selbstmord • Selbstvorwürfe • Thomas Mann • USA • Vaterfigur • Widerstand
ISBN-10 3-86915-294-X / 386915294X
ISBN-13 978-3-86915-294-3 / 9783869152943
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