Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Dysphagietherapie -

Dysphagietherapie (eBook)

Ein interdisziplinäres Fallbuch
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
276 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-041778-6 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
52,99 inkl. MwSt
(CHF 51,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
In diesem Fallbuch werden die Grundlagen der Therapie oropharyngealer und ösophagealer Dysphagien aus interdisziplinärer Sicht dargestellt. Die behandelten Störungsbilder und Grunderkrankungen, wie Schlaganfall, extrapyramidal-motorische und neuromuskuläre Erkrankungen, Kopf-Hals-Tumoren, COPD, Achalasie oder stiller Reflux, bilden dabei das weite Spektrum der klinischen Dysphagiologie ab. Berücksichtigt werden zudem verschiedene Altersklassen (Pädiatrie und Geriatrie) sowie klinische Besonderheiten und Techniken, z.B. Trachealkanülenmanagement oder pharyngeale Elektrostimulation (PES). Insgesamt 90 Abbildungen sowie Videomaterial, welches z.B. die Darstellung therapeutischer Techniken in der FEES beinhaltet, veranschaulichen dabei das konkrete Vorgehen. Aufgrund der einzigartigen Kombination von Theorie und Praxis eignet sich dieses Buch besonders für klinisch tätige Ärzte und Therapeuten, aber auch für Studierende der Medizin, Sprachtherapie und Gesundheitswissenschaften.

Dr. rer. medic. Jochen Keller ist leitender Sprachtherapeut der Klinik für Akut-Geriatrie und Neurogeriatrie, St. Martinus-Krankenhaus Düsseldorf und zertifizierter FEES-Ausbilder. Priv.-Doz. Dr. med. Herbert F. Durwen ist Neurologe, ehem. Chefarzt der Klinik für Geriatrie, St. Martinus-Krankenhaus Düsseldorf und Leiter des Instituts für Medizinische Begutachtung und Beratung in Köln.

1       Die funktionelle Dysphagietherapie (FDT) am Beispiel eines Patienten mit schwerer neurogener Dysphagie


Jochen Keller und Herbert F. Durwen


1.1       Theoretischer Hintergrund


Dysphagien können Folge zahlreicher neurogener und nicht neurogener Erkrankungen sein und bilden bei manchen sogar das Hauptsymptom. In Abhängigkeit von den einzelnen Grunderkrankungen können sie einerseits als passageres Phänomen nur kurzfristig präsent sein und dann vollständig remittieren, andererseits jedoch auch als chronische Beeinträchtigung lange fortbestehen oder in ihrer Symptomatik auch weiter fortschreiten und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken. Eine erfolgreiche Behandlung der meist komplexen Symptomatik setzt sowohl eine akkurate Diagnostik als auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedenster Fachdisziplinen voraus. Dabei unterscheiden sich die jeweiligen Methoden, Strategien und Zielsetzungen in Abhängigkeit von Ätiologie, Stadium und Prognose der Erkrankung.

Dysphagietherapie als prozesshaftes Geschehen

Mit der hier vorgestellten Einzelfallstudie sollen Inhalte und Verlauf der funktionellen Dysphagietherapie (FDT) bei einem Patienten mit Z. n. Resektion eines Vestibularisschwannoms und daraus resultierender schwerer oropharyngealer Dysphagie exemplarisch dargestellt werden. Es wird aufgezeigt, dass die einzelnen therapeutischen Schritte kein statisches Übungsprogramm darstellen, sondern im Sinne eines prozesshaften Geschehens stets an den Verlauf der individuellen Symptomatik einerseits und den Bedürfnissen der Betroffenen andererseits anzupassen sind (Bartolome 2018). Dysphagietherapie als prozesshaftes Geschehen

Für die Behandlung oropharyngealer Dysphagien stellt die Erfassung der Symptomatik sowie der zugrunde liegenden Pathophysiologie durch eine klinische, vor allem aber auch apparative Diagnostik eine wesentliche Voraussetzung dar (Keller und Durwen 2022) und macht die Auswahl geeigneter Therapiemethoden erst möglich. Dabei wird das Erreichen folgender Ziele angestrebt, die sich auch in der hier vorgestellten Kasuistik wiederfinden und ganz allgemein auf das Optimieren bzw. den Erhalt einer größtmöglichen Lebensqualität ausgerichtet sind ( Abb. 1.1).

Kleinstmögliche Abschluckfähigkeit

Das übergeordnete Bestreben ist dabei, die Schluckfähigkeit – sei sie auch noch so reduziert – allmählich wieder auf- und auszubauen, zu einer teilweisen oder gar vollständigen oralen Ernährung zurückzukehren oder Restfunktionen so lange wie möglich zu erhalten, um eine sog. »Non-use-Problematik« zu verhindern. Selbst bei schwersten oropharyngealen Dysphagien sollte daher eine kleinstmögliche Abschluckfähigkeit evaluiert werden, um ggf. auch Bolusgaben frühzeitig in die Therapie mit einzubeziehen.

Abb. 1.1:    Zielsetzungen der funktionellen Dysphagietherapie (FDT)

Merke


Die logopädische Schlucktherapie wird nicht als statisches Übungsprogramm verstanden, sondern muss sich im Sinne eines prozesshaften Geschehens stets an dem Verlauf, der individuellen Symptomatik und den Bedürfnissen jedes einzelnen Patienten orientieren und daran fortwährend angepasst werden.

1.1.1      Grundlagen der funktionellen Dyphagietherapie


Komponenten der funktionellen Dysphagietherapie

Die »funktionelle Dysphagietherapie« (FDT) wurde erstmalig von Gudrun Bartolome beschrieben und beinhaltet folgende Komponenten (Bartolome 2018):

Restituierend-übende Verfahren


Stabilisierung oder Optimierung noch erhaltener Restfunktionen

Hierzu zählen verschiedene Stimulations- und Mobilisationstechniken sowie aktive myofunktionelle bzw. Muskelfunktionsübungen, die weitgehend aus der Physiotherapie entlehnt wurden und auf die komplette oder zumindest teilweise Wiederherstellung der gestörten Schluckphysiologie abzielen. Abhängig vom Schweregrad und der jeweiligen Grunderkrankung, werden jedoch auch die Stabilisierung oder Optimierung noch erhaltener Restfunktionen angestrebt. Die Methoden beinhalten neben vorbereitenden Stimulationen (z. B. taktile und thermale Reizapplikation) und gezielten Mobilisationstechniken (z. B. geführte Bewegungen) auch autonome Bewegungsübungen. Diese werden mit Erreichen des Bewegungszieles und mit Verbesserung der Muskelfunktion dann allmählich wieder in den Schluckablauf integriert.

Adaptive Verfahren


Modifikation der Nahrungskonsistenz

Ess- und Trinkhilfen

International Dysphagia Diet Standardisation Initiative; IDDSI

Sie beinhalten, neben einer Modifikation der Nahrungskonsistenz (Pürieren fester Konsistenzen bzw. Andicken von Flüssigkeiten, Abb. 1.2), verschiedene Ess- und Trinkhilfen (z. B. spezielle Trinkbecher oder Bestecke), die externe Unterstützung der Nahrungsaufnahme oder entsprechende Platzierungen der Nahrung im Mundraum (z. B. auf die nicht betroffene Zungenseite). Bezüglich der Vereinheitlichung diätischer Maßnahmen hat eine im Jahr 2013 gegründete internationale Initiative (International Dysphagia Diet Standardisation Initiative; IDDSI) versucht, mittels genau definierter und im Hinblick auf ihre Textur zu testenden Nahrungskonsistenz- und Flüssigkeistsstufen eine einheitliche Terminologie zu etablieren (Cichero et al. 2017). Dabei wurden insgesamt acht Koststufen definiert, die allmählich in das klinische Dysphagiemanagement integriert werden und bereits in vielen Kliniken zum Einsatz kommen.

Abb. 1.2:    Texturangepasste und in Form gebrachte Nahrung für Dysphagie-Patienten am Beispiel breiiger und pürierter Kost, die ohne zu Kauen geschluckt werden kann (IDDSI-Grad 3 und 4)

Kompensatorische Verfahren


Haltungsänderungen

Spezielle Schlucktechniken bzw. -manöver

Zu den kompensatorischen Verfahren gehören Haltungsänderungen und spezielle Schlucktechniken bzw. -manöver, die – ähnlich wie adaptive Verfahren – eine Erleichterung der Boluskontrolle bzw. des Bolustransfers und/oder ein Vermeiden bzw. Minimieren von Aspiration zum Ziel haben. Sie werden somit während der Nahrungsaufnahme angewendet.

Zu den Haltungsänderungen gehören je nach Symptomatik z. B. die Veränderung der Kopfposition (z. B. Kopfanteflexion oder Kopfrotation zur betroffenen bzw. gesunden Seite). Das Schlucken mit anteflektiertem Kopf wird angewandt bei Patienten mit einer eingeschränkten oralen Boluskontrolle und Leaking sowie bei verzögerter Schluckreflextriggerung mit entsprechend erhöhter Aspirationsneigung ( Abb. 1.3, Abb. 1.4, Abb. 1.5). Bei einer unilateralen pharyngealen Schwäche mit entsprechenden Bolusresiduen kann durch eine Kopfrotation zur betroffenen Seite ein suffizienteres Abschlucken erreicht werden ( Abb. 1.6).

Kräftiges Schlucken (sog. »effortful swallowing«) oder das sog. »supra-« oder supersupraglottische Schlucken« werden den Schlucktechniken bzw. Schluckmanövern zugeordnet, deren Wirksamkeit wie die der Haltungsänderungen in der apparativen Schluckdiagnostik evaluiert und dokumentiert werden sollten ( Abb. 1.9). Einen Überblick zu den einzelnen Schlucktechniken, deren Durchführung und Indikation geben Warnecke und Dziewas (2018, S. 220). Im Folgenden sind einige dieser Haltungsänderungen und Schlucktechniken exemplarisch anhand von Videofluoroskopie und Endoskopie dargestellt. Abb. 1.3, Abb. 1.4 und Abb. 1.5 sowie Video 1.3.1 und 1.3.2 zeigen exemplarisch die Wirksamkeit des Schluckens in Kopfanteflexion bei einem Patienten mit eingeschränkter oraler Boluskontrolle, Leaking und prädeglutitiver Aspiration.

In manchen Fällen kommen nicht nur einzelne dieser Maßnahmen bzw. Techniken isoliert zum Einsatz, sondern können – je nach Symptomatik – auch miteinander kombiniert werden (z. B. Kopfanteflexion und -rotation mit kräftigem Nachschlucken).

Abb. 1.3:    Videofluoroskopische Darstellung einer prädeglutitiven Aspiration (s. Pfeil) bei einem Patienten mit vorzeitigem posteriorem Bolusverlust (Leaking) ( Video 1.3.1) und Vermeiden einer Aspiration durch das Schlucken mit anteflektiertem Kopf ( Video 1.3.2)

Konsistenzenwechsel


Konsistenzenwechsel

Hierbei soll darauf geachtet werden, dass der Patient während der Nahrungsaufnahme häufiger einen Konsistenzenwechsel durchführt. Das heißt, dass z. B. nach dem Schlucken von fester Konsistenz (z. B. Fleisch) direkt im Anschluss eine etwas weichere Konsistenz geschluckt oder – wenn kein Aspirationsnachweis für...

Erscheint lt. Verlag 26.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Neurologie
ISBN-10 3-17-041778-9 / 3170417789
ISBN-13 978-3-17-041778-6 / 9783170417786
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 8,0 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich