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Der Märtyrer -  Anthony Ryan

Der Märtyrer (eBook)

Der stählerne Bund 2

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
672 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12291-6 (ISBN)
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»Düster und exzellent geschrieben« Publishers Weekly  Die Zeiten haben sich für Alwyn Scribe geändert. Einst war er ein Geächteter, jetzt ist er Spion und ein eingeschworener Beschützer von Lady Evadine Courlain. Ihre Visionen einer dämonischen Apokalypse verliehen ihr die fanatische Ergebenheit der Gläubigen.  Doch Evadines wachsender Ruhm hat sie in Konflikt mit der Krone und dem Bund gebracht und im Königreich brauen sich gefährliche Unruhen zusammen... Als Alwyn ins Herzogtum Alundia geschickt wird, um eine Rebellion niederzuschlagen, muss er sich auf alte Instinkte verlassen, um für seine neue Sache zu kämpfen. Alwyn Scribe war nie dazu bestimmt, Soldat zu sein. Ein Dieb? Ja. Ein Schreiber? Ganz gewiss. Aber ein Soldat? Diese Rolle scheint zu seinem Albtraum zu werden. Tödliche Fehden und uralte Geheimnisse werden aufgedeckt, als der Krieg ausbricht, ein Krieg, der über das Schicksal des Königreichs Albermaine entscheiden und vielleicht die Ankunft der prophezeiten Zweiten großen Plage verhindern wird.

Anthony Ryan ist New York Times-Bestsellerautor. Aus seiner Feder stammen die Rabenschatten-Romane: Das Lied des Blutes, Der Herr des Turmes und Die Königin der Flammen. Außerdem verfasste er die Draconis Memoria-Serie. Anthony Ryan lebt in London, wo er an seinem nächsten Buch arbeitet.

Anthony Ryan ist New York Times-Bestsellerautor. Aus seiner Feder stammen die Rabenschatten-Romane: Das Lied des Blutes, Der Herr des Turmes und Die Königin der Flammen. Außerdem verfasste er die Draconis Memoria-Serie. Anthony Ryan lebt in London, wo er an seinem nächsten Buch arbeitet.

Erstes Kapitel


Erchel wartete im Traum auf mich. Von all den Toten in meiner Erinnerung war es ausgerechnet er. Nicht die hübsche, diebische Gerthe. Nicht Deckin, der furchterregende, wahnsinnige, aber manchmal auch weise König der Gesetzlosen. Nicht einmal der fanatische Stallknecht, den ich vor vielen Jahren in einer verschneiten Nacht dem Tod überließ. Nein, es war Erchel, der mich mit einem anzüglichen Grinsen begrüßte, das die fleckigen Zähne in seinem bleichen Gesicht dunkel hervortreten ließ. Von dem zerrissenen Stoff zwischen seinen Beinen tropfte Blut. Trotz des Grinsens wirkte er nicht eben erfreut, mich zu sehen. Was ich ihm nicht verdenken konnte. Selbst der freundlichste Mann wird es wohl krummnehmen, wenn man ihm das Gemächt absäbelt, und freundlich war Erchel zu Lebzeiten nie.

»Bist du hier, um es dir anzuschauen, Alwyn?«, fragte er und sein Kopf wackelte auf einem dürren Hals hin und her, der Ähnlichkeit mit einer sich windenden Schlange besaß. Dabei klang er nicht wie ein zorniger Sadist, der entmannt worden war, sondern eher wie ein verzweifelter Bettler. »Um dein Werk anzuschauen?«

Seine Finger, die länger und dünner waren, als ich sie in Erinnerung hatte, kratzten über die Armschiene an meinem Unterarm und hinterließen Blutflecken auf dem Metall.

»Bist jetzt ein Ritter, wie?«, zischte er hämisch und sein Kopf wippte auf und ab. »Hoch aufgestiegen? Höher, als der arme Erchel es je vermocht hätte. Hoch genug, um einem alten Freund ein paar Münzen zuzuwerfen.«

»Ich bin kein Ritter«, sagte ich und entriss ihm meinen Arm, weil seine Berührung mir trotz der Rüstung wehtat. »Und wir waren nie Freunde.«

»Willst du dem armen alten Erchel gegenüber etwa knausrig sein?« Mürrisch beugte er sich vor und griff sich mit den langen Fingern an die blutige Stelle zwischen den Beinen. »Dabei fehlt ihm sein bestes Stück, schon vergessen? Das kleine Biest hat’s ihm abgeschnitten, und du hast sie machen lassen.«

»Ich hab sie überhaupt nichts machen lassen«, erinnerte ich ihn. »Aber ich will nicht behaupten, dass ich sie dran gehindert hätte.«

Er biss die Zähne zusammen und stieß ein Geräusch aus, das wie ein groteskes zischendes Lachen klang. »Sie bekommt schon noch, was sie verdient«, sagte er. Seine Zähne klapperten, während sich in den Tiefen seines Mundes etwas Dunkles, Feuchtes wand. »Dafür wirst du sorgen.«

Von plötzlicher Wut erfasst packte ich mein Schwert und zog es aus der Scheide, doch Erchel befand sich nicht mehr in Reichweite. »Komm schon, komm«, sagte er und winkte mich zu sich. »Willst du dein Werk nicht bewundern?«

Über das büschelige Gras wehte Dunst heran, in dem Erchel nur noch wie ein gebeugter Schatten erschien. Der weiche Boden schmatzte unter meinen Stiefeln, während ich ihm folgte, getrieben von Neugier ebenso wie dem Wunsch, ihn zu töten – ein Vergnügen, das mir in der Wirklichkeit nicht vergönnt gewesen war. Wir schienen uns in einem Sumpf zu befinden, den ich nicht kannte. Überall herrschte dichter Nebel, und bis auf die bizarren Schatten von Felsbrocken, die wie stumme, reglose Ungeheuer aufragten, war im Dunkeln nichts zu sehen. Was immer das für ein Ort war, ich war noch nie hier gewesen.

Bald schon verlor ich Erchel im Dunst aus den Augen und wanderte ziellos umher, bis mich der Schrei irgendeines Tiers wie ein Leuchtfeuer anlockte. Der Ruf klang fremd – ein raues, tiefes Krächzen, das immer lauter wurde und bald schon mit einigen anderen Stimmen zu einem misstönenden Chor anschwoll. Der Ursprung wurde deutlich, als der Wind den Nebel auseinandertrieb und ein großer Vogel auftauchte, der auf einem halb versunkenen Leichnam hockte. Ein solches Tier hatte ich noch nie gesehen, groß wie ein Adler, aber ohne jede Anmut. Wie Erchels Kopf wippte auch der des Vogels auf einem langen Hals auf und nieder. Helle Knopfaugen musterten mich hungrig über einem blutigen Schnabel, der an ein spitzes Hackbeil erinnerte. Der Schnabel teilte sich, und der Vogel stieß einen weiteren Schrei aus, der von zahllosen anderen Kehlen erwidert wurde.

»Soweit ich weiß, werden sie Geier genannt«, teilte Erchel mir mit, der sich mit funkelnden Augen an meinem Entsetzen erfreute.

Ich schaute mich um und sah, dass der gesamte Sumpf bis in die dunstige Ferne mit hunderten, wenn nicht tausenden Vögeln bedeckt war. Sie schlugen mit den breiten Schwingen, und ihre Köpfe wippten auf und nieder. Immer wieder öffneten sie die Schnäbel, um in den Chor der grausigen Schreie einzustimmen. Offenbar freuten sie sich über das Aas, das es zu fressen gab. Waren die Vögel schon zahlreich, wurden sie von der Menge der Toten sogar noch übertroffen. Die Leichen lagen teils versunken im trüben Wasser. Die meisten waren Soldaten, die in dumpf glänzenden Rüstungen steckten. Aber auch gewöhnliche Leute, Kinder und Greise waren darunter. Hier und da leuchteten die farbenfrohen Gewänder von Adligen. Alle waren sie eines gewaltsamen Todes gestorben, und der Sumpf war rot vom Blut, das aus zahllosen Wunden floss.

»Das hier, Alwyn«, Erchel kicherte schrill, »das ist dein Werk …«

Ein Schrei brach aus meiner Kehle hervor, und ich stürzte mich auf ihn, riss das Schwert hoch, um ihn zu erschlagen. Aber, wie so oft im Traum, gelang es mir nicht. Erchel verschwand, und die Klinge traf nur Luft.

»Du hast sie gerettet.«

Ich wirbelte herum und sah seine gekrümmte Gestalt mit hämischem Grinsen hinter mir stehen. Sein Gesicht zitterte vor bösartiger Freude, wie stets, wenn er ein Tier gefangen hatte, um es zu quälen.

»Die Wiederauferstandene«, höhnte er. »Und hast damit eine Welt voller Leid und Tod geschaffen …«

Ich hob das Schwert auf Brusthöhe und packte den Griff mit beiden Händen, um dem grinsenden Unhold die Klinge in sein leuchtendes Auge zu stoßen. Doch wieder verschwand er, um mich von hinten weiter zu verspotten.

»Was dachtest du eigentlich, was du damit erreichst?«, fragte er und klang aufrichtig neugierig. Er stand jetzt neben dem Geier im Wasser, der geschäftig auf die Leiche einhackte, auf der er saß. »Hast du wirklich geglaubt, die Welt zu verbessern, indem du sie vor dem Tod bewahrst?«

»Halt den Mund!«, krächzte ich und ging auf ihn zu.

»Hast du von Aszendentin Sihlda denn gar nichts gelernt?« Auf dem überlangen Hals ragte Erchels Kopf unnatürlich hoch auf. Vorwurfsvoll zog er die Brauen zusammen. »Sie würde sich für dich schämen, wenn sie dich so sehen könnte …«

Ein unartikulierter Wutschrei entfuhr mir. Ich stürmte auf ihn zu und zog das Schwert schräg herum, um ihm den Kopf von dem schlangenähnlichen Hals abzuschlagen. Stattdessen stürzte ich jedoch in den Sumpf und wurde vom Gewicht meiner Rüstung unter Wasser gezogen. Panik loderte in mir auf. Ich warf strampelnd das Schwert weg, um mich wieder an die Oberfläche hochzukämpfen. Als ich endlich Luft schmeckte, sah ich Erchel über mir schweben. Auf seiner Schulter hockte der Geier, und über ihm verdunkelte sich der Himmel. Die anderen Vögel stiegen auf und sammelten sich zu einem dicht kreisenden Schwarm.

»Meine Freunde werden dich nicht sofort erledigen«, versprach Erchel und fügte dann breit grinsend hinzu: »Erst will ich dabei zuschauen, wie sie dir die Eier abreißen. Ob du wohl so laut schreien wirst, wie ich es getan habe?«

Krächzend breitete der riesige Vogel auf seiner Schulter die Schwingen aus und stürzte sich auf mich. Lange Klauen schlossen sich um meinen Kopf und drückten mich wieder in den Sumpf hinab. Der Vogel ließ nicht locker, während ich versank. Seine Klauen zerfetzten meine stählerne Armschiene, als wäre sie aus Papier, und sein Schnabel hackte in meine Haut, zerrte an meinem Fleisch, zerrte und zerrte …

»Alwyn!«

Meine Hand schoss nach vorn, um den Schnabel zu packen, der an meinem Unterarm riss. Stattdessen bekam ich jedoch ein menschliches Handgelenk zu fassen. Ein überraschter Aufschrei ließ mich erwachen, das wirbelnde rote Wasser verschwand, und Ayins Gesicht tauchte vor mir auf, die mich verwirrt ansah. Einen Moment lang lag ich nur da und schaute ihr in die Augen. Die Winterkälte drang auf mich ein, und die vertrauten Geräusche und Gerüche eines Lagers bei Sonnenaufgang fluteten meine Sinne.

»Hast du wieder geträumt?«, fragte Ayin und blickte vielsagend auf meine Hand, die ihr Gelenk gepackt hielt.

»Entschuldige«, murmelte ich und ließ sie los. Ich rutschte auf dem Haufen aus Fellen und Stofffetzen herum, der mein Bett darstellte, und setzte mich auf, um mir mit der Hand durch das zerzauste Haar zu fahren. In meinem Kopf hämmerte derselbe Schmerz, der mich auch begrüßt hatte, als ich vor zwei Wochen aus der Ohnmacht erwacht war – ein Andenken an Sir Althus Levalle, den ehemaligen Großoffizier der Kompanie der Krone, dem niemand eine Träne nachweinte. Bei aller Kritik an seinem Charakter, die ich vorbringen könnte – die Stärke seines Arms steht außer Zweifel.

»Ich träume nicht mehr«, sagte Ayin. »Seit die Feldherrin mich gesegnet hat.«

»Das ist … gut«, erwiderte ich und schaute mich nach dem grünen Fläschchen um, das ich in letzter Zeit ständig bei mir trug.

»Du solltest dich auch von ihr segnen lassen«, fuhr Ayin fort. »Dann träumst du bestimmt nicht mehr. Wovon hast du denn geträumt?«

Von einem Mann, dem du vor gar nicht langer Zeit die Eier abgeschnitten hast. Ich schluckte die bissige Bemerkung hinunter. Ayin konnte manchmal etwas aufdringlich sein, eine derart harsche Erinnerung an ihr früheres Ich hatte sie aber nicht verdient. Wenn ich allerdings an das dachte, was sie dem Aszendenten in Farinsahl nach Evadines Verschleppung angetan hatte, war ich nicht sicher, ob sie von ihren...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2024
Übersetzer Sara Riffel
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Abenteuer • action • Andrzej Sapkowski • Anthony Ryan Deutsch • Assassin's Creed • Bestseller • Bücher wie Game of Thrones • Bücher wie The Witcher • Der Paria • epische Fantasy • Fantasy • Fantasy Reihe • George R. R. Martin • Gesetzlose • grim & gritty • Helden • High Fantasy • Joe Abercrombie • Krieger • Magie • Räuber • Schurken • spiegel bestseller • Spiegel Bestseller Autor • Trilogie
ISBN-10 3-608-12291-5 / 3608122915
ISBN-13 978-3-608-12291-6 / 9783608122916
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