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Am roten Strand (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
304 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30440-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Am roten Strand -  Jan Costin Wagner
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Ermittler, die Täter schützen müssen, vor denen ihnen graut, und die im Kampf gegen sich selbst zutiefst gefährdet sind. Gerade hat das Ermittlerteam um Ben Neven und Christian Sandner ein entführtes Kind befreien und einen der Täter fassen können. Allerdings läuft eine interne Untersuchung an, weil Ben dabei einen der Entführer erschossen hat - da wird klar, dass der Fall eine noch weit größere Dimension hat. Die Polizisten finden Hinweise, dass es ein ganzes Netzwerk von Tätern gibt, die sich gegenseitig im Internet austauschen - kurz danach wird einer von ihnen ermordet. Auch der Verdächtige in Untersuchungshaft stirbt auf rätselhafte Art und Weise. Irgendwann wird klar: nicht nur die Polizei, auch frühere Opfer sind wohl auf das Netzwerk gestoßen - und nehmen jetzt Rache. Die Ermittler finden sich in der paradoxen Situation wieder, dass sie einerseits gegen Verbrecher ermitteln, deren Taten in ihnen eine tiefe Verstörung auslösen - und dass sie diese Täter gleichzeitig vor einer unbekannten Bedrohung schützen müssen. Und ausgerechnet der Polizist, in dem viele seiner Kollegen einen Helden sehen, bewahrt ein Geheimnis, vor dem er sich selbst entsetzt ...

Jan Costin Wagner, Jahrgang 1972, lebt als Schriftsteller und Musiker bei Frankfurt am Main. Seine Romane um den finnischen Ermittler Kimmo Joentaa wurden von der Presse gefeiert, vielfach ausgezeichnet (u. a. Deutscher Krimipreis, Nominierung zum Los Angeles Times Book Prize) und in 14 Sprachen übersetzt. Tage des letzten Schnees und Das Licht in einem dunklen Haus wurden 2019 und 2022 vom ZDF u.a. mit Henry Hübchen und Bjarne Mädel verfilmt. Sommer bei Nacht erhielt den Radio Bremen Krimipreis, Am roten Strand ist nominiert für den Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Krimi. 

Jan Costin Wagner, Jahrgang 1972, lebt als Schriftsteller und Musiker bei Frankfurt am Main. Seine Romane um den finnischen Ermittler Kimmo Joentaa wurden von der Presse gefeiert, vielfach ausgezeichnet (u. a. Deutscher Krimipreis, Nominierung zum Los Angeles Times Book Prize) und in 14 Sprachen übersetzt. Tage des letzten Schnees und Das Licht in einem dunklen Haus wurden 2019 und 2022 vom ZDF u.a. mit Henry Hübchen und Bjarne Mädel verfilmt. Sommer bei Nacht erhielt den Radio Bremen Krimipreis, Am roten Strand ist nominiert für den Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Krimi. 

Inhaltsverzeichnis

Zwei


And the boy on the moon

said well I may just buy a cloud

and the girl on the sun she said

well I send you a light

Christian

Als Christian am Vorabend heimgekommen ist, hat Anne schon geschlafen, und jetzt schläft sie immer noch. Das ist gut, denkt er. Manchmal hat er den Eindruck, dass sie den Schlaf von Jahren nachholen muss. Dass sie schläft, um Hunderte durchwachter Nächte einzuholen.

Während er Kaffee kocht, nimmt er sich vor, sie zu fragen, ob er damit richtigliegt, aber dann kommt sie ihm zuvor, indem sie sagt, dass sie gut geträumt hat.

»Ja? Das ist schön«, sagt er.

»Ja«, sagt sie. Sie nimmt die Tasse, die er ihr anreicht. »Vor allem träume ich nicht mehr komisch. Nicht mehr … von schlechten Sachen.«

Christian schweigt.

»Rate mal, was ich geträumt habe«, sagt sie.

»Keine Ahnung«, sagt er.

»Du hast es ja nicht mal versucht.«

»Hm.«

»Von dir habe ich geträumt.«

Er sieht sie an.

»Und von mir. Von uns. Wir sind in Urlaub gefahren. Ans Meer.«

»Okay«, sagt Christian.

Sie lächelt. »War gut«, sagt sie.

Gut, denkt er. Und daran, wie schön es ist. Dass sie sich kennengelernt haben. Unter merkwürdigen Umständen. Wäre er nicht Pragmatiker, würde er es Schicksal nennen. Oder so ähnlich. Vielleicht.

Es ist schön, dass sie gut geschlafen hat, ohne Angst.

Dass sie eingeschlafen ist in der Hoffnung darauf, wieder zu erwachen.

Und dass sich diese Hoffnung tatsächlich bewahrheitet hat.

Ben

Am Morgen ist die Welt verengt. Reduziert auf den Blick durch einen Tunnel. Marlene isst Cornflakes, Svea hat ein weiteres Foto gesendet, sie steht vor einer roten Kirche in der Sonne, in Stockholm.

Ben fährt los, nachdem Marlene von ihrer Freundin Annabel abgeholt worden ist. Sie sind zu Annabel geradelt, wollen im Gartenpool planschen, er hat ihnen nachgesehen, bis sie mit dem Licht verschmolzen sind.

Er steuert sein erstes Ziel an, die Straßen sind fast unbefahren, Ferienzeit. Die Kleingartenanlage liegt, wie eine Kulisse, verlassen in der Landschaft. Jenseits der Absperrung stehen vereinzelte Schaulustige. Ben schlüpft wieder unter dem Absperrband hindurch, geht denselben Weg, den er gestern gegangen ist, nach unten, in den dunklen weißen Raum. Beiläufig grüßt er die beiden Kriminaltechniker, die bereits vor Ort sind.

Im Serverraum ist alles, wie es war. Die Beweismittel stehen an ihren Plätzen, durchnummeriert. Ben tritt an den Schreibtisch heran, legt den Speicherstick in das Kästchen zu den anderen. Er nimmt das Kästchen, geht nach oben, die Technikerin, die er gestern schon getroffen hat, kommt ihm entgegen. »Guten Morgen, Ben«, sagt sie.

»Morgen. Ich nehme das hier schon mal mit. Wir beginnen heute mit der Sichtung«, sagt er.

»Klar, mach das«, sagt sie.

Er nickt. Läuft vorüber. Passiert akkurat gepflegte Blumenbeete, auf dem Weg zum Wagen.

Dann gleitet er wieder voran. Wie auf einem Schiff, in ruhigem Fahrwasser, der einzige Passagier.

Er kommt an, stellt den Wagen in der weiten Parkfläche vor dem Polizeigebäude ab. Läuft zügig durch die Halle zum Aufzug. Er fährt nach oben, durchquert den grauen sonnengefluteten Flur.

»Hallo Ben«, ruft Lederer schon von Weitem.

»Hallo Mark«, erwidert er. Lederer, denkt er. Guter Mann, guter Polizist. Warum hat eigentlich Lederer keine Kinder? Keine Familie? Er weiß nicht viel über ihn, aber es heißt, Lederer sei alleinstehend.

»Malvi hat für zehn Uhr ein Meeting anberaumt. Er will euch über die Besondere Aufbauorganisation berichten, die zeitnah etabliert werden soll.«

Ben hebt den Blick.

»Die Ermittlergruppe wird innerhalb der kommenden Tage bundesweit auf fünfzig erweitert. Die Fäden sollen weiterhin hier bei uns zusammenlaufen«, sagt Lederer.

Bei uns. Fäden. Zusammenlaufen. »Das ist gut«, sagt Ben. »Sind die Sichtungsräume verfügbar? Ich will schon mal anfangen, Material aus der Gartenanlage zu prüfen.«

»Okay. Ich glaube, da ist noch keiner. Mach das«, sagt Lederer.

Ben nickt. Er weiß, dass Lederer diese eine Aufgabe von sich gewiesen hat. Er hat bei Malvi darum gebeten, von der Sichtung der Fotos und Videos befreit zu werden, und das auch im Kollegenkreis offen kommuniziert. Er könne das nicht, hat er gesagt. Er stoße da an Grenzen. Jetzt kann Ben eine Art Dankbarkeit in Lederers Augen sehen. Weil er, Ben, bereit ist, das Unerträgliche zu tun. Die eine polizeiliche Arbeit zu leisten, die Lederer nicht leisten kann.

»Mach das«, sagt Lederer noch einmal. Er lächelt, tatsächlich, dankbar. Dann wendet er sich ab, konzentriert sich auf den Bildschirm, auf dem die zentrale Intranet-Akte flimmert, die täglich größere Ausmaße annimmt und die immer noch nach dem kleinen Jungen benannt ist, der von Gerhardt und Holdner festgehalten wurde. Die Akte trägt den Namen »Fallkomplex Jannis«.

Ben läuft bis zum Ende der Bürofläche, dann einen Gang entlang und betritt einen der beiden Sichtungsräume. Er setzt sich, fährt den PC hoch, schließt den Speicherstick an. Als der Stick einrastet, ist er für Momente wie befreit. Er ist Ermittler. Leitender Ermittler. Er sichtet Material. Es ist nicht einfach. Selbst ein hochgeschätzter Kollege, Mark Lederer, kann diesen Teil der Ermittlungsarbeit nicht leisten. Deshalb muss er es tun.

Er denkt an Marlene, seine Tochter, die schwimmt, an Svea, seine Frau, die fliegt. Zurückkehren wird sie am Abend, aus Stockholm.

Ein Satz kristallisiert sich heraus, in seinen Gedanken, er beginnt, ihn abzutasten. Wort für Wort. Dann formuliert er ihn aus, in Gedanken, während das Menü des Speichersticks ihm »Jungs« und »Mädels« offeriert.

Ich bekämpfe … bekämpfe …

auf der Seite …

Er lehnt sich zurück, schließt die Augen.

Ich bekämpfe, auf der Seite der Guten, das Böse.

Josy

Josy hat den Beschützer gar nicht kontaktiert, aber er ist da. Hat sich aufgedrängt. Das ist merkwürdig. Dass er ungebeten gekommen ist. Normalerweise macht er nur seinen Job, einen wichtigen Job, er macht ihn gut. Aber jetzt ist er da, obwohl sie ihn gar nicht hierhaben will.

»Kann man trinken«, sagt er, nippt an dem heißen Tee, den sie ihm angeboten hat.

Pfefferminz, frisch, mit Honig.

Sie beäugen sich, misstrauisch, Worte flirren vorüber, sie schweigen.

Ben

Am späten Vormittag das Meeting im Konferenzraum. Malvi, der Leiter der Abteilung für Delikte am Menschen, ist schon da, als Ben den Raum betritt. Auch Christian ist da. Und eine Frau, die Ben kennt.

Er kneift die Augen zusammen. Spürt ein Stechen im Magen. Für Momente denkt er, dass er sich irrt, dass es eine Art Halluzination ist. Da steht nicht wirklich die Leiterin der internen Ermittlung, Maren Kramer, neben Malvi. Für Sekunden ist Ben sicher, dass es vorbei ist. Man hat ihn durchschaut. Alle wissen, was wirklich passiert ist. Dass er nicht Marko Gerhardt, den Entführer des kleinen Jungen, erschossen hat, sondern sich selbst. Den Teil seiner selbst, den es auszulöschen galt.

Dass es genau so gewesen ist, hat Ben nach und nach begriffen. Und etwas anderes hat er auch begriffen. Dass es nicht gelungen ist. Der Entführer ist tot, aber der andere, der in seinem eigenen Körper wohnt, ist noch da.

»Ich grüße euch«, sagt Malvi. »Ihr kennt ja Maren Kramer. Und ich denke, ihr stimmt mir zu, wenn ich sage, dass wir sie alle sehr schätzen. Sie hat mit dir, Ben, die Gespräche zum finalen Todesschuss auf Gerhardt geführt, und dadurch ist sie mit dem gesamten Fallkomplex bereits sehr vertraut.«

Ben hebt den Blick, findet Malvis Augen. Er kann nur Anerkennung sehen. Für Kramer, aber auch für ihn, Ben. Die Gespräche über den finalen Todesschuss auf Gerhardt, so nennt Malvi die interne Ermittlung gegen Ben. Das klingt nicht schlecht.

»Die interne Ermittlung ist abgeschlossen, mit dem Ergebnis, das wir alle vorausgesehen haben, nämlich dass Ben richtig gehandelt hat. Notwendig. Und ich möchte sagen: vorbildlich. Was ihr beide, lieber Ben, lieber Christian, in der Ermittlung geleistet habt, ist bemerkenswert. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um euch noch einmal aufrichtig dafür zu danken.«

»Nicht zu vergessen Mark«, sagt Christian.

Malvi sieht ihn fragend an.

»Mark Lederer. Er ist ungeheuer wichtig.«

Malvi nickt. »Das stimmt. Ich schließe ihn ausdrücklich mit ein, auch wenn er gerade nicht hier dabei ist. Ja … ihr fragt euch vielleicht, warum Frau Kramer heute hier ist. Ich bin der Meinung, dass wir die besten Kräfte zusammenziehen müssen, um diesen Fallkomplex, der täglich anwächst, zu bearbeiten. Und Frau Kramer war, wie ihr sicher wisst, lange in leitender Funktion bei der Bundespolizei tätig.« Er legt eine Pause ein. Ben beginnt, vorauszuahnen, was er als Nächstes sagen wird. »Deshalb habe ich den Kollegen vorgeschlagen, dass wir hier bei uns die Besondere Aufbauorganisation verorten, die die Ermittlung koordinieren wird. Ich habe dafür die Zusage bekommen, das heißt: Bei uns werden die Fäden dieser landesweiten Ermittlung zusammenlaufen, und die Leiter der BAO werdet ihr drei sein.« Malvi nickt ihnen nacheinander zu. Erst Ben, dann Christian, dann Maren Kramer.

»Klingt gut«, sagt Christian.

»Das denke ich auch«, sagt Malvi.

Ben nickt. Sprachlos. Er sucht Maren...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2022
Reihe/Serie Die Ben-Neven-Krimis
Die Ben-Neven-Reihe
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Ben Neven • Christian Sander • Entführung • Jan Costin Wagner • Kindesmissbrauch • Kindeswohl • Kriminalroman • Licht in einem dunklen Haus • literarischer Krimi • Pädophilie • Psychologischer Krimi • Rache • Sommer bei Nacht • Tage des letzten Schnees
ISBN-10 3-462-30440-2 / 3462304402
ISBN-13 978-3-462-30440-4 / 9783462304404
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