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Was im Verborgenen ruht (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
800 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-27379-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Was im Verborgenen ruht -  Elizabeth George
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Als die Polizistin Teo Bontempi nach einer schweren Verletzung nicht mehr aus dem Koma erwacht, weist alles auf einen Mordanschlag hin. Weil Teo zuletzt vor allem in der nigerianischen Gemeinde Nord-Londons ermittelte, beginnt Detective Superintendent Thomas Lynley auch genau dort mit der Suche nach dem Täter. Zusammen mit DS Barbara Havers taucht er in eine Welt ein, die nichts mit dem privilegierten britisch-bürgerlichen Leben, wie es Lynley bisher kannte, gemein zu haben scheint. Eine Welt, in der Schweigen und Unverständnis mehr als sonst ihre Arbeit behindern. Zumal auch Teo selbst nicht nur ein Geheimnis zu verbergen hatte ...

Akribische Recherche, präziser Spannungsaufbau und höchste psychologische Raffinesse zeichnen die Bücher der Amerikanerin Elizabeth George aus. Ihre Fälle sind stets detailgenaue Porträts unserer Zeit und Gesellschaft. Elizabeth George, die lange an der Universität »Creative Writing« lehrte, lebt heute in Seattle im Bundesstaat Washington, USA. Ihre Bücher sind allesamt internationale Bestseller, die sofort nach Erscheinen nicht nur die Spitzenplätze der deutschen Verkaufscharts erklimmen. Ihre Lynley-Havers-Romane wurden von der BBC verfilmt und auch im deutschen Fernsehen mit großem Erfolg ausgestrahlt.

25. Juli


_________________

THE MOTHERS SQUARE
LOWER CLAPTON
NORTH-EAST LONDON


Mark Phinney wurde von der Stimme seiner Frau geweckt. Sie murmelte im Schlaf Liebling, mein Liebling, und ihre Worte hatten einen Traum entfacht: ihr endlich wieder williger Körper unter ihm und er so erregt, dass es schmerzte. Aber als er aus dem Traum erwachte, wurde ihm klar, dass der Schmerz nur von seiner Morgenlatte kam und dass Petes Worte aus dem Babyfon krächzten und Lilybet galten, die sie im Nebenzimmer beruhigte. Während Mark sich unter dem dünnen Laken auf die Seite drehte – die dünne Decke hatten sie im Lauf der Nacht wegen der Hitze weggestrampelt –, begann Pete leise zu singen. Pete hatte ein Talent dafür, aus allem ein Lied zu machen. Sie sang nie zweimal dieselbe Melodie, und Reime schüttelte sie einfach so aus dem Ärmel.

An den Hintergrundgeräuschen erkannte Mark, was Pete beim Singen tat: Sie wechselte Lilybets Sauerstoffflasche, wie immer vor dem Wickeln. Er wartete, bis das Wickellied ertönte, dann schlug er das Laken zurück und sprang aus dem Bett, während Pete fröhlich sang: »Oje, das stinkt ja fürchterlich, was mir da in die Nase sticht! O weh, o weh …«

Mark musste lächeln. Wie sehr er seine Frau doch bewunderte. Ihre Liebe zu Lilybet hatte in all den zehn Jahren, seit ihre Tochter auf der Welt war, nicht nachgelassen. Sie kümmerte sich liebevoll um das Mädchen und bemühte sich unermüdlich darum, ihr ein besseres Leben zu ermöglichen als das, wozu die Katastrophe bei ihrer Geburt sie verdammt hatte. Seine eigene Zuneigung zu dem Kind hielt sich in Grenzen, und das machte ihn todtraurig.

Sein Handy bimmelte auf dem Nachttisch. Eine Nachricht von Paulie: Heute Abend Bier, Boyk? Er konnte sich schon denken, was Paulie mit Bier meinte. Er antwortete: Werde hier gebraucht. Trotzdem danke. Paulie antwortete mit einem Emoji, das den Daumen hochreckte.

Mark betrachtete das Display zu lange. Wenn er das Handy zurück auf den Nachttisch gelegt hätte, wäre nichts passiert, das sollte ihm später klarwerden. Dann wäre nicht ein Gedanke auf den anderen gefolgt, und dann wäre er nicht in Versuchung geraten. Aber er war nicht schnell genug. Beides war sofort da: der Gedanke und die Versuchung. Er scrollte durch seine Kontakte bis zu den drei Nummern, die ohne Namen gespeichert waren. An eine Nummer schickte er eine Nachricht: Denk an dich.

Er wartete auf eine Antwort. Fragte sich, ob es noch zu früh am Tag war. Aber eine Minute später bimmelte sein Handy. Auf dem Display erschien ein Link. Er klickte ihn an, und im nächsten Augenblick ertönte ihr Song. Zugleich wusste er, dass es völlig bescheuert war, etwas zu haben, das sie »unseren Song« nannten. Andererseits war der Refrain des Stücks mehr als passend: »And I never want to fall in love … with you«, gesungen von einer so tiefen, sanften Stimme, dass es eher wie eine Meditation klang.

Mark verstand, warum sie ihm den Link schickte. Sie sehnte sich genauso nach ihm, wie er sich nach ihr sehnte, und ihrer beider Qual drückte die absolute Unmöglichkeit ihrer Situation aus. Mit geschlossenen Augen hielt er sich das Handy ans Ohr und lauschte der Musik.

Während er noch überlegte, wie er antworten sollte, fragte Pietra, die ins Schlafzimmer gekommen war: »Ist es was Dienstliches?«

Er fuhr herum und sah, dass sie schon eine ganze Weile auf sein musste, denn sie war bereits komplett angezogen: Jeans, Turnschuhe, keine Strümpfe, weißes T-Shirt. Ihre Uniform, wie er es im Stillen nannte, und sie änderte sich nur, wenn das Wetter kühler wurde. Dann tauschte sie das weiße T-Shirt gegen eine weiße Bluse, die sie gewöhnlich mit hochgekrempelten Ärmeln trug. Wenn er ihr sagte, sie solle sich doch mal was Neues zum Anziehen kaufen, antwortete sie jedes Mal: »Schatz, ich brauche nichts anderes.« Was im Prinzip stimmte, da sie fast nie die Wohnung verließ, und wenn sie es doch tat, dann meistens mit Lilybet in ihrem schweren Rollstuhl und dem Notfall-Sauerstoffbeutel an einem Halter hinter ihr. Wenn er vorschlug, mal auswärts essen oder ins Kino zu gehen, nur sie beide – schließlich konnte Greer doch mal ein paar Stunden nach Lilybet sehen, oder? –, antwortete sie jedes Mal: »Ich bitte sie so ungern, Schatz. Sie macht schon so viel.«

Als Pete, die immer noch in der Tür stand, noch einmal fragte: »Mark? Ist es was Dienstliches?«, merkte er, dass er ihr beim ersten Mal nicht geantwortet hatte.

Er sagte: »Besprechung in Westminster«, was sogar stimmte. Dann fügte er hinzu: »Jemand meinte, mich daran erinnern zu müssen.«

Sie lächelte ihn liebevoll an. »Die kennen dich wohl schlecht, was?«

Als sie sich zum Gehen wandte, sah er, dass sie sich das T-Shirt mit Lilybets Kacke bekleckert hatte. Er sagte ihren Namen und deutete mit dem Kinn auf den Fleck. Sie schaute an sich hinunter und rief aus: »Gott, wie eklig!« Dann lachte sie und lief ins Bad, um den Fleck auszuwaschen.

Er hörte Lilybet über das Babyfon. Offenbar hantierte sie mit dem Handy, das über ihrem Pflegebett hing. Im nächsten Augenblick begann der Fernseher zu dröhnen. Lilybet schrie auf. »Ich sehe nach ihr!«, rief er, zog sich schnell die Hose an und ging ins Kinderzimmer.

Im Zimmer roch es unangenehm, und er öffnete das Fenster, das auf den Mothers Square hinausging, einen ovalen Platz, der, auch wenn er längst nicht so prachtvoll war, an den Royal Crescent in Bath erinnerte. Eins von den unter den Pergolas auf dem Platz geparkten Autos wurde angelassen, und im selben Augenblick kam Mrs Neville aus dem Haus gerannt und wedelte mit der Butterbrottüte ihres Mannes. Sie lief zum Auto, reichte ihrem Mann das Pausenbrot durchs Fenster und hastete, das Nachthemd am Hals zusammenhaltend, zurück ins Haus.

Mark wandte sich vom Fenster ab. Zwischen dem Pflegebett, dem klobigen Rollstuhl, den Sauerstoffbehältern, der Kommode und dem alten Sessel seines Vaters konnte man sich in dem Zimmer kaum bewegen. Außerdem waren da noch der Stapel Windelkartons, der Mülleimer für gebrauchte Windeln und all das andere Zeug, das man so brauchte, wenn man ein Baby hatte. Nur dass Lilybet kein Baby war, sondern ein Kind, das immer nur größer wurde und die einzige Konstante im Leben ihrer Eltern darstellte. Sie konnte sehen und hören, aber nicht sprechen. Sie konnte ihre Beine bewegen, aber nicht gehen. Mark hatte keine Ahnung, ob sie ihn verstand, wenn er mit ihr sprach.

Sie brabbelte etwas, als er sich dem Bett näherte. Er beugte sich über sie, wischte ihr mit einem feuchten Lappen über das Gesicht und fragte: »Hoch?« Sie gurgelte. Er klappte die Rückenlehne hoch und sagte: »Na, was hast du denn heute vor, Kleines? Eine Geburtstagsparty? Einen Zoobesuch? Einen Besuch im Wachsfigurenkabinett? Geht mein Mädchen heute in die Bibliothek? Oder will es sich vielleicht lieber ein Kleid für die nächste Party kaufen? Mädchen in deinem Alter gehen doch auf Geburtstagspartys. Wurdest du schon mal zu einer eingeladen? Wen möchtest du zu deiner Party einladen? Esme? Esme kommt bestimmt gern.«

Als Antwort kam ein Gurren. Er schob ihr das dünne Haar hinter die Ohren und gab sich einen Moment lang dem Gedanken Was wäre wenn hin. Das war wesentlich angenehmer, als sich die schreckliche Frage zu stellen: Wie soll das bloß weitergehen?

»Das alles tut mir so leid«, sagte Pete. Sie stand in der Zimmertür und drückte ein Handtuch auf die Stelle an ihrem T-Shirt, wo sie die Kacke ausgewaschen hatte.

Er wandte sich von seiner Tochter ab. Am Gesichtsausdruck seiner Frau erkannte er, dass sie alles gehört hatte. »Es ist niemandes Schuld«, sagte er.

»Aber sie ist kein ›Es‹«, sagte Pete. »Jedenfalls nicht für mich.«

Er richtete sich auf. »Du weißt, dass ich damit nicht Lilybet gemeint habe.«

Sie betrachtete ihre Tochter, dann schaute sie ihn wieder an. »Ja. Ich weiß«, sagte sie. Sie ließ ihre Hand sinken, und ihre Schultern sackten herab. »Tut mir leid. Manchmal hab ich einfach den Drang, irgendwas Gemeines zu sagen. Ich weiß auch nicht, wo das herkommt.«

»Du hast es einfach schwer. Das hast du nicht verdient.«

»Nein, du hast das nicht verdient. Ich bin nicht mehr die, die du mal geliebt hast.«

»Das stimmt nicht«, widersprach er, obwohl sie beide wussten, dass es die Wahrheit war. »Wir haben ein schweres Los zu tragen, Pete. So ist das nun mal. Niemand ist schuld daran.«

»Ich würde dir nicht mal Vorwürfe machen, wenn du daran schuld wärst.« Sie kam ins Zimmer. Als sie neben ihn an das Pflegebett trat, umklammerte sie die obere Strebe des Seitengitters. Sie betrachtete ihre gemeinsame Tochter. Lilybet schien sie beide zu mustern, obwohl ihr Blick nicht fokussiert wirkte. Mark fragte sich im Stillen, was sie wohl sah. Pete sagte: »Wir fallen dir alle beide zur Last.«

Das sagte sie immer wieder. Er hätte alles Mögliche darauf entgegnen können, aber sie wollte immer nur dasselbe hören. Er sagte: »Ich könnte ohne euch beide nicht leben, und damit basta. Hast du schon gefrühstückt?«

»Nein.«

»Wollen wir zusammen frühstücken?«

Automatisch wanderte ihr Blick zu ihrer Tochter. Er unterdrückte seinen Unmut und sagte: »Sie kann auch mal eine Viertelstunde allein sein, Pete. Nachts ist sie länger allein.« Aber nicht viel, dachte er. Pete stand nachts alle naselang auf, um nach ihr zu sehen, immer in der Angst, das Sauerstoffgerät könnte ausfallen, während sie schlief. Dabei hatte das Gerät ein eingebautes Alarmsignal, das sofort losgehen würde, wenn Lilybet aufhörte zu...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2022
Reihe/Serie Ein Inspector-Lynley-Roman
Übersetzer Charlotte Breuer
Sprache deutsch
Original-Titel Something to Hide
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • Bestseller • Detective Superintendent Thomas Lynley • DS Barbara Havers • eBooks • gebundenes Buch • Genitalverstümmelung • Hardcover • Jahresbestseller 2022 • Krimi • Kriminalromane • Krimi-Reihe • Krimis • London • Neuer Band der Reihe • Neuerscheinung • Neuerscheinung Krimi Thriller • nigerianische Community in London • Reihe • spannende Bücher • Thriller
ISBN-10 3-641-27379-X / 364127379X
ISBN-13 978-3-641-27379-8 / 9783641273798
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