Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Verweigerung (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
397 Seiten
Eichborn AG (Verlag)
978-3-7325-9508-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verweigerung -  Graham Moore
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
(CHF 9,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen


Graham Moore, Jahrgang 1981, arbeitet als Drehbuchautor und Schriftsteller. 2015 gewann er den Oscar für das beste Drehbuch; "The Imitation Game" wurde mit Benedict Cumberbatch und Keira Knightley verfilmt und von der internationalen Kritik gefeiert. Bei Eichborn erschienen seine beiden ersten Romane "Der Mann, der Sherlock Holmes tötete" und "Die letzten Tage der Nacht". Graham Moore lebt in Los Angeles.

Graham Moore, Jahrgang 1981, arbeitet als Drehbuchautor und Schriftsteller. 2015 gewann er den Oscar für das beste Drehbuch; "The Imitation Game" wurde mit Benedict Cumberbatch und Keira Knightley verfilmt und von der internationalen Kritik gefeiert. Bei Eichborn erschienen seine beiden ersten Romane "Der Mann, der Sherlock Holmes tötete" und "Die letzten Tage der Nacht". Graham Moore lebt in Los Angeles.

Kapitel 1


ZEHN JAHRE IN L. A.


Heute


Maya Seale zog zwei Fotografien aus ihrer Aktentasche, hielt sie aber noch verdeckt in der Hand. Jetzt würde es nur aufs richtige Timing ankommen.

»Miss Seale?« Die Stimme des Richters klang ungeduldig. »Wir warten.«

Belen Vasquez, Mayas Mandantin, war von Elian, ihrem Ehemann, schwer misshandelt worden. Es gab ausführliche Dokumentationen aus der Notaufnahme, die dies bewiesen. Vor einigen Monaten dann war Belen eines Morgens durchgedreht. Sie hatte ihren Ehemann im Schlaf erstochen und seinen Kopf mit einer Gartenschere abgetrennt. Anschließend war sie den ganzen Tag in ihrem grünen Hyundai Elantra in der Gegend herumgefahren – mit dem Kopf auf dem Armaturenbrett. Entweder hatte es niemand bemerkt oder niemand wollte in die Sache hineingezogen werden. Schließlich hatte ein Polizist sie angehalten, weil sie eine rote Ampel überfahren hatte, und es war ihr gerade noch gelungen, den Kopf ins Handschuhfach zu stopfen.

Die gute Nachricht war, wenigstens für Maya, dass die Staatsanwaltschaft nur über einen einzigen greifbaren Sachbeweis verfügte, den sie gegen Belen verwenden konnte. Die schlechte Nachricht: Bei diesem Sachbeweis handelte es sich um einen Kopf.

»Ich bin so weit, Euer Ehren.« Maya legte ihre Hand ermutigend auf die Schulter ihrer Mandantin. Dann ging sie langsam zum Zeugenstand hinüber, wo Officer Jason Shaw wartete – den Orden für besondere Verdienste gut sichtbar am Revers seiner blauen LAPD-Uniform.

»Officer Shaw«, sagte sie, »was passierte, nachdem Sie den Wagen von Mrs Vasquez angehalten hatten?«

»Na ja, Ma’am, wie ich schon gesagt habe, mein Partner blieb hinter dem Fahrzeug von Mrs Vasquez, und ich bin nach vorn zu ihrem Fahrerfenster.«

Er war also einer der Polizisten, die die »Ma’am«-Nummer abzogen. Maya hasste das. Nicht, weil sie sechsunddreißig war, was, wie sie zugeben musste, das »Ma’am« vermutlich rechtfertigte, sondern weil es so ein offenkundiger Versuch war, sie überheblich und verstockt wirken zu lassen.

Sie strich sich die kurzen dunklen Haare hinters Ohr. »Und haben Sie, als Sie sich dem Wagenfenster näherten, Mrs Vasquez auf dem Fahrersitz sitzen sehen?«

»Ja, Ma’am.«

»Haben Sie sie nach ihrem Führerschein und den Fahrzeugpapieren gefragt?«

»Ja, Ma’am.«

»Hat sie Ihnen beides gegeben?«

»Ja, Ma’am.«

»Haben Sie sie noch etwas anderes gefragt?«

»Ich habe sie gefragt, warum sie Blut an den Händen hatte.« Officer Shaw hielt kurz inne, dann setzte er hinzu: »Ma’am.«

»Und was hat Ihnen Mrs Vasquez darauf geantwortet?«

»Sie sagte, sie hätte sich bei Küchenarbeiten in die Hand geschnitten.«

»Und hat sie diese Aussage irgendwie stützen können?«

»Ja, Ma’am. Sie hat mir den Verband an ihrer rechten Handfläche gezeigt.«

»Haben Sie sie noch etwas gefragt?«

»Ich habe sie gebeten, ihren Wagen zu verlassen.«

»Warum?«

»Weil sie Blut an den Händen hatte.«

»Aber hatte sie Ihnen nicht eine vollkommen vernünftige Erklärung für diesen Umstand genannt?«

»Ich wollte der Sache weiter nachgehen.«

»Aber warum hatten Sie den Eindruck, dieser Sache weiter nachgehen zu müssen«, fragte Maya, »wenn Mrs Vasquez Ihnen doch eine vernünftige Erklärung gegeben hatte?«

Shaw sah sie an, als wäre sie eine Pausenaufsicht, die ihn wegen einer reinen Lappalie zum Schuldirektor schickte.

»Intuition«, sagte er.

In diesem Augenblick tat Maya der arme Kerl regelrecht leid. Offenbar hatte ihn der Staatsanwalt nicht gut vorbereitet.

»Entschuldigen Sie, Officer, aber können Sie mir diese Intuition bitte etwas genauer beschreiben?«

»Vielleicht hatte ich schon etwas von dem Kopf gesehen.« Er ritt sich immer weiter rein.

»Vielleicht«, wiederholte Maya langsam, »hatten Sie schon etwas von dem Kopf gesehen?«

»Es war dunkel«, gab Shaw zu. »Aber vielleicht hatte ich unterbewusst die Haare wahrgenommen – ich meine die Haare auf dem Kopf – die aus dem Handschuhfach ragten.«

Sie warf dem Staatsanwalt einen Blick zu. Stumm kraulte er sich seinen weißen Bart, während Shaw im Alleingang die gesamte Anklage in die Luft gehen ließ.

Zeit für die Fotografien.

Maya hielt in jeder Hand eine und hob sie in die Höhe. Die beiden Fotos zeigten, aus verschiedenen Blickwinkeln, den in ein Handschuhfach gestopften Kopf eines Mannes. Elian Vasquez’ Haare waren auf wenige Millimeter abrasiert gewesen, außerdem sah man seinen struppigen, mit Blut verklebten Schnurrbart. Auf seiner Wange zeichnete sich ein scharlachroter Streifen ab. Der Kopf war eindeutig an einem anderen Ort ausgeblutet und erst später in das Handschuhfach verfrachtet worden, auf das abgegriffene Betriebshandbuch und die alten Zulassungspapiere.

»Officer, haben Sie in der fraglichen Nacht diese Aufnahmen gemacht?« Sie reichte ihm die Fotos.

»Das habe ich, Ma’am.«

»Zeigen diese Fotografien nicht, dass der Kopf vollständig im Handschuhfach gelegen hat?«

»Der Kopf liegt im Handschuhfach, Ma’am.«

»War das Handschuhfach geschlossen, als Sie Mrs Vasquez aufforderten, aus dem Wagen auszusteigen?«

»Ja, Ma’am.«

»Wie ist es dann möglich, dass Sie vielleicht irgendwelche Haare gesehen haben, wenn der Kopf vollständig im geschlossenen Handschuhfach gelegen hat?«

»Ich weiß nicht, aber ich meine, wir haben ihn ja gefunden, als wir den Wagen durchsucht haben. Sie können mir nicht sagen, dass er nicht da drin war, denn das war er.«

»Ich frage Sie, warum Sie den Wagen überhaupt durchsucht haben.«

»Sie hatte Blut an den Händen.«

»Haben Sie mir nicht gerade gesagt, dass Sie vielleicht Haare gesehen haben, die aus dem Handschuhfach ragten? Der Protokollführer kann Ihnen Ihre Aussage gerne noch mal vorlesen.«

»Nein, ich meine … da war Blut. Vielleicht habe ich irgendwelche Haare gesehen. Ich weiß es nicht. Intuition, hab ich doch gesagt.«

Maya hatte sich dicht vor dem Zeugenstand positioniert. »Was war denn nun der Grund, Officer? Haben Sie die Durchsuchung von Mrs Vasquez’ Wagen vorgenommen, weil Sie ein Stück eines abgetrennten Kopfes gesehen haben – was tatsächlich gar nicht möglich war – oder haben Sie die Durchsuchung vorgenommen, weil Mrs Vasquez Blut an den Händen hatte, wofür es eine vollkommen harmlose Erklärung gab?«

Shaw brütete wütend vor sich hin, versuchte, eine akzeptable Antwort zu finden. Ihm war klargeworden, dass er alles verbockt hatte.

Maya warf dem Staatsanwalt einen weiteren Blick zu. Inzwischen rieb er sich die Schläfen. Er sah aus, als hätte er Migräne.

Der Staatsanwalt unternahm einen heroischen Versuch, Shaw dazu zu bringen, sich auf eine seiner beiden Geschichten festzulegen, aber das Kind war längst in den Brunnen gefallen. Der Richter wies beide Parteien an, bis zum kommenden Montag schriftliche Stellungnahmen einzureichen, bis dahin würde er eine endgültige Entscheidung über ein Beweisverwertungsverbot des abgetrennten Kopfes erlassen.

Maya setzte sich neben ihre Mandantin und flüsterte ihr zu, die Befragung sei sehr gut verlaufen. Belen murmelte: »Okay«, vermied aber Augenkontakt. Sie war noch nicht in Feierlaune, und Maya wusste ihren Pessimismus zu schätzen.

Der Gerichtsdiener führte Belen aus dem Saal, zurück in ihre Zelle. Dann rief ein Saaldiener die nächste Anhörung auf.

Der Staatsanwalt schlängelte sich zu ihr herüber. »Wenn Sie den Kopf aus dem Verfahren bekommen, lasse ich mich auf fahrlässige Tötung ein.«

Maya stieß einen spöttischen Laut aus. »Wenn Ihnen der Kopf durch die Lappen geht, verlieren Sie auch die Leiche in der Küche und die Gartenschere im Schrank. Sie werden keinen noch so winzigen Sachbeweis mehr haben, um meine Mandantin mit dem Tod ihres Mannes in Verbindung zu bringen.«

»Ihres Mannes, den sie umgebracht hat.«

»Haben Sie die Unterlagen aus der Notaufnahme gesehen? Die gebrochenen Rippen? Den gebrochenen Kiefer?«

»Wenn Sie auf Selbstverteidigung gehen wollen – meinetwegen gern. Wenn Sie argumentieren wollen, ihr Ehemann hätte seinen Tod verdient, können Sie die Geschworenen womöglich für sich gewinnen. Aber den Kopf zurückhalten? Ist das Ihr Ernst?«

»Sie wird nicht in Haft gehen. Das ist nicht verhandelbar. Heute können wir uns gern auf gefährliche Körperverletzung einigen, das wäre mit der Untersuchungshaft abgegolten. Oder Sie versuchen nächste Woche Ihr Glück, wenn das Gericht seine Entscheidung getroffen hat.« Maya nickte dem Richter zu. »Wie, glauben Sie, wird die wohl ausfallen?«

Der Staatsanwalt murmelte in seinen Bart, er bräuchte die Unterschrift seines Vorgesetzten, dann schlich er davon. Maya schob die Fotografien zurück in ihre Aktentasche und ließ mit einem befriedigenden Klicken den Verschluss zuschnappen.

Der Flur draußen war überfüllt, und Dutzende Gespräche hallten von der gewölbten Decke wider. Gerichtsgebäude zählten zu den letzten Orten, an denen alle Teile der Gesellschaft auf Tuchfühlung miteinander gingen. Die Reichen, die Armen, die Alten, die Jungen, Menschen jeder Hautfarbe und jeden ethnischen Hintergrunds aus Los Angeles überquerten diese Marmorböden. Sie beeilte sich, zu ihrem Büro zurückzukommen, und genoss kurz, Teil dieses demokratischen Gedränges zu...

Erscheint lt. Verlag 21.12.2020
Übersetzer André Mumot
Sprache deutsch
Original-Titel The Holdout
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Anwalt • Anwältin • Gericht • Geschworene • Grisham • John Grisham • Jury • Kalifornien • literarische Unterhaltung • Los Angeles • Mord • Prozess • Richter • Richterin • Sonstige Belletristik • Todesstrafe • Urteil • USA • Verfolgungsjagd • Verteidiger • Verteidigerin
ISBN-10 3-7325-9508-0 / 3732595080
ISBN-13 978-3-7325-9508-2 / 9783732595082
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Ohne DRM)

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
CHF 9,75
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
CHF 9,75
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
CHF 9,75