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Die verschwundene Schwester (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
832 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-20196-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die verschwundene Schwester -  Lucinda Riley
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Sieben Sterne umfasst das Sternbild der Plejaden, und die Schwestern d'Aplièse tragen ihre Namen. Stets war ihre siebte Schwester aber ein Rätsel für sie, denn Merope ist verschwunden, seit sie denken können. Eines Tages überbringt der Anwalt der Familie die verblüffende Nachricht, dass er eine Spur entdeckt hat: Ein Weingut in Neuseeland und die Zeichnung eines sternförmigen Rings weisen den Weg. Allerdings kann nur eine Frau, Mary, Antworten geben - und sie ist auf einer Reise um die Welt. Es beginnt eine Jagd quer über den Globus, doch es scheint, als wolle Mary um jeden Preis verhindern, gefunden zu werden...

Lucinda Riley wurde in Irland geboren und verbrachte als Kind mehrere Jahre in Fernost. Sie liebte es zu reisen und war nach wie vor den Orten ihrer Kindheit sehr verbunden. Nach einer Karriere als Theater- und Fernsehschauspielerin konzentrierte sich Lucinda Riley ganz auf das Schreiben - und das mit sensationellem Erfolg: Seit ihrem gefeierten Roman »Das Orchideenhaus« stand jedes ihrer Bücher an der Spitze der internationalen Bestsellerlisten, allein die Romane der »Sieben-Schwestern«-Serie wurden weltweit bisher 30 Millionen Mal verkauft. Lucinda Riley lebte mit ihrem Mann und ihren vier Kindern im englischen Norfolk und in West Cork, Irland. Sie verstarb im Juni 2021.

I


Nie werde ich vergessen, wo ich war und was ich tat, als ich meinen Vater sterben sah. Ich stand an ziemlich genau derselben Stelle wie jetzt, die Arme auf das Holzgeländer der Veranda um unser Haus gestützt, und schaute den Erntehelfern zu, wie sie sich zwischen den Reihen der Rebstöcke vorarbeiteten, an denen schwer die reifen Trauben hingen. Gerade als ich mich zu ihnen gesellen wollte, nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, wie mein Vater, ein Schrank von einem Mann, urplötzlich aus meinem Blickfeld verschwand. Zuerst dachte ich, er hätte sich hingekniet, um heruntergefallene Trauben aufzuheben – er hasste jegliche Art von Verschwendung, was er auf die streng presbyterianische Einstellung seiner schottischen Eltern zurückführte –, da stürzten Helfer aus den Reihen neben der seinen zu ihm. Von der Veranda aus waren es gute hundert Meter. Ich rannte hinüber. Als ich ihn erreichte, hatte ihm schon jemand das Hemd aufgerissen und versuchte, ihn wiederzubeleben, indem er mit aller Kraft die Hände auf seinen Brustkorb presste und ihn von Mund zu Mund beatmete, während ein anderer die Notrufnummer wählte. Der Krankenwagen kam zwanzig Minuten später.

Wie er so mit wächserner Gesichtsfarbe auf der Tragbahre lag, wurde mir klar, dass ich seine tiefe, sonore Stimme, die immer so ernst klang, jedoch auch von der einen Sekunde auf die andere in ein raues, kehliges Lachen übergehen konnte, nie wieder hören würde. Tränenüberströmt küsste ich sanft seine wettergegerbte Wange, sagte ihm, dass ich ihn liebe, und verabschiedete mich von ihm. Im Nachhinein betrachtet wirkte das ganze schreckliche Ereignis, die Verwandlung eines vor Leben strotzenden Menschen in eine kraftlose, leere Körperhülle surreal und letztlich unbegreiflich.

Nachdem Dad monatelang unter Schmerzen in der Brust gelitten hatte, die er als Sodbrennen abtat, war es uns endlich gelungen, ihn zu einem Arztbesuch zu bewegen. Der hatte ihm mitgeteilt, seine Cholesterinwerte seien zu hoch, er müsse Diät halten. Meine Mutter und ich wären fast verzweifelt, weil er weiterhin aß, worauf er Appetit hatte, und dazu jeden Abend eine Flasche Rotwein aus seinem eigenen Weingut leerte. Eigentlich hätte es uns also nicht überraschen dürfen, als schließlich das Schlimmste passierte. Vielleicht hatten wir ihn aufgrund seiner starken Persönlichkeit und Jovialität für unsterblich gehalten, aber wie meine Mutter so richtig bemerkte, bestehen wir am Ende doch alle nur aus Fleisch und Knochen. Wenigstens hatte er bis ganz zum Schluss so gelebt, wie er wollte. Außerdem war er immerhin dreiundsiebzig gewesen, eine Tatsache, die ich aufgrund seiner Körperkraft und Lebenslust gern vergaß.

Ja, ich fühlte mich betrogen. Schließlich war ich erst zweiundzwanzig. Obwohl ich wusste, dass ich spät in das Leben meiner Eltern getreten war, begriff ich, was das bedeutete, erst bei Dads Tod. In den Monaten, die er mittlerweile nicht mehr unter uns weilte, hatte ich Wut über diese Ungerechtigkeit empfunden; warum war ich nicht früher zur Welt gekommen? Mein großer Bruder Jack hatte mit seinen zweiunddreißig zehn Jahre mehr mit unserem Dad verbringen dürfen als ich.

Mum schien meinen Zorn zu spüren, auch wenn ich nie offen mit ihr darüber sprach. Genau deswegen plagten mich Schuldgefühle, weil sie ja nichts dafür konnte. Ich liebte sie von ganzem Herzen. Wir standen uns seit jeher sehr nahe, und sie trauerte ebenfalls, das sah ich. Weil wir uns bemühten, einander zu trösten, gelang es uns irgendwie, dieses tiefe Tal der Tränen zu durchschreiten.

Jack, der den Löwenanteil seiner Zeit damit verbrachte, sich durch den Bürokratieberg nach Dads Tod zu wühlen, war uns eine große Stütze. Er musste nun die Leitung von The Vinery übernehmen, dem Weingut, das Mum und Dad aus dem Nichts aufgebaut hatten. Wenigstens hatte Dad ihn gut darauf vorbereitet.

Dad hatte Jack von Kindesbeinen an mitgenommen, wenn er im Reigen der Jahreszeiten seine kostbaren Rebstöcke hätschelte, die je nach Wetterlage irgendwann zwischen Februar und April die Trauben hervorbrachten, aus denen man einen köstlichen, seit Kurzem sogar preisgekrönten Pinot noir kelterte und lagerte, um ihn in Neuseeland und Australien zu verkaufen. Er hatte Jack jeden einzelnen Schritt gezeigt, sodass dieser schon mit zwölf Jahren die Helfer hätte anleiten können.

Mit sechzehn hatte Jack dann offiziell verkündet, er wolle in die Fußstapfen von Dad treten und eines Tages The Vinery leiten, was Dad natürlich sehr freute. Jack hatte Betriebswirtschaft studiert und anschließend begonnen, Vollzeit im Weinberg zu arbeiten.

»Es gibt nichts Schöneres, als ein intaktes Erbe zu hinterlassen«, hatte Dad zu Jack nach dessen sechsmonatigem Aufenthalt auf einem Weingut in den australischen Adelaide Hills gesagt und bei einer Flasche Wein erklärt, nun sei er bereit.

»Vielleicht möchtest du ja eines Tages auch ins Familienunternehmen einsteigen, Mary-Kate. Trinken wir darauf, dass es noch in Hunderten von Jahren McDougals auf diesem Weingut geben wird!«

Während Jack Dads Traum teilte, geschah bei mir genau das Gegenteil. Möglicherweise lag es daran, dass Jack so aufrichtig vom Anbau hervorragender Weine begeistert war. Er roch nicht nur mit seiner feinen Nase faule Trauben aus einem Kilometer Entfernung, sondern war obendrein ein ausgezeichneter Geschäftsmann. Ich hingegen sah, während ich vom Mädchen zur jungen Frau heranwuchs, lediglich zu, wie Dad und Jack zwischen den Rebstöcken patrouillierten und im »Labor« arbeiteten (so nannten sie liebevoll einen großen Schuppen mit Blechdach). Mich interessierten andere Dinge. Mittlerweile war The Vinery für mich etwas, das nichts mit mir und meiner Zukunft zu tun hatte. Trotzdem half ich in den Schul- und Uniferien in unserem kleinen Laden mit oder ging meinen Eltern und Jack zur Hand, wo ich gebraucht wurde, auch wenn Wein einfach nicht meine Leidenschaft war. Obwohl Dad enttäuscht gewirkt hatte, als ich ihm mitteilte, ich werde Musik studieren, war es ihm gelungen, Verständnis für mich aufzubringen.

»Das freut mich für dich«, hatte er gesagt und mich umarmt. »Aber Musik ist ein weites Feld, Mary-Kate. Wohin genau soll die Reise gehen?«

Verlegen hatte ich ihm gestanden, dass ich eines Tages als Sängerin meine eigenen Songs schreiben wolle.

»Das ist ein höllisch großer Traum, und zu seiner Verwirklichung kann ich dir nur viel Glück wünschen. Auf deine Mum und mich wirst du immer zählen können, das ist dir klar, oder?«

»Wie schön, Mary-Kate«, hatte Mum ihm beigepflichtet. »Sich durch Gesang ausdrücken zu können, ist etwas Wunderbares.«

Ich hatte tatsächlich Musik studiert, und zwar an der hoch angesehenen University of Wellington. Ein modernes Aufnahmestudio für meine Songs zur Verfügung zu haben und mich mit anderen Studenten austauschen zu können, die meine Liebe teilten, war einfach unglaublich. Ich trat im Duo mit Fletch auf, einem engen Freund, der Rhythmusgitarre spielte und dessen Singstimme gut mit der meinen harmonierte. Hin und wieder schafften wir es, einen Gig in Wellington zu ergattern, und auch beim Studienabschlusskonzert im vergangenen Jahr waren wir mit von der Partie gewesen. Bei der Gelegenheit hatte meine Familie mich das erste Mal live singen und Keyboard spielen gehört.

»Ich bin sehr stolz auf dich, MK.« Dad hatte mich fest an sich gedrückt. Das war einer der schönsten Momente meines Lebens gewesen.

»Und heute, ein Jahr nach meinem Abschluss, sitze ich nach wie vor hier zwischen Rebstöcken«, jammerte ich. »Aber mal ehrlich, MK, hast du echt geglaubt, Sony würde mit einem Plattenvertrag für dich ums Eck kommen?«

In dem Jahr nach der Uni war ich im Hinblick auf meine Zukunft immer niedergeschlagener geworden, und durch Dads Tod hatte meine Kreativität einen schweren Schlag erlitten. Es fühlte sich an, als hätte ich die beiden größten Lieben meines Lebens gleichzeitig verloren, da die eine unauflöslich mit der anderen verbunden war. Dads Faible für weibliche Singer-Songwriter hatte seinerzeit meine Leidenschaft für die Musik geweckt. Ich war mit den Stimmen von Joni Mitchell, Joan Baez und Alanis Morissette aufgewachsen.

Die Zeit in Wellington hatte mir vor Augen geführt, wie behütet und idyllisch meine Kindheit in diesem herrlichen Garten Eden des Gibbston Valley gewesen war. Die Berge, die sich zu beiden Seiten des Tals erhoben, bildeten einen natürlichen Schutzwall, und in dem fruchtbaren Boden gedieh wie durch Zauberhand eine Überfülle an saftigen Früchten.

Ich weiß noch, wie Jack mich als Teenager überredete, von den wilden Stachelbeeren zu kosten, die an dornigen Sträuchern hinter dem Haus wuchsen, und wie er lauthals lachte, als ich die sauren Beeren angewidert ausspuckte. Meine Eltern legten mir keine Zügel an, wenn ich in der freien Natur herumtobte, weil sie wussten, dass mir, wenn ich in den kühlen, klaren Bächen planschte oder Kaninchen durchs struppige Gras jagte, nichts passieren konnte. Während meine Eltern im Weingut schufteten, neue Rebstöcke pflanzten, sie vor hungrigen Tieren schützten und schließlich die Trauben ernteten und pressten, hatte ich in meiner eigenen Welt gelebt.

Plötzlich schob sich eine Wolke vor die grelle Morgensonne, sodass das Tal in einem satteren Grün erschien. Das waren die ersten Vorboten des Winters. Nicht zum ersten Mal überlegte ich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war hierzubleiben. Zwei Monate zuvor hatte Mum zu meiner Überraschung erklärt, sie wolle sich auf eine »Weltreise« begeben und Freunde besuchen, die sie jahrelang nicht gesehen habe. Und sie hatte mich gefragt, ob ich Lust hätte, sie zu begleiten. Seinerzeit hoffte ich noch, dass...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2021
Reihe/Serie Die sieben Schwestern
Übersetzer Sonja Hauser, Karin Dufner, Sibylle Schmidt, Ursula Wulfekamp
Sprache deutsch
Original-Titel The Lost Sister
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • bestsellerliste spiegel aktuell • Bücher Roman • Die Sieben Schwestern • eBooks • Familiensaga • Frankreich • Frauenromane • Irland • Kanada • Liebesromane • Neuer Band der Reihe • Neuerscheinung Roman • Plejaden • Reihe • Romane für Frauen • Schweiz • Sieben-Schwestern-Reihe • Softcover • Sommerroman 2021 • Taschenbuch
ISBN-10 3-641-20196-9 / 3641201969
ISBN-13 978-3-641-20196-8 / 9783641201968
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