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Der Muttercode (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
416 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-25561-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Muttercode -  Carole Stivers
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Im Jahr 2049 haben sich die Lebensbedingungen auf der Erde drastisch verändert. Um den Fortbestand der Menschheit zu sichern, werden Kinder nun von Robotern ausgebrütet und aufgezogen. Um sicherzustellen, dass es den Kindern an nichts mangelt, wurde ein spezielles Computerprogramm, der sogenannte Muttercode, entwickelt, der dafür sorgt, dass die Roboter agieren und empfinden wie ein Mensch. Kai ist so ein Roboterkind. Gemeinsam mit seiner Mutter Rho-Z streift er durch das zerstörte Amerika der Zukunft. Kai ist glücklich, denn Rho-Z umsorgt ihn liebevoll und lehrt ihn alles, was er wissen muss. Doch als die erste Generation der Roboterkinder heranwächst, sollen die Mütter wieder abgeschaltet werden ...

Carole Stivers wurde in East Cleaveland, Ohio, geboren. Sie studierte Biochemie an der University of Illinois, bevor sie in Stanford promovierte. Inzwischen lebt die Autorin in Kalifornien. »Der Muttercode« ist ihr erster Roman.

2


20. Dezember 2049


DRINGEND VERTRAULICH VERTEIDIGUNGSMINISTERIUM

Dr. Said,

bitte nehmen Sie an der Konferenz im CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia, teil.

20. Dezember 2049, 11:00 Uhr.

Höchste Priorität.

Transportmöglichkeit wird gestellt.

Bitte antworten Sie so schnell wie möglich.

General Jos. Blankenship, U.S. Army

James Said zog das Okular des Armbandtelefons vom rechten Auge ab und schob es in die Plastikhülle. Dann schälte er das Flexphone vom Handgelenk, löste den Gürtel der Hose und packte alles zusammen mit den Schuhen und der Jacke auf das Förderband. Anschließend blickte er geradeaus in den Augenscanner und schlurfte an der Reihe der Inspektionsbots des Flughafens vorbei. Die dünnen, weißen Arme tasteten ihn geschickt am ganzen Körper ab.

Dringend. Vertraulich. Er hatte längst gelernt, solche Begriffe, die er früher beunruhigend gefunden hätte, in den Mitteilungen des Militärs zu ignorieren. Trotzdem sah er sich verstohlen im Sicherheitsbereich um. Irgendwie rechnete er damit, dass jeden Moment ein Mann im militärischen Blau auftauchen würde. Blankenship. Wo hatte er den Namen schon mal gehört?

Er fuhr sich mit den Fingern über das Kinn. Am Morgen hatte er sich rasiert, und das dunkle Muttermal direkt unter dem Kieferknochen war gut zu erkennen. Die Stelle, wo ihn, wie seine Mutter sagte, Allah bei der Geburt geküsst hatte. War sein Äußeres verdächtig? Er glaubte es nicht. Er war am vierten Juli in Kalifornien auf die Welt gekommen, in jeder Hinsicht völlig weltlich orientiert und so amerikanisch, wie man überhaupt sein konnte. Er hatte die helle Haut seiner Mutter und die Körpergröße seines Vaters geerbt. Aber sobald er einen Flughafen betrat, fühlte er sich wie ein Feind. Die tragischen Anschläge am 11. September waren dreizehn Jahre vor seiner Geburt geschehen, doch die Londoner Intifada von 2030 und die Selbstmordattentate am Reagan Airport im Jahre 2041 hielten im Westen ein starkes Misstrauen gegenüber jedem wach, der auch nur entfernt wie ein Moslem aussah.

Als ihm der letzte Bot grünes Licht gab, sammelte er seine Siebensachen ein und drückte den Daumen auf den Sensor der Tür, durch die er die Flugsteige erreichen konnte. Im hellen Licht des stark frequentierten Terminals setzte er sich das Okular wieder auf und befestigte das Telefon am Handgelenk. Als ihm ein dreifaches Blinken zeigte, dass die Geräte verbunden waren, wählte er auf der Steuerung des Telefons »Antworten« aus und murmelte: »Fliege über die Feiertage nach Kalifornien. Müssen für die Zeit nach dem 5. Januar neu planen. Bitte um neue Terminvorschläge.«

Mit gesenktem Kopf eilte er an den farbenfrohen Auslagen vorbei, wo ihn schöne Gesichter lockten und beim Namen riefen. »James«, gurrten sie, »hast du schon unsere neuen ExoTea-Geschmacksrichtungen probiert? Brauchst du Queeze-Ease gegen die Flugangst? Oder die neue Dormo-Flughaube?« Er mochte es nicht, dass die neuen Telefone seine Identität herausposaunten, aber das war der Preis, den man zahlen musste, wenn man an öffentlichen Orten in Verbindung bleiben wollte.

Als er am Kaffeestand in der Schlange wartete, wechselte die Anzeige des Flexphones. Er lächelte, als er den Namen seiner Mutter sah.

Die Ernte ist eingebracht.
Wir freuen uns auf das neue Jahr.
Wann bist du da?

Mit dem langen Zeigefinger wischte er über das kleine Display, suchte die Flugreservierung und heftete sie an die Antwort.

»Siehe Anhang«, diktierte er. »Sag Dad, er muss mich nicht abholen, ich nehme ein Autotaxi. Ich freue mich schon darauf, euch zu sehen.«

Anschließend blätterte er die Mails weiter durch und ergänzte die Eintragungen im Online-Kalender:

  • 8. Januar Mittagessen mit der Fakultät.
  • Graduiertenseminar, Lehrstuhl für Zell- und Entwicklungsbiologie, Thema muss bis 15. Januar vorliegen.
  • 25. Januar Jahreskonferenz über Gentechnik: Neue ­Horizonte, neue Regeln.

James runzelte die Stirn. An der Jahreskonferenz nahm er nicht immer teil, aber dieses Jahr sollte sie in Atlanta stattfinden, ganz in der Nähe seines Labors an der Emory University. Man hatte ihn eingeladen, über seine Arbeit an Genveränderungen im menschlichen Körper zu sprechen. Dieses Mal ging es um die Heilung der Mukoviszidose beim ungeborenen Kind. Doch diese von der Regierung angesetzten Konferenzen drehten sich meist weniger um die Wissenschaft und viel mehr um die Politik. Das betraf auch die stetig im Wandel begriffene Landschaft der amtlichen Kontrolle über das neuartige Material, das seine Arbeit erst möglich machte.

Vor mehr als einem Jahrzehnt hatten Wissenschaftler an der Universität von Illinois eine Art DNA aus Nanopartikeln erzeugt, die sie Nukleinsäure-Nanostruktur nannten, abgekürzt NAN. Im Gegensatz zu natürlicher DNA konnten diese kleinen Kügelchen aus synthetischer DNA die menschlichen Zellmembranen aus eigener Kraft durchdringen. Sobald sie sich in der Zelle befanden, konnten sie sich mit der natürlichen DNA verbinden und gezielt bestimmte Gene verändern. Daraus ergaben sich schier unendliche Möglichkeiten – Heilverfahren für genetisch bedingte Störungen und eine ganze Reihe bislang besonders hartnäckiger Krebserkrankungen. James hatte damals, noch als Student der Zellbiologie in Berkeley, von NAN gehört und sich sofort entschlossen, mit diesem Mate­rial, das seine Träume wahr werden lassen konnte, zu arbeiten.

Gentechnische Veränderungen von Embryos vor der Implantation hatten sich inzwischen zu einer anerkannten Wissenschaft entwickelt – es gab strenge Bestimmungen und genau definiertes Werkzeug, und die unerwünschten Nebenwirkungen, die anfangs so oft aufgetreten waren, kamen praktisch nicht mehr vor. Auch die Tests für die Diagnose von Fehlbildungen des Fötus in der späteren Entwicklung nach der Implantation in die Gebärmutter waren schon seit Jahrzehnten verfügbar. Doch wenn ein solcher Defekt entdeckt wurde, gab es nach wie vor keinen sicheren Weg, den Fötus im Mutterleib entsprechend zu verändern. James war überzeugt, dass es mithilfe der NAN möglich sein müsste, fehlerhafte Gene in der Gebärmutter umzuwandeln. Damit konnte man durch Gentherapie behandelbare Krankheiten wie Mukoviszidose vollständig ausrotten.

Allerdings galt es, einige technische und politische Hürden zu überwinden. In den falschen Händen konnte sich diese Technologie durchaus als gefährlich erweisen. Die Universität von Illinois war gezwungen worden, alle Lizenzen an die Regierung zu übergeben. Jetzt befanden sich die Unterlagen in Fort Detrick, einer Einrichtung in Maryland nordöstlich von Washington, unter strengem Verschluss.

Er vermisste Kalifornien. Er vermisste Berkeley. Jeden Tag musste er sich von Neuem einreden, dass es richtig gewesen war, nach Atlanta zu gehen. Das Zentrum für Gentherapie an der Emory war die einzige öffentliche Einrichtung, die mit NAN arbeiten durfte.

Im Warteraum lümmelte er sich in der Nähe des Flugsteigs auf einen Sitz. Früher war er ein drahtiger, sportlicher Bursche vom Land und auf der Highschool sogar der Kapitän des Baseballteams gewesen. Leider hatte er sich gehen lassen. Der einst gerade Rücken war jetzt krumm, nachdem er sich so viele Jahre über Labortische gebeugt hatte, und die scharfen Augen waren schwach geworden, nachdem er viel zu lange in Mikroskope und auf Computerbildschirme gestarrt hatte. Seine Mutter hätte sich wegen seiner Gesundheit Sorgen gemacht und ihn mit scharf gewürzten Linsen und Reis behelligt. Kaum dachte er daran, schon hatte er den Geschmack im Mund.

James sah sich um. Zu dieser frühen Stunde waren die meisten Plätze leer. Vor ihm saß eine junge Mutter, ihr kleines Kind lag vor ihr auf dem Boden in einem Tragekorb. Sie ignorierte das Kind und spielte mit einem kleinen GameGirl, das sie auf dem Schoß hatte. Ihre Aufgabe bestand darin, ein Alienbaby mit großen, grünen Augen zu füttern, das auf dem Bildschirm den Mund aufsperrte. Am Fenster mampfte ein älterer Herr einen Proteinriegel.

Als es an seinem Handgelenk summte, zuckte James zusammen. Die Antwort vom Verteidigungsministerium.

Dr. Said,

Terminänderung ausgeschlossen. Jemand holt Sie ab.

General Jos. Blankenship, U.S. Army.

Als er den Kopf hob, hatte bereits ein Mann in einem neutralen grauen Anzug am Gate seinen Posten bezogen. Der dicke Hals des Mannes quoll förmlich aus dem Kragen heraus. Fast unmerklich nickte er. James nahm das Okular ab und blickte nach rechts. Als ihm jemand leicht auf die Schulter tippte, zuckte er zusammen.

»Dr. Said?«

»Ja?«, krächzte er erschrocken.

»Es tut mir leid, Dr. Said, aber Sie werden im Pentagon erwartet.«

»Was?« James starrte den jungen Mann in der adretten Uniform und den glänzenden schwarzen Schuhen an.

»Ich muss Sie sofort nach Langley begleiten. Es tut mir leid. Die Flugtickets erstatten wir Ihnen natürlich.«

»Aber warum …«

»Keine Sorge, Sir, wir werden sehr bald dort eintreffen.« Weiße Handschuhe legten sich um James’ Arm. Der Offizier geleitete ihn zu einem gesicherten Ausgang und dann eine Treppe hinunter. Sie traten durch eine Tür und standen im Freien. Ein paar Schritte entfernt wartete schon der Mann mit dem grauen Anzug, hielt ihm die hintere Tür einer schwarzen Limousine auf und winkte James, er möge einsteigen.

»Und mein Gepäck?«

»Darum kümmern wir uns.«

Das Herz drückte ihn wie ein Stein in der Brust. James ließ sich tief in den Ledersitz sinken und legte unwillkürlich die rechte Hand schützend auf...

Erscheint lt. Verlag 12.7.2021
Übersetzer Jürgen Langowski
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Mother Code
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Amerika der Zukunft • diezukunft.de • Dystopie • eBooks • Gesellschaftskritik • ISAAC ASIMOV • Künstliche Intelligenz • Menschlichkeit • Near future • Roboter • Totalitäre Systeme
ISBN-10 3-641-25561-9 / 3641255619
ISBN-13 978-3-641-25561-9 / 9783641255619
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