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Wild Flower - Die Gesetzlose (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
432 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-23894-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wild Flower - Die Gesetzlose -  Charlotte Nicole Davis
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»Westworld« meets »Der Report der Magd«: ein umwerfendes Fantasyabenteuer mit starken farbigen Frauen in den Hauptrollen.
Umgeben von einer unheimlichen Wildnis liegt der Ort Green Creek. Dort leben die Schwestern Aster und Clementine unter dem Schutz der zwielichtigen Madame Fleur. Diese brandmarkt junge Frauen mit einem magischen Blumentattoo und verkauft sie Nacht für Nacht an Männer - willenlos gemacht durch die Droge Süßdistel. Aster ist anders als die anderen Mädchen. Sie hat sich ihren freien Willen bewahrt und muss ihre kleine Schwester um jeden Preis beschützen. Aber als diese versehentlich einen Freier umbringt, ist dies das Todesurteil für Clem. Aster kennt nur einen Ausweg: mit Clem in die Wildnis zu flüchten und zu einer Gesetzlosen zu werden. Doch es sind nicht nur die lebenden Männer, die sich an ihre Fersen geheftet haben, sondern auch die toten ...

Ein feministisches Fantasydebüt, der Leserinnen jeden Alters fesselt: wild, abenteuerlich, stark.

Charlotte Nicole Davis wuchs im Herzen des alten Westens, nahe Kansas City, auf, und ist Absolventin des The New School's Writing for Children-Programms. Sie liebt Comic-Adaptionen für die Leinwand und Bücher, in die eine Karte gedruckt ist. Aktuell lebt sie in Brooklyn und arbeitet an ihrem nächsten Roman.

Prolog

Mit einer Melodie im Kopf sei es einfacher, hatte man ihr erzählt.

So ruhig sie konnte, saß sie an dem Waschtisch mit den Löwenfüßen und suchte in ihrem Gedächtnis nach Stücken, die sie auf dem Klavier im Salon gelernt hatte. Aber ihr Gehirn war seit der Auktion wie leergefegt. Nur ein furchtsames, unartikuliertes Heulen war zurückgeblieben, das den klagenden Rufen der Toten nahekam. Hinter ihr murmelte Mother Fleur um die Haarnadeln in ihrem Mund herum schwärmerisch, welch eine Ehre es für Clementine doch sei, so ein hohes Gebot erzielt zu haben, und wie stolz sie auf sie sei. Die Hausdame hatte die letzte Stunde damit zugebracht, Clementine für ihre Glücksnacht vorzubereiten, hatte sie in ein duftiges weißes Kleid geschnürt, ihr Rouge auf die Wangen aufgetragen und ihre Lider mit etwas Ruß schattiert.

»Du solltest auch stolz auf dich sein«, fuhr die ältere Frau fort, bürstete Clementine das krause Haar aus dem Gesicht und steckte es zu einem eleganten Knoten hoch. Ein matter Seufzer kitzelte Clementines Nacken. »Sechzehn Jahre und endlich eine richtige Frau. Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als du noch ein kleiner Wurm warst – du und deine Schwester, ihr beide. Aber sie hat sich gut gemacht, und das wirst du auch.«

Clementine fand keinen Trost in ihren Worten. Mother Fleur war weit über das Arbeitsalter hinaus. Ihr Zeichen, eine Nelke, welkte auf ihrer runzligen weißen Wange dahin, und die fluchbeladene Farbe war längst zu einem müden Grau verblasst. Clementine fragte sich, ob sie sich überhaupt noch an ihre Glücksnacht erinnerte. Hatte sie Angst gehabt? Hatte irgendjemand sich gefürchtet? Den Sundown Girls wurde nahegelegt, nicht mit den Daybreak Girls über das Geschäft zu reden. Clementine hatten sie nur das Wesentlichste erzählt. Aber nicht, ob diese letzten Minuten sich so dehnen sollten wie der angehaltene Atemzug zwischen Blitz und Donner oder ob es normal war, dass ihr so flau im Magen war, als stürzte sie in einen Abgrund. Selbst Clementines Schwester Aster hatte ihr nie irgendwelche Einzelheiten über ihre Glücksnacht verraten.

Aber Aster war diejenige, die ihr geraten hatte, an eine Melodie zu denken. Es muss nicht dein Lieblingsstück sein, hatte sie gesagt. Eigentlich ist es sogar besser, wenn es das nicht ist. Nimm einfach eins, das dir wirklich vertraut ist, und denk an nichts anderes.

Aster hatte auch darauf bestanden, dass Clementine nichts von der Süßdistel nahm, jener Tinktur, die die Sundown Girls zur Beruhigung ihrer Nerven einnehmen sollten. Sie war sogar so weit gegangen, Clementine dazu aufzufordern, sie solle Mother Fleur anlügen und behaupten, sie habe ihre Dosis schon genommen. Clementine hatte sie nicht gefragt, warum, obwohl sie ziemlich verwundert war, aber sie vertraute Aster voll und ganz.

Nun aber fragte sie sich, ob ein Tröpfchen Süßdistel nicht doch ganz hilfreich wäre.

Mother Fleur fummelte an ihrem Haar herum und steckte schließlich die letzte Nadel fest. »Beinahe fertig«, murmelte sie. Clementine versuchte, sich zu entspannen und die Tatsache zu genießen, dass sie so umsorgt wurde. In ihren sechs Jahren im Green Creek Welcome House war Mother Fleur noch nie so nett zu ihr gewesen. Nie zuvor war sie so hübsch gemacht worden, und das war eine willkommene Ablenkung von dem, was ihr bevorstand.

Clementine räusperte sich. »Das sieht toll aus«, würgte sie hervor.

»Du bist nicht die Person, die wir heute Nacht beeindrucken wollen«, entgegnete Mother Fleur mit einem trockenen Lachen. »Aber ich freue mich trotzdem, dass es dir gefällt. Wenn ein Mädchen weiß, dass es schön ist, bekommt es gleich mehr Selbstvertrauen.«

Als Nächstes griff Mother Fleur zu einem Kristallflakon mit Parfüm. Clementine neigte den Kopf, um die linke Seite ihres Halses freizulegen, auf der ihr eigenes Zeichen prangte: die Clementinenblüte, der sie ihren Namen verdankte. Ihre Blütenblätter flatterten von Zeit zu Zeit, als würde eine sanfte Brise sie erfassen. Sie redete sich gern ein, das Zeichen würde zu ihr passen. Bekommen hatte sie die Kokarde mit zehn. Der Tätowierer hatte die Tinte gewissenhaft zubereitet und mit den abscheulichen Ingredienzen vermengt, die ihr Macht verliehen. Das Blut eines toten Mannes. Pulverisierte Knochen. Gift eines Schwarzzahnskinks. Und dann hatte er die Nadel, scharf wie eine Pumaklaue, in die Vertiefung über ihrem Schlüsselbein gebohrt. Dieses Zeichen würde Clementine für den Rest ihres Lebens als Eigentum des Welcome House kennzeichnen.

Zuerst war die Clementinenblüte nur ein Sämling gewesen – zwei tränenförmige Blätter und ein geringelter Stiel. Aber mit jedem Jahr, das verging, war sie herangewachsen, und die Tinte hatte sich über ihren Hals ausgebreitet, bis sie an diesem Morgen erwacht war und festgestellt hatte, dass das Pflänzchen bis knapp über die Höhe ihres Kinns reichte und voll erblüht war.

Ihre Haut kribbelte unter dem kühlen Kuss des Parfüms. Mother Fleur stellte den Flakon zurück an seinen Platz.

»Na also«, sagte die Hausdame und legte Clementine die Hände auf die Schultern. Etwas Endgültiges vibrierte in ihrer Stimme. Clementines Herz tat einen Satz vor lauter Aufregung. Über den Spiegel blickte sie Mother Fleur in die Augen, während sich die Fragen in ihrer Kehle stauten.

»Vergiss nicht«, mahnte Mother Fleur. »Du wirst heute Nacht nicht nur für dich selbst eintreten. Du wirst das ganze Green Creek Welcome House repräsentieren.« Eine angedeutete Warnung, die ihr wohlvertraut war, lag in Mother Fleurs Ton. »Aber wir wissen ja alle, wie außergewöhnlich du bist, und das weiß auch dieser Aufschneider. Darum hat er solch ein Vermögen hingeblättert. Du wirst ihm beweisen, dass du jede einzelne Münze wert bist, und danach werden wir feiern, hörst du?«

Sie musste nicht erst aussprechen, was geschehen würde, sollte Clementine versagen. Die Raubvögel, die Haudraufs des Hauses, wussten, wie sie ein Mädchen züchtigen konnten, ohne an seinem Körper Spuren zu hinterlassen, wie sie in seinen Geist eindringen und ihn an einen Ort der Qualen und der Furcht locken konnten. Clementine war ihrer Zauberei schon zweimal ausgesetzt worden. Sie alle hatten das schon mindestens einmal erlebt. Jedes Mädchen musste konditioniert werden, sobald es im Welcome House eintraf. Es musste den Zorn der Raubvögel kennenlernen. Einige erholten sich nie von dieser Erfahrung – sie verfielen dem Wahnsinn und wurden zum Sterben auf die Straße geworfen.

Die verschleierte Drohung reichte, um Clementine doch noch die Zunge zu lösen.

»Mother Fleur …« Sie zögerte. »Es ist nur … Ist es normal, so nervös zu sein? Mir ist ein wenig flau im Magen.«

»Das sind nur die Schmetterlinge, Clementine. Das hat jedes Mädchen. Es liegt vor allem an der Spannung. Und warum solltest du auch nicht gespannt sein?« Sie zwinkerte ihr zu. »Und geschmeichelt. Nicht jedes Mädchen erregt die Aufmerksamkeit solch eines angesehenen jungen Mannes.«

»Wer ist er eigentlich?«, wagte sich Clementine vor. Vielleicht ein Politiker oder ein gelackter Geschäftsmann oder ein Weltklassezocker, der die Taschen voller Gewinne hatte …

»Wenn ich dir das sage, wirst du nur noch nervöser«, entgegnete Mother Fleur. »Er wird gut zu dir sein. Das ist alles, was du wissen musst.«

Zu ängstlich, weiter nachzuhaken, gab sich Clementine damit zufrieden. Und schließlich, was machte das am Ende noch aus? Ihr ganzes Leben in Green Creek hatte zu diesem Moment geführt. Nach dieser Nacht gab es für sie keine Dienstmädchenarbeit mehr, kein Geschirrspülen, bis ihre Hände rau waren, kein Schwitzen über dem heißen Herd. Sie freute sich darauf, in edle Kleider und Spitze gehüllt, mit den anderen Sundown Girls in den Gesellschaftszimmern auf der faulen Haut zu liegen – unter anderem mit Aster, die sie im vergangenen Jahr kaum zu Gesicht bekommen hatte. Wieder mehr Zeit mit ihrer Schwester zu verbringen … das würde das Beste von alldem sein, so viel stand fest.

Sie musste nur die heutige Nacht durchstehen.

»Bist du bereit? Kann ich ihn raufschicken?«, fragte Mother Fleur.

»Ja«, sagte Clementine und meinte es auch so.

»Gut.« Sie drückte Clementine noch einmal die Schulter, sodass sich ihre Fingernägel in die zarte Haut bohrten. »Enttäusch mich nicht, Clementine.«

Mother Fleur rauschte von dannen und schaltete im Gehen den gasbetriebenen Lüster aus. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, lag der Raum in dem rosigen Licht der kleinen Glaslampe, und es sah aus, als errötete er.

Einige Herzschläge lang blieb Clementine an dem Waschtisch sitzen und betrachtete das wilde Schattenspiel ihres eigenen Spiegelbilds. Der Aufschneider musste jeden Moment hier sein. Sollte sie aufstehen, um ihn in Empfang zu nehmen? Im Bett liegend auf ihn warten? Sie hatte den ganzen Tag Zeit gehabt, sich das zu überlegen. Sie hatte jahrelang Zeit gehabt.

Dann hörte sie es. Das Knarren schwerer Schritte auf der Treppe.

Denk an Musik, ermahnte sie sich. Aster ist unten. Denk einfach an Musik.

Die Tür wurde geöffnet.

Der Mann, der dahinter zum Vorschein kam, war viehischer, als Clementine erwartet hatte, ein breitschultriger Ochse im Anzug. Sein edler schwarzer Mantel fiel ihm bis über die Knie, und die Melone war tief in das schaufelförmige Gesicht gezogen, das von einem rotbraunen Bart umrahmt wurde. Nichts an der äußerlichen Erscheinung verriet, wer er sein mochte, aber sein Reichtum war schon an dem Glitzern des Theomitrings an seinem Finger...

Erscheint lt. Verlag 13.7.2020
Reihe/Serie The Good Luck Girls
Übersetzer Frauke Meier
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Good Luck Girls (Book 1)
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Abenteuerroman • Afrofuturismus • Black lives matter • Black Panther • Bordell • Diversity • eBooks • Fantasy • Feminismus • Feministische Fantasy • High Fantasy • Margaret Atwood • own voices • Person of Colour • schwarze Phantastik • starke Heldin • Thelma und Louise • tomi adeyemi • Western • westworld
ISBN-10 3-641-23894-3 / 3641238943
ISBN-13 978-3-641-23894-0 / 9783641238940
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