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Aussergewöhnliche Automatons -  Martin Riesen

Aussergewöhnliche Automatons (eBook)

Steamforged Empires 1
eBook Download: EPUB
2019 | 3. Auflage
296 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7386-7200-8 (ISBN)
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Offenburg, 1874, in einer alternativen Vergangenheit... Die sechzehnjährige Johanna findet eine Anstellung als Gehilfin beim Automatonhersteller Professor Geich. Schnell erkennt er ihr aussergewöhnliches Talent für die Herstellung von Lochkartenprogrammen, mit denen diese beliebten Maschinen gesteuert werden. Als Johanna einem Automaton ein Programm stanzt, das es ihm ermöglicht zu lernen, ahnt sie nicht, welche Ereignisse sie damit in Gang setzt... Aussergewöhnliche Automatons ist der erste Band der Steampunk-Reihe Steamforged Empires, die geschickt viktorianische Historienromane mit Science-Fiction verbindet.

Seit seinem fünfzehnten Lebensjahr schreibt Martin Riesen gerne Geschichten. Mit "Aussergewöhnliche Automatons" erschien 2014 sein erster Roman, der inzwischen mehrere Fortsetzungen erhalten hat. Martin Riesen lebt mit zwei Katzen im Zürcher Oberland in der Schweiz. www.storycorner.ch

1


Mit einem lauten Klacken erwachte die Konstruktion zum Leben, nachdem der erste Streifen des Lochkartenprogramms in das Aufnahmezentrum der Logikeinheit gezogen worden war. Während die kleine, aber hocheffiziente Dampfmaschine im Sockel des Automatons leise zischte, bewegte sich ein langer mechanischer Arm nach vorn, nur um sogleich wieder quietschend stehen zu bleiben.

Ernst Geich fluchte leise, als der erneute Misserfolg offensichtlich wurde. Dies war nun der fünfte fehlgeschlagene Startversuch an diesem Abend. Vor sich hingrummelnd stakste er über den mit Ersatzteilen zugerümpelten Boden seiner Werkstatt um den Automaton herum und versuchte zu erkennen, warum er dieses Mal stehen geblieben war. Der Geruch von heißem Metall mischte sich in das schon lange nicht mehr aus dem Raum zu bringende Potpourri aus Öldunst und den Abgasen der Dampfmaschine.

Der Professor galt als Experte für die überaus beliebten Automatons in der Stadt Offenburg. Die seltsamen Kreationen, die meist grob die Form eines Menschen nachahmten, sich autonom bewegten und einfache Arbeiten ausführen konnten, waren bei Jung und Alt beliebt, als Diener und auch als Spielzeug. Allerdings war die Technik überaus anfällig für Fehler. Wenn sich nur eines der zahlreichen Gelenke um einen Millimeter verschob, konnte das die empfindlichen Schubstreben verbiegen oder gar zerbrechen, was eine komplizierte Reparatur nach sich zog.

Seine wachsamen Augen erkannten das Problem. Die Messingplatte hatte sich im Lochkarteneinschub verkantet. Mit einem festen Ruck zog er sie aus der Halterung und drehte mit der anderen Hand den Dampfhahn zu, damit der Automaton sich nicht ungewollt weiterbewegen konnte.

Seufzend ging Ernst zurück zur Werkbank und legte die Lochkarte auf den Rohling, der als Vorlage diente. Die fehlerhafte Karte war um Haaresbreite größer, was der Grund für das Steckenbleiben gewesen war. Die Messingplatten waren nicht für den Betrieb gedacht, dafür nutzte man Karten oder Rollen aus dünner Pappe. Sie dienten als Vorlagen, die man auf die Pappe legen und so die Größe und die richtigen Lochabstände übertragen konnte. Da Papier jedoch anfällig für Feuchtigkeit war, benutzte er wie auch viele andere Automatonbauer diese Messingkarten für Vorführungen und um das Programm sicher archivieren zu können.

„Johanna!“, rief der Professor mit säuerlicher Stimme.

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis seine junge Gehilfin an der Tür der Werkstatt erschien und ihn fragend ansah.

„Hatte ich dir nicht gesagt, dass die Messingkarten exakt der Vorlage entsprechen müssen?“, fragte er.

„Ja, das hatten Sie, und ich habe jede Karte zwei Mal überprüft.“

„In diesem Fall hast du zwei Mal schlampig gearbeitet.“

„Ich habe mir Mühe gegeben, Meister“, sagte Johanna bedrückt. „Ich mache doch, was ich kann.“

„Ja, das befürchte ich ebenfalls“, murrte Ernst. „Ich habe dich angestellt, um mir zu helfen, nicht um mir das Leben schwerer zu machen!“

„Verzeihung, Meister“, murmelte Johanna.

„Ich werde jetzt zu Bett gehen. Du hingegen wirst jede einzelne Karte nochmals überprüfen und sie exakt auf dieselbe Größe zurechtfeilen wie die Vorlage.“

„Ja, Meister.“

„Bring mir die Karten bloß nicht durcheinander, klar? Bis morgen früh muss der Automaton funktionieren, sonst wirst du mich kennenlernen!“

Ernst grummelte vor sich hin, während er die Treppe emporstieg, deren grobe Holzstufen seine kaum verständlichen Worte mit dumpfem Knarren begleiteten. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, Johanna als seine Gehilfin akzeptiert zu haben. Sie war zu Beginn wirklich vielversprechend gewesen, hatte Fingerfertigkeit und eine rasche Auffassungsgabe bewiesen, doch wie er zu spät festgestellt hatte, war sie nachlässig und hatte den Kopf lieber in den Wolken statt bei der Arbeit. Aber nein, eigentlich tat er ihr Unrecht. Sie war ein liebes Mädchen, doch genau da lag wohl das Problem. Sie war eben nur ein Mädchen. Inzwischen verstand er zu gut, warum kein anderer Mechaniker, den er kannte, je eine weibliche Gehilfin eingestellt hatte.

Vermutlich würden die Nachbarn nun über ihn tratschen und ihn als alten Lüstling darstellen, der sich ein blutjunges Mädchen ins Haus geholt hatte, weil er es nie geschafft hatte, eine Frau zu finden. Keiner wusste, dass er sich nie für das andere Geschlecht interessiert hatte. Woher auch? Er band es sicher niemandem auf die Nase.

Sein Schlafgemach war fast das pure Gegenteil von seiner Werkstatt. So chaotisch und unordentlich die Letztere war, so aufgeräumt und beinahe spartanisch leer war Ersteres. Es enthielt nur ein Bett, seinen Kleiderschrank mit einer fest verbundenen Waschkommode und den Sekretär. Er benötigte nicht viel zum Leben außerhalb der Werkstatt. Der Schrank war halb leer und den Sekretär benutzte er nur, wenn er in Ruhe einen formellen Brief schreiben musste. Die Rechnungen für seine Arbeit schrieb er lieber an der Werkbank oder am großen Esstisch in der Küche.

Ernst zog seine Arbeitsweste aus, die mit ihren zahllosen Taschen, Schlaufen und Ösen nach seinen Wünschen maßgeschneidert worden war, und hängte sie über den Stuhl beim Sekretär. Er fuhr sich mit einer Hand durch das schüttere Haar, das in den letzten Monaten seinen hellbraunen Ton immer mehr durch eine Graufärbung ersetzt hatte. Er war nicht eitel, mochte es allerdings überhaupt nicht, wenn man ihn älter schätzte. Dies war auch der Grund, warum er keinen Vollbart mehr trug und nur den Schnauzer stehen gelassen hatte. Das hieß selbstverständlich nicht, dass er im Moment gut rasiert war. Wie so oft, wenn er den ganzen Tag in der Werkstatt verbrachte, hatte er auch an diesem Morgen darauf verzichtet.

Er beschloss, Johanna noch eine allerletzte Chance zu geben. Sie konnte nichts Gutes erwarten, wenn er sie aus dem Haus jagen würde. Da draußen würde sie wahrscheinlich in einer Fabrik, oder, wenn sie wirklich Pech hatte, in einem Bordell landen, was er auch nicht wollte. Bei ihm bleiben konnte sie jedoch nur, wenn sie ihm auch wirklich zur Hand gehen konnte.

Bevor er einschlief, nahm Ernst sich fest vor, morgen nochmals ein ernsthaftes Wort mit ihr zu reden.

Johanna seufzte tief, nachdem der Professor die Werkstatt verlassen hatte. Sie hatte wirklich ihr Bestes gegeben. Leider lag ihr diese Art handwerklicher Arbeit nicht besonders. Ihre Finger waren zwar sehr geschickt, das hatte sie früher sowohl beim Nähen als auch beim Stricken beweisen, doch für diese grobe Arbeit fehlte ihr sowohl die Kraft als auch die Geduld. Auch wenn die Arbeitszeiten sicher länger und anstrengender waren, wünschte sie sich, lieber in der Weberei arbeiten zu dürfen, statt hier zu schuften.

Wie der Professor trug sie bequeme und stabile Kleidung zum Arbeiten. Das hochgeschlossene Wollhemd war für diese Jahreszeit fast schon zu warm und der Rock aus ungefärbtem, dickem Leinenstoff eigentlich zu kurz; er endete knapp oberhalb der Schienbeinmitte. Allmählich wurde von ihr erwartet, sich wie eine Frau zu kleiden, und dazu gehörte ein längerer Rock, auch wenn er fürs Arbeiten eher unpraktisch war. Im Moment hatte sie allerdings nicht genug Geld, um diesen kleinen Frevel zu ändern, genauso wie sie noch immer keine Kopfbedeckung trug, wenn sie das Haus verließ.

Sie öffnete das Fenster einen Spalt, damit die feuchtwarme, unangenehme Luft ins Freie entweichen konnte. Vorsichtig fischte sie danach den schweren Stapel Messingkarten aus dem Automaton und tappte zur Werkbank. Das Chaos, das wie üblich in der Werkstatt herrschte, war unglaublich. Der Boden glich einem Trümmerfeld aus Einzelteilen und konnte nur mit langen, vorsichtigen Schritten durchquert werden. Die geschmiedeten Gestelle an den Wänden waren als Teilelager gedacht, doch der Professor schien ein Lagersystem am Boden zu bevorzugen. So enthielten sie bizarrerweise kaum mehr als Staub und einige Ersatzteile, die aussahen, als würden sie schon seit dem frühen Mittelalter dort liegen. Nur vor den Maschinen – dem Stanzer, dem Blechstrecker, einem antik wirkenden Rohrbieger und dem Dampfgenerator – war ein bisschen Platz freigelassen worden. Ein schmaler Weg mäanderte durch die herumliegenden Automatonteile bis zur Werkstatttür, die in die Strohgasse vor dem Haus führte.

Johanna türmte den Stapel Messingkarten auf einer freien Ecke der Werkbank auf, schob ein paar halbfertige Messinghände zur Seite, deren Schubstreben bereits von der unsachgemäßen Lagerung verbogen waren, und hängte danach pflichtbewusst die Feilen, Zangen und Hämmer an die vorgesehenen Haken gleich über der Arbeitsplatte aus dunklem, stark abgenutztem Buchenholz. Wie sich der Professor in diesem Durcheinander zurechtfand, war ihr schleierhaft. Es war ihre Aufgabe, für Ordnung zu sorgen, aber wenn er nur einmal hinter sich selber aufräumen würde, hätte sie bei weitem nicht mehr so viel zu tun gehabt.

Nachdem sie das Werkzeug aufgehängt und die Automatonteile zur Seite geschoben hatte, fand sie zumindest den nötigen Platz, um sich um diese...

Erscheint lt. Verlag 5.6.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7386-7200-1 / 3738672001
ISBN-13 978-3-7386-7200-8 / 9783738672008
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