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Lebensmittel in der Kunst -  Donatella Chiancone-Schneider

Lebensmittel in der Kunst (eBook)

Das Auge isst mit
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
119 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-5243-9 (ISBN)
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Ob als Frucht in der Hand einer portraitierten Dame, Obst- und Gemüsearrangement in einem Stillleben oder ausdrücklich verzehrbare Schokolade in einer Eat-Art-Komposition: Lebensmittel haben in der Kunst Tradition... und sind immer noch sehr aktuell. Diese Publikation fokussiert anhand von rund 150 Abbildungen eine repräsentative Auswahl von Gemälden, Grafiken und Objekten aus ganz Europa von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. Eine erstaunliche Vielfalt wird dabei illustriert: von der symbolischen Bedeutung von Nahrungsmitteln in der christlichen Kunst und in barocken Stilleben über lebhafte Genreszenen und bizarre Arcimboldo-Kreationen bis hin zu poetisch wirkenden wissenschaftlichen und fotografischen Illustrationen von exotischen Früchten oder heimischen Kräutern. Der erste Teil ist kunsthistorisch nach Epochen und Ländern gegliedert, der zweite Teil enzyklopädisch nach Lebensmitteln sortiert. So kann die Publikation genauso durchgelesen wie nach Belieben nachgeschlagen werden. Eine erweiterte Neuauflage mit noch mehr Bildern und Querverweisen ist geplant. Projektseite: www.kunstco.de/lebensmittel-kunst.html

Dr. Donatella Chiancone-Schneider ist promovierte Kunsthistorikerin, freie Kuratorin und populärwissenschaftliche Kunstvermittlerin. In multimedialen, oft interdisziplinären Kursen, Vorträgen, Publikationen, Ausstellungen und selbst organisierten Festivals erklärt sie breitgefächerte, auch anspruchsvollere kunsthistorische Themen zeitgemäß und unterhaltsam. Ihre Vortragstourneen der letzten Jahre haben sie bereits in unzählige Städte bundesweit sowie nach Italien, Österreich, Polen, Dänemark und in die Schweiz geführt. Seit 2020 ist sie zusätzlich mit ortsübergreifenden Webinaren u.a. Online-Formaten unterwegs. Website https://www.donatella.chiancone.eu Projektportal https://www.kunstco.de

KAPITEL 1.2. Renaissance und Manierismus


Im 15. und 16. Jahrhundert wurde Sakralkunst zwar weiterhin fleißig gekauft, mit der wachsenden Nachfrage von Profanthemen einerseits und den inhaltlichen Einschränkungen durch die Reformation andererseits verlagerte sich aber der Schwerpunkt der Darstellungen deutlich in Richtung Mensch, Alltag und Diesseits. Stilistisch wurde eine detailreiche Imitation der Wirklichkeit angestrebt, deren Treue besonders bei der Wiedergabe von Gegenständen erwartet wurde. Das waren alle beste Voraussetzungen für eine Wiedergeburt der Lebensmittel in der Kunst und diese erlebten eine zweite Blüte (nach der Antike) in Stilleben, aber nun auch als Requisiten im größeren Rahmen der Genreszenen und sogar der Madonnenbilder. Darüber hinaus wurden neben bekannten Formaten neue Kombinationen erprobt, welche der Nahrung immer frischere Bedeutungen verliehen.

Italien


Die Neuzeit begann in Italien im Zeichen der Kontinuität: Neben der Erweiterung der kulturellen Interessen um die (auch mythologische) Welt der Antike blieb der christliche Glaube und damit das herkömmliche Repertoire der religiösen Kunst eine wichtige Grundlage von Malerei, Grafik und Bildhauerei. Traditionelle Themen wurden zwar stilistisch neu interpretiert, aber ununterbrochen weiter umgesetzt.

• Leonardo da Vinci: Das Letzte Abendmahl (ca. 1490er), Fotorepro der Gebrüder Alinari (ca. 1875-1900) RMA •

Leonardo da Vinci zum Beispiel revolutionierte das letzte Abendmahl in Inhalt und Form mit einem ikonischen Wandgemälde, das für Jahrhunderte als vielkopierte und variierte Vorlage diente bzw. noch heute zitiert und parodiert wird. Zum Einen wählte er aus der entsprechenden Erzählung den noch unverbrauchten Moment aus, in dem die Jünger auf die schockierende Ankündigung des anstehenden Verrats des Meisters durch einen von ihnen heftig reagierten. Zum Anderen ordnete er die Szene innovativ an, indem er die Gesellschaft gleichermaßen rechts und links von Christus verteilte, aber keine Figur ihm gegenüber setzte, was die theatralen Reaktionen wie auf einer Bühne optimal veranschaulicht. Durch die Sitzordnung der Tischgäste ist der Blickt des Betrachters auf die gedeckte Tafel endlich frei, dennoch fühlen wir uns eher von den bewegten Gesichtern und Händen der Jünger angezogen, die so individuell und sprechend gestaltet wurden, und von den dreier Gruppen, welche die strenge Symmetrie des Raums auflockern. So muss das Auge von der ruhenden Mitte (Jesus) immer wieder zu den spannenderen Seiten wandern und die sonst in leichter Aufsicht eigentlich vorteilhaft präsentierten Zutaten des Abendmahls leider vernachlässigen.

• Giovanni Bellini: Madonna mit dem Christuskind, Tempera, Öl und Gold auf Holz (ca. 1470) MMA •

Ein anderer Klassiker der religiösen Malerei in Italien wurde weiterhin fleißig produziert: die Madonna mit dem Kind, selbstverständlich nach den Renaissance-Prinzipien (korrekter Anatomie und Perspektive, größerem Realismus der Details trotz anhaltendem Idealismus) reformiert. Unter den charakteristischen Neuigkeiten ab dem 15. Jahrhundert fallen symbolische Attribute aus dem Reich der Natur auf, wie kleine Tiere und Pflanzen: Neben Blumen, Korallen und Vögelchen können oft Früchte auf Eigenschaften oder auf das Schicksal der beiden Figuren hindeuten. Neben dem sehr oft eingesetzten Obst (s. Teil 2, Kapitel 4) kann gelegentlich auch Gemüse auftauchen. So symbolisieren in Bellinis Gemälde die lampionähnlichen, roten Kürbisse in der Girlande die Wiederauferstehung, die Frucht auf der Brüstung je nach Interpretation den Sündenfall und Erlösung (wenn es ein kleiner Apfel ist) oder das Blutopfer Christi (wenn es eine große Kirsche ist). Crivelli hat mehrere kuriose Mutter-Kind-Bilder gemalt, in denen Marias Kopf sowohl von Obst als auch von Gemüse eingerahmt ist: Da stehen die Gurken (sowie der Distelfink in der Hand des Jesuskinds) für die Erlösung, die Äpfel und die Insekten für die Sünde des Menschen.

• Carlo Crivelli: Madonna mit dem Christuskind, Tempera und Gold auf Holz (ca. 1480) MMA •

Nichtsdestoweniger wurde die thematische Palette der italienischen Kunst in dieser Epoche erweitert: Um die Wende zwischen dem 15. und dem 16. Jahrhundert taucht z.B. das erste bekannte Stilleben der Neuzeit auf: ein Trompe-l’oeil-Gemälde von Jacopo de’ Barbari, das aufgrund des Inhalts vermutlich für die Wandverkleidung eines Jagdschlosses bestimmt war. Hängendes, totes Geflügel, das mehr als vorübergehend an einer Wand auf seine Zubereitung wartet, hatte nachweislich seinen Platz bereits in der altrömischen Malerei gehabt, um dann wieder zu verschwinden; nun stand aber das vergessene Genre des Jagdstillebens wieder auf, das in den kommenden zweihundert Jahren viel Erfolg haben und zuweilen monumentales Ausmass annehmen sollte. Was in Barbaris illusionistischem Werk noch bemerkenswert ist, ist die gelungene Art, Gegenstände dreidimensional wirken zu lassen, wie u.a. der gefaltete Papierzettel unten rechts beweist.

• Jacopo de’ Barbari: Totes Rebhuhn mit Eisenhandschuhen und Armbrustbolzen (1504), S/W-Repro (o.J.) BSGS •

Die frühen italienischen Stilleben waren allerdings eher vegetarisch ausgerichtet: Sie thematisierten vor allem Obst, seltener Gemüse (manchmal mit Ersterem kombiniert). Das Rücken von Lebensmitteln in den Vordergrund der künstlerischen Darstellung hatte mitunter mit der größeren Rolle der Profankunst zu tun, was gleichzeitig die Entstehung oder zumindest größere Verbreitung von solchen Gattungen wie die natura morta und der Genre-Malerei erklärt.

Von einer Künstlerdynastie kommend, spezialisierte sich Annibale Carracci auf Alltagsszenen rund um das Leben von einfachen Leuten, die u.a. damit beschäftigt sind zu essen oder trinken. Es handelte sich also nicht um die übliche Darstellung vermögender Auftraggeber in repräsentativen Portraits, sondern um zunehmend modische Genre-Szenen, welche durch ihr in der Regel kleines Format auch für weniger reiche Bürger erschwinglich waren.

• Annibale Carracci: Trinkender Junge, Öl auf Leinwand (1582-1583) CMA •

Der Reiz des Trinkenden Jungen von Carracci liegt in der zwanglos wirkenden Wiedergabe einer bekannten Situation mit einem aufmerksamen Auge für feine Details und einer guten Hand für eine ansprechende Stimmung: Zwar wurden Lichtreflexe auf Glas und Flasche sowie des Weins auf das Hemd berücksichtigt, dennoch wurde der Realismus des Themas und des Stils nicht in fotografischer Schärfe und dramatischer Komposition überspitzt; das Spiel mit Glanz und Transparenz diente scheinbar fast nur dazu, die Form der durchsichtigen Gefäße zu suggerieren.

Giuseppe Arcimboldo konnte eigentlich auch ganz normale Sakralbilder malen und schöne Vorlagen für Glasmalerei entwerfen, aber berühmt wurde er für eine neuartige Bildfindung, die bis heute sehr beliebt ist. Seine sog. teste composte (zusammengesetzten Köpfe) waren zu seinen Lebzeiten so stark gefragt, dass er die selben Motive mehrfach wiederholen musste und die überaus große Nachfrage nur von unzähligen Kopien von anderer Hand befriedigt werden konnte.

• Giuseppe Arcimboldo: Der Winter, Malerei auf Holz (o.J., 2. Hälfte 16. Jh.) BSGS •

Diese „bizarren Werke”, wie sie damals nicht ohne Bewunderung kommentiert wurden, oder „physiognomische Karikaturen”, wie sie heute manchmal bezeichnet werden, vereinen in einem Bild verschiedene zu einem bestimmten Thema (Element, Jahreszeit, Beruf o.a.) passende Gegenstände und die Erscheinung einer Büste, welche entweder als Abbildung einer echten Persönlichkeit (Portrait) oder als Personifizierung eines abstrakten Konzepts (Allegorie) interpretiert werden können. Die ersten beiden hier reproduzierten Gemälde veranschaulichen Arcimboldos Darstellung des Winters und des Sommers durch Obst und Gemüse der jeweiligen Jahreszeiten, welche zu Profilbildnissen arrangiert werden.

• Giuseppe Arcimboldo: Allegorie: Der Sommer, Malerei auf Holz (o.J., 2. Hälfte 16. Jh.) BSGS •

Arcimboldo beherrschte aber ebenso das Dreiviertelportrait, wie weitere groteske Köpfe beweisen. Andere von ihm erfundene Kompositionen sind kompliziertere Vexierbilder, welche durch Drehen der Leinwand oder Tafel um 180° eine ganz andere Erscheinung annehmen, und sich von einem Kopf in einen Fruchtkorb, eine Gemüseschale oder ein Tablett mit Fleisch verwandeln (s. Teil 2, Kapitel 2). Viele dieser genreübergreifenden Gemälde realisierte der Künstler in Wien und Prag, wo er zu Dienste jeweils der Kaiser Maximilian II. und Rudolf II. war: Die Habsburger nahmen diese eigenwilligen Serien ernst genug, um ihnen auf Ihren Wänden den Ehrenplatz einzuräumen und weitere Ausfertigungen an ausländische Amtskollegen zu verschenken.

• Giuseppe Arcimboldo: Vier Jahreszeiten in einem Kopf, Öl auf Tafel (ca. 1590) NGAW •

Arcimboldo hielt insbesondere Rudolf in einem Bildnis fest, das damals auch aufgrund der verblüffenden Ähnlichkeit mit dem Dargestellten viel zelebriert wurde. Heute, da die Gesichtszüge des engagierten Kunstmäzens im Allgemeinen weniger präsent sind, fällt vielleicht eher die gelungene Kombination von Portrait, Stilleben und Allegorie auf, da der Kaiser hier in der „Verkleidung” als Vertumnus (Gott der jahreszeitlichen Wechsel)...

Erscheint lt. Verlag 31.7.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
ISBN-10 3-7519-5243-8 / 3751952438
ISBN-13 978-3-7519-5243-9 / 9783751952439
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