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Und dann springe ich -  Michael Sieben

Und dann springe ich (eBook)

Spannender Coming-of-Age-Roman über Freundschaft, Liebe und Mut
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
240 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93727-5 (ISBN)
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Neue Wege, alte Wunden und eine Menge Gefühle: Zwei Teens kämpfen sich durchs Chaos - und zueinander. Ava ist weg - und ausgerechnet mir hinterlässt sie diese seltsamen Nachrichten! Klar, wir waren mal eng. Aber das ist schon eine Weile her, das war, bevor alle sie nur Evil Ava nannten. Weil sie einfach genervt und mit niemandem geredet hat. Auch nicht mit mir. Seit Wochen nicht mehr. Und jetzt dieses Foto und die Sache mit dem Schulspind. Was, wenn ihr etwas passiert ist? Wenn sie meine Hilfe braucht? So schwer es auch ist: Ich muss ihren Zeichen folgen, ich muss alles loslassen und springen - in unsere Vergangenheit, zu meinen Gefühlen, zu ihrer Wahrheit. Und am Ende vielleicht ... zu ihr. Spannend, lässig, überraschend - ein vielschichtiger Coming-of-Age-Roman.

Michael Sieben, geboren 1977, studierte Wirtschaftswissenschaften in Mainz, Köln und Paris und lebt in Berlin. 2011 war er einer der Open-Mike-Finalisten. Für sein Debüt »Ponderosa« erhielt er u.a. das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium.

Michael Sieben, geboren 1977, studierte Wirtschaftswissenschaften in Mainz, Köln und Paris und lebt in Berlin. 2011 war er einer der Open-Mike-Finalisten. Für sein Debüt »Ponderosa« erhielt er u.a. das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium.

Freitagnachmittag


Ava fehlt jetzt schon den dritten Tag. Es ist nicht das erste Mal, dass sie abgehauen ist, darum macht sich auch keiner so richtig Gedanken um sie. Also, fast keiner. Irgendjemand hat eine Vermisstenanzeige mit einem unscharfen Foto von ihr an die Tür vom American Diner geklebt. Eine kurze Personenbeschreibung mit der Bitte, sich bei sachdienlichen Hinweisen zum Verschwinden von Ava Mardani bei der örtlichen Polizeidienststelle oder unter 110 zu melden. Das Foto muss im April aufgenommen worden sein, kurz nachdem sie sich die Haare abgeschnitten hat. Drei Millimeter – wir waren richtig geschockt, als sie so in die Klasse kam. Göbel hat gesagt, die sieht aus, als hätte sie Krebs.

In der Schule heißt es, Ava wäre per Anhalter Richtung Portugal unterwegs, um sich einer Gruppe von Aussteigern anzuschließen, die den ganzen Tag am Strand rumhängen und kiffen. Keine Ahnung, welcher Spaten das Gerücht in die Welt gesetzt hat. Jemand, der Ava nicht besonders gut kennt, so viel steht fest. Ich bin mir sicher, dass sie morgen oder übermorgen wiederauftaucht und so tut, als wäre nix gewesen.

Als sich Ava vor ein paar Wochen das erste Mal eine »Auszeit« genommen hatte, war die Aufregung groß. Ein paar Stunden lang war sie sogar die Headline auf bild.de: Wo ist Ava? Mädchen (17) auf dem Weg zur Schule verschwunden. Vor dem Rathaus hatten sich schon über hundert Freiwillige versammelt, die das Waldgebiet um den Schadower See absuchen wollten. Dann hat ihre Mutter die Nachricht gefunden, die Ava an die Kühlschranktür gepinnt hatte. Sie würde zu einer Freundin nach Hamburg trampen und spätestens am Wochenende zurückkommen. Noch am selben Abend haben sie Ava mit einem Pappschild mit der Aufschrift »HH« auf einer Autobahnraststätte aufgegriffen und nach Hause gebracht. Kein Wort hat sie zu ihrer Aktion gesagt, zu niemandem, und zu mir erst recht nicht. Da hatten wir schon längst Funkstille.

Es ist Freitagnachmittag, im Diner ist nicht viel los. Ich schaue durch das Panoramafenster auf den See. Zwei Ruderboote liefern sich ein Wettrennen und ziehen in kerzengeraden Bahnen über das Wasser. Weiter hinten erstreckt sich die alte Eisenbahnbrücke von Ufer zu Ufer, auf der anderen Seite ragen die Plattenbauten von Schadow Nord in den Himmel. In der Küche brutzeln Burger-Pattys auf dem Herd, auf dem Fernseher über der Tür laufen uralte Musikvideos, Shakira, 2Pac, Eminem und so was. Zur Mittagszeit kriegst du im Diner kaum einen Platz, weil dann alle aus der Oberstufe kommen, die keinen Bock auf das Mensaessen haben. Am Wochenende ist der Laden voll mit Badetouristen. Letztes Jahr haben sie den Schadower See zum zweitschönsten der Region gewählt und seitdem ist die Stadt ab Samstagmorgen komplett dicht.

»Der Doc hat die Klassenfotos geschickt«, sagt Jessi aufgeregt und setzt sich mir gegenüber.

»Echt? Ich hab noch nichts bekommen.«

»Guck mal in deine Mails.«

Jessi tippt auf ihrem Handy rum, wobei sie gekonnt ignoriert, dass die Leute am Nachbartisch schon seit einer Ewigkeit zahlen wollen. Als Bedienung ist Jessi eine Null. Der Job passt einfach nicht zu ihr. Andere zu bedienen passt nicht zu ihr. Allein ihr Outfit: Jessi legt superviel Wert auf ihr Äußeres, trägt immer teure Sachen, immer Make-up und Parfum, und wenn sie einen Zopf hat, bindet sie sich die Haare ständig neu, damit sie auch ja richtig sitzen. Sie mit der roten American Diner-Schürze und der albernen Schiffchenmütze auf dem Kopf zu sehen, ist wirklich komisch.

»Mann ey, ich kann sie nicht öffnen. Das WLAN funzt wieder nicht«, stöhnt sie und schiebt das Handy von sich. Sie wirft einen Blick zur Küche, wo ein Mann mit Halbglatze und fettfleckiger Schürze die Pattys wendet, beugt sich über den Tisch zu mir und flüstert: »Der Alte ist einfach zu geizig, einen neuen Vertrag zu machen …«

Die Tür öffnet sich und Jessis Schwester Esra kommt ins Diner. Für einen Moment übertönt ein Hupkonzert die Musik aus dem Fernseher, weil draußen ein BMW mit einem Sportboot auf dem Anhänger nicht um die scharfe Kurve am Ortseingang kommt und beide Fahrbahnen blockiert.

»Sis, da bist du ja.« Jessi springt auf und begrüßt sie mit Küsschen.

Wenn du die beiden nicht kennst, würdest du nie auf die Idee kommen, dass sie Zwillinge sind. Esra hat lange dunkelbraune Haare, ein schmales, feines Gesicht mit hohen Wangenknochen und eine sportliche Figur. Sie ist superehrgeizig bei allem und weiß genau, was sie will. Ich glaube, ein paar Leute verwechseln das mit Arroganz. Vor allem die Mädchen, die meisten Jungs stehen auf sie.

Jessi ist blond, ihr Gesicht ist runder und hat viele Sommersprossen. Sie ist nicht so megahübsch wie Esra, hat dafür aber die größere Klappe und wirft manchmal mit Schimpfwörtern um sich, die ihre Schwester im Leben nicht in den Mund nehmen würde.

Während Esra seit zwei Jahren mit ihrem Lennart zusammen ist, hat Jessi eine komplizierte On-off-Beziehung mit Göbel und zwischendurch immer mal andere Typen, mit denen sie es aber nie lang aushält.

»Habt ihr die Klassenfotos gesehen?«, sagt Esra. »Ich sehe echt peinlich aus.«

»Jaja, Sis, wer’s glaubt. Mann, ich krieg sie nicht runtergeladen …« Jessi verdreht die Augen, weil in der Küche hektisch geklingelt wird. »Sorry, ich muss weitermachen. Der Alte stresst rum.«

Im Fernsehen läuft jetzt ein Konzertausschnitt von Harry Styles. Die Ruderboote haben die hölzerne Badeplattform mit dem Sprungturm und der kleinen Wasserrutsche in der Mitte des Sees erreicht, umkreisen sie wie zwei Haie ihr Opfer und machen sich wieder auf den Rückweg zum Hafen. Gähnend nimmt Jessi einen Teller Chickenwings aus der Durchreiche entgegen und verschwindet damit im vorderen Teil des Diners.

Esra legt ihr Handy auf den Tisch und fährt mit dem Zeigefinger über das Display, wobei sie ihre Schneidezähne auf die Unterlippe presst und in regelmäßigen Abständen den Kopf schüttelt.

»Congrats«, sage ich.

Esra schaut auf. »Wie bitte?«

»Wegen Mathe, meine ich.«

»Ach so«, sagt Esra. »Das war doch nur Glück. Bei Vektorrechnung wäre ich blank gewesen.«

»Glück? Du bist doch immer die Beste in Mathe …«

Esra zuckt mit den Schultern und wendet sich wieder ihrem Handy zu. »Ich bin froh, wenn ich irgendwie durchkomme.«

Das ist natürlich die maximale Untertreibung. Als der Doc den Notenspiegel an die Wand geworfen hat, war jedem klar, wer die einzige Eins hat. Esra ist in allen Fächern richtig gut, in wirklich allen, sogar in Kunst und in Sport, aber noch besser ist sie darin, es abzustreiten und runterzuspielen.

»Hast du dir die Fotos schon angeguckt?«, sagt sie. »Es gibt kein Bild, auf dem ich nicht total schräg aussehe.«

»Du spinnst«, sage ich, während sich die Fotos auf meinem Handy langsam öffnen. »Schau mich mal an. Wie ich gucke.«

»Wie ein Mutant«, sagt Esra augenzwinkernd.

Ich kann die Metallschrauben in meiner Wirbelsäule plötzlich deutlich spüren. Vier kalte, harte Fremdkörper, die sich tief in meinen Rücken bohren und mich daran erinnern, dass ich anders bin als die anderen. Die OP ist ewig her und ich kann mich längst wieder normal bewegen, aber für viele bin ich immer noch der Typ mit der Titanplatte im Rücken. Eigentlich war es eine Routineoperation. Schon ein ziemlicher Eingriff, aber in der Charité machen die so was am laufenden Band. Das geringe Risiko kannst du dir allerdings sonst wohin schieben, wenn es ausgerechnet bei dir Komplikationen gibt. Über fünf Monate war ich ausgeknockt und konnte nicht in die Schule gehen. Göbel nennt mich wegen der Titanplatte und der Narben manchmal Mutant, und ein paar Leute finden das witzig. Esra anscheinend auch. Ich tue so, als wäre ich tief getroffen, was gar nicht so einfach ist, weil ich tief getroffen bin, aber vortäuschen muss, ich würde es spielen.

Esra streicht mir über den Arm. »Babe, hallo? Das war doch nur ein Spaß.«

»Jaja …«

»Ach komm schon. I love you, das weißt du doch.«

I love you. Esra übertreibt es immer ein bisschen mit ihren Zuneigungsbekundungen, das ist so ihre Art, das macht sie bei allen, die sie mag. Ava findet das furchtbar. Die will sich doch nur einschleimen und beliebt machen, checkst du das nicht? Ava findet so ziemlich alles furchtbar, was die Zwillinge sagen oder tun.

»Bist du jetzt sauer?«

»Ich? Nein, Quatsch«, sage ich und scrolle durch die Klassenfotos. Sie wurden letzte Woche auf den Stufen vor dem Hauptgebäude der Schule aufgenommen. Bei einem durften wir komplett freidrehen, hochspringen, Grimassen schneiden, Arme in die Luft werfen und so weiter, wenn wir danach seriöse Fotos machen, das war der Deal.

Ich bleibe bei unserem Actionfoto hängen und vergrößere den Ausschnitt um Esra. Sie hat ihren Mund zu einer Schnute geformt und wirft dem Fotografen einen Kuss zu, wobei sie natürlich alles andere als peinlich oder komisch aussieht. Lennart und Göbel tun so, als würden sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen, Deniz streckt die Zunge raus und macht das Peace-Zeichen und Ava … ich glaube, ich sehe nicht richtig. Sie steht in der letzten Reihe ganz rechts, mit ein bisschen mehr Abstand zu den anderen, als nötig gewesen wäre. Ihre Haare trägt sie immer noch kurz, sie sind kaum mehr als ein dunkler Schatten auf ihrem Schädel, ihre Augen unter den dunklen Brauen sind starr und ausdruckslos, gucken direkt in die...

Erscheint lt. Verlag 25.3.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte coming of age buch • Dramatische Liebesgeschichte • Familienprobleme • friends to lovers deutsch • Jugendbuch Mobbing • Jugendbuch romantisch Young Adult • realistische Liebesgeschichte • realistischen Buch junge Erwachsene • realistisches Jugendbuch
ISBN-10 3-646-93727-0 / 3646937270
ISBN-13 978-3-646-93727-5 / 9783646937275
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