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Vernetzt und zugewandt - digitale Gemeinde gestalten -  Philipp Greifenstein,  Hanno Terbuyken

Vernetzt und zugewandt - digitale Gemeinde gestalten (eBook)

Ein Praxishandbuch
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
221 Seiten
Neukirchener Verlagsgesellschaft
978-3-7615-6981-8 (ISBN)
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20,99 inkl. MwSt
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Die Lebenswelt der meisten Menschen ist digital, viele Gemeinden sind es dagegen noch nicht. Nicht nur bei sinkenden Mitglieder- und Gottesdienstbesucherzahlen wird es höchste Zeit, Wege zu finden, um relevant zu bleiben. Auch darüber hinaus bieten digitale Angebote viel Mehrwert für ein lebendiges Gemeindeleben. Für alle, denen die technischen Hürden bisher immer zu groß vorkamen und das eigene Wissen zu klein, und für alle, die sich digital noch weiterentwickeln wollen, gibt es jetzt dieses hilfreiche Buch. Anschaulich und praxisnah zeigen die erfahrenen Autoren, wie die Digitalisierung gelingen kann: von Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten über digitale Zusammenarbeit, Alltagsorganisation und Verwaltung bis hin zu Online-Inhalten und Gottesdienstformaten. Häufige Probleme sparen sie dabei nicht aus und empfehlen konkrete und erprobte Lösungswege. Beim Gestalten der 'digitalen Gemeinde' geht es den beiden Autoren nicht um eine komplette Verlagerung des Gemeindelebens ins Internet, sondern um ein bereicherndes Zusammenspiel und Ineinandergreifen von Digitalem und Analogem, von Online- und Offline-Angeboten. Ein hilfreicher Begleiter für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende und Gemeindeleitungen aller Konfessionen, um die eigene Gemeinde fit für die digitale Gesellschaft zu machen.

Philipp Greifenstein, geb. 1988, ist Journalist, Referent und Gründer des Magazins für Kirche, Politik und Kultur 'Die Eule' (eulemagazin.de). Als unabhängiger Beobachter schreibt und referiert er u.a. über Digitalisierung und Medienarbeit in den Kirchen.

Kapitel 2:

Wie die Digitalisierung Gemeinde verändert

Große Pläne machen, kleine Schritte gehen

Wenn Sie sich nun dazu entschieden haben, Ihre Kirchengemeinde digitaler zu machen, stehen Sie vor der Herausforderung: Wie machen wir das konkret? Auch wenn digitale Gemeinde ohne die richtige Einstellung nicht funktioniert, muss zum Denken natürlich das Handeln hinzukommen.

Wir erinnern uns: Die innere Gestalt ist die Haltung und die grundsätzliche Bereitschaft zur Vernetzung und Entgrenzung in der Zusammenarbeit. Die äußere Gestalt ist der konkret sichtbare Einsatz digitaler Werkzeuge. Das eine geht nicht ohne das andere: Wenn ich einen Instagram-Account für die Gemeinde eröffne, aber nur der Pfarrer das Passwort des Accounts hat, spiegelt sich darin eine andere innere Gestalt wieder als wenn ich allen Mitarbeiter:innen das Passwort zur Verfügung stelle und wöchentliche sogenannte Handover durch verschiedene Verantwortliche gestalte oder jeden Inhalt im Kirchenvorstand absegnen lassen möchte.

Digitale Prozesse in der Gemeinde funktionieren nur dann auf Dauer gut, wenn sie nicht als Beiwerk, Mehrarbeit und nebensächlich betrachtet werden. Eine kritische Masse an Mitmachenden ist wichtig. Digitalisierung ist nicht Kür und Innovation, sondern Notwendigkeit und Alltag. Es gibt daher einige Fragen, die jede Kirchengemeinde für sich beantworten muss, wenn sie sich auf den Weg zur digitalen Gemeinde macht.

Die äußere Gestaltung der digitalen Kirchengemeinde verrät manchmal mehr als uns lieb ist über die innere Gestalt unserer Gemeinschaft, über unser Verständnis von Kirche-Sein. Digitalisierung sorgt nicht per se für Veränderung, aber sie sorgt nicht selten dafür, dass Missstände erkannt werden, weil wir sie durch eine andere Linse, eben die der Digitalisierung betrachten. Wer sich ernstlich auf den Weg macht, die eigene Kirchengemeinde zu digitalisieren, wird immer auch mit Fragen nach dem Verständnis unserer Gemeinschaft als soziale Gruppe am Ort und als Kirche konfrontiert. Das liegt auch daran, dass Digitalisierung niemals wertfrei ist. Es geht eben nie nur um Technik oder Werkzeuge. Der Digitalität wohnen eigene Grundmuster und Überzeugungen inne, die das Leben einer digitalisierten Gemeinde bestimmen.7 In diesem Sinne ist Digitalisierung Teil von Kirchenentwicklung.

Solche Selbstverständnisfragen sind zum Beispiel: Wollen wir uns darauf einlassen, dass sich althergebrachte, eingespielte Vorgänge verändern dürfen? Wollen wir neue Freiheiten leben? Wollen wir eine neue, größere Gleichberechtigung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen zulassen? Wollen wir eine Gemeinde werden, die stärker bedarfsgerecht statt absender-orientiert handelt? Für wen sind wir eigentlich da?

Wer traut sich?

Wenn niemand etwas verändern will, wird sich auch nichts verändern, jedenfalls nicht in absichtlicher Richtung. In allen Kirchengemeinden werden ständig Entscheidungen getroffen, die etwas verändern. Zum Beispiel: Jemand entscheidet, nicht mehr zum Gottesdienst zu kommen, und fehlt also in Zukunft, vielleicht nicht nur als Gottesdienstbesucher, sondern gar als Lektor:in. Wenn ein Kind geboren wird und die Eltern stehen vor der Entscheidung, ob sie es taufen lassen, nehmen sie mit ihrer Entscheidung konkreten Einfluss darauf, ob und wie ihr Kind in Zukunft von der Kirchengemeinde wahrgenommen wird. Wenn der Kirchenvorstand entscheidet, dass die Kirche tagsüber geöffnet sein soll, verändert sich womöglich das soziale Leben im Umfeld des Kirchengebäudes. Solche Veränderungen sind schleichend und allmählich. Ganz viele kleine Entscheidungen sorgen für große Wirkungen. Große Pläne machen und kleine Schritte gehen, ist ein guter Weg, um ans Ziel zu ­kommen!

Es ist immer leichter, etwas nicht zu tun, als Neues tatsächlich anzustoßen und umzusetzen. Das stimmt umso mehr, je größer die Idee zur Veränderung ist: Je größer die Veränderung, umso größer auch der Widerstand. Um zu einer breiteren Akzeptanz von Veränderung zu kommen, sollten alle Beteiligten verstehen, dass es um uns herum immer Veränderungen gibt. Es geht darum zu erkennen, welche Veränderungen man als Einzelperson oder als Gruppe überhaupt beeinflussen kann und beeinflussen möchte, denn alle Veränderungen aufhalten geht nicht.

Methodisch hilft es, bei dieser Frage einmal aktiv zu sammeln, was sich in den letzten Wochen, Monaten oder sogar Jahren in der Kirchengemeinde verändert hat und was gleich geblieben ist. Dann kann man gemeinsam überlegen: Welche der Veränderungen fanden wir gut, welche nicht? Wovon hätten wir gern mehr, was hätten wir gern gestoppt? Und was von dem, was gleich geblieben ist, wollen wir aktiv erhalten und was ist einfach nur deshalb so geblieben, weil es niemand hinterfragt hat?

In der Beantwortung dieser Fragen muss man ehrlich sein. Es kann sein, dass sich eine Mehrheit eines Gremiums oder einer Arbeitsgruppe findet, die wirklich etwas verändern will. Es kann ebenso sein, dass eine Mehrheit nichts verändern möchte. Wenn die grundsätzliche Ablehnung von Veränderung eine sehr große Mehrheit findet, kann das jene Menschen, die eine Veränderung vorschlagen, abschrecken. Manchmal gehen sie dann und suchen sich eine andere Gruppe, Gemeinde oder Arbeitsstelle, in der sie mehr Zuspruch erfahren.

Dabei ist ein Kompromiss manchmal schwierig. Natürlich kann man sich darauf einigen, nur an einer kleinen Ecke etwas zu verändern. Aber das hat Folgen. Ein einfaches Beispiel: Die Webmaster wollen die Webseite der Gemeinde in ein modernes Design übertragen und nutzen dafür ein neues technisches System, das einen digitalen Gemeindekalender mitbringt, damit alle Termine automatisch auf der Webseite gezeigt werden können. Der Kirchenvorstand entscheidet sich mehrheitlich für das Design, aber will nichts an der Organisation der Veranstaltungsplanung ändern. Das wird nicht funktionieren. Wer die äußere Gestalt ändern möchte, muss auch bereit sein, die innere Gestalt anzupassen.

Veränderung akzeptieren, mit den Menschen ­rechnen

„Culture eats strategy for breakfast”8 ist einer der meistzitierten Sätze in Managementkursen, weil er stimmt: Wie wir in konkreten Situationen handeln, kann jede Festlegung darauf, was man eigentlich strategisch erreichen möchte, direkt wieder umwerfen. Wer Veränderungen möchte, muss akzeptieren, dass Dinge wirklich nicht so sein werden, wie sie vorher waren, und mit dieser Erkenntnis im Herzen auch einverstanden sein. Die Frage ist: Akzeptieren wir, dass manche Dinge nicht so sein werden wie zuvor?

Das „Gelassenheitsgebet“ des US-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr, das von den Anonymen Alkoholikern (AA) und vom Zentrum Innere Führung der Bundeswehr genutzt wird, fasst zusammen: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Das ist als Erinnerungsstütze im Leben wie bei der Digitalisierung einer Kirchengemeinde hilfreich, besonders wenn wir uns einmal kurz die Urfassung des Gebetes anschauen: Da bittet Niebuhr um „courage to change what must be altered, serenity to accept what cannot be helped“, den „Mut zu ändern, was sich ändern muss, Gelassenheit hinzunehmen, was wir nicht verbessern können“. Denn es gibt natürlich Dinge, die sich ändern müssten, die wir aber nicht ändern können, weil uns Kraft und Zeit, Engagement und Geduld ausgegangen sind. Digitalisierung für und mit Menschen rechnet damit, dass Menschen nicht mitmachen wollen, der Digitalisierung als Ganzes oder einzelnen digitalen Werkzeugen sehr skeptisch gegenüberstehen.

Teil des Technikglaubens des Silicon Valley ist die Annahme, durch die Digitalisierung würden wir Menschen uns auf magische Weise verändern und zu ganz neuen Menschen werden. Christ:innen wissen, dass wir das – im Hinblick auf die innere Gestalt – nicht werden können. Uns „neu zu machen“ ist Gott und seiner erlösenden Botschaft vorbehalten. Wir können uns verändern lassen, aber unter den Bedingungen unserer gefallenen Welt müssen und können wir auch einen guten Umgang damit finden, dass wir Menschen nun einmal ganz menschlich sind. Und das heißt: Die meisten Menschen bringen nur ab und zu wirklich den Mut für Neues auf.

Müssen wir „alle mitnehmen“?

Es mag im Kontext der Kirche radikal klingen, aber manchmal dürfen Menschen vorangehen und Dinge alleine machen. Wenn eine:r oder zwei dagegen sind – egal, gegen was – und deshalb Entscheidungen nicht getroffen werden, wird ihnen eine Veto-Macht gegeben, die im Normalfall gar nicht gewollt ist. „Einstimmig“ bedeutet andersherum nämlich auch: „Jede Person kann alles aufhalten“. Werfen Sie einen Blick ins entsprechende Kirchengesetz, in dem die Aufgaben und Arbeitsweisen des Kirchenvorstands und vergleichbarer Gremien beschrieben sind! Dort wird in der Regel festgehalten, wie Entscheidungen grundsätzlich getroffen werden sollen – nämlich als Mehrheitsentscheidung und nicht einstimmig. Wenn es de jure ein Veto gibt, zum Beispiel durch den Pfarrer in katholischen Pfarreien, ist das explizit erwähnt.

Es ist übrigens ok, wenn nach Mehrheitsabstimmungen die Nein-Stimmen den angestoßenen Prozess auch weiterhin kritisch beobachten. Das kann sogar positive Effekte haben, weil dann die Frage nach dem tatsächlichen Erfolg ernsthaft gestellt wird. Es ist möglich und nicht selten nötig, dass sich einzelne Menschen schon auf den Weg begeben, vor dem andere noch zurückschrecken. Das wandernde...

Erscheint lt. Verlag 4.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-7615-6981-5 / 3761569815
ISBN-13 978-3-7615-6981-8 / 9783761569818
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