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Kleine Geschichte Taiwans -  Gunter Schubert

Kleine Geschichte Taiwans (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
185 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-81393-1 (ISBN)
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An nur wenigen Orten verdichtet sich die Weltpolitik gegenwärtig so stark wie rund um Taiwan. Chinas Ansprüche auf die Insel haben das Potential einen Krieg auszulösen zwischen den beiden stärksten Militärmächten der Welt. Gunter Schubert, einer der besten Kenner des heutigen Taiwan, führt in dessen Geschichte und Gegenwart ein und hilft, den Konflikt besser zu verstehen. Taiwan hat eine wechselvolle Geschichte, in denen sich Phasen der Zugehörigkeit zum chinesischen Festland mit Zeiten kolonialer Herrschaft ablösten. Den knapp 200 Jahren unter der Qing-Dynastie folgten von 1895 bis 1945 die Jahre unter japanischer Kolonialherrschaft. Als Folge des chinesischen Bürgerkriegs wurde Taiwan zum Rückzugsort der unterlegenen Kuomintang unter Tschiang-kai-schek. Lange Zeit sahen sich beide, Taiwan ebenso wie das kommunistische Regime auf dem Festland, als eigentliche Repräsentanten Chinas und erhoben Ansprüche auf das Gebiet des jeweils anderen. Inzwischen hat sich Taiwan immer mehr von Festlandchina entfernt, und ein Großteil der Bevölkerung sieht ihr Land trotz der vielschichtigen kulturellen und historischen Verflechtung als einen souveränen Staat. Gunter Schubert leuchtet die komplexe kulturelle, politische und nationale Identität Taiwans aus und macht so das schwierige Verhältnis der Inselrepublik zur Volksrepublik China auf knappem Raum verständlich.

Gunter Schubert ist seit 2003 Professor für Greater China Studies am Asien-Orient-Institut, Abteilung für Sinologie, der Eberhard Karls Universität Tübingen. Er bereist Taiwan (wie auch die Volksrepublik China und Hongkong) seit über 30 Jahren und führt dort regelmäßig Feldforschung durch. 2008 gründete er das European Research Center on Contemporary Taiwan an der Universität Tübingen und ist seitdem dessen Direktor. Er zählt zu den international renommiertesten Kennern des gegenwärtigen Taiwans.

Einleitung


Die Inselrepublik Taiwan, die die offizielle Bezeichnung Republik China trägt und in den Zeiten des Kalten Krieges im 20. Jahrhundert weithin auch als «Nationalchina» bezeichnet wurde, hat in jüngster Zeit eine enorme internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. So bezeichnete die einflussreiche britische Wochenzeitschrift The Economist auf dem Cover ihrer Ausgabe vom 1. Mai 2021 Taiwan als «den gefährlichsten Ort auf der Welt». Hintergrund waren massive Einschüchterungsversuche der chinesischen Volksbefreiungsarmee (VBA), die mit militärischen Manövern in der Taiwanstraße – der Meerenge zwischen der Insel Taiwan und der südchinesischen Küste – die taiwanische Regierung vor den Konsequenzen eines aus der Sicht Pekings zunehmend offensiveren «Sezessionskurses» warnen wollte. Über mehrere Monate drangen Militärflugzeuge in die Luftraumüberwachungszone Taiwans ein,[1] während Kriegsschiffe der VBA sich den von Taiwan beanspruchten Hoheitsgewässern bedrohlich näherten – Gebiete freilich, die unter diesen Bezeichnungen für die Regierung in Peking gar nicht existieren, da Taiwan als integraler Bestandteil des Territoriums der Volksrepublik (VR) China gilt. Diese Aktionen hielten an und verschärften sich im August 2022, nachdem die damalige Sprecherin des US-amerikanischen Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Taiwan einen Kurzbesuch abgestattet hatte. Die chinesische Regierung sah darin einen Tabubruch: Denn seit der Normalisierung der Beziehungen zwischen der VR China und den USA 1972 war es unausgesprochener Konsens zwischen beiden Staaten gewesen, dass keine Regierungsmitglieder oder führende Repräsentanten der USA Taiwan besuchen durften. Damit sollte der Eindruck vermieden werden, Taiwans Außenbeziehungen seien die eines souveränen Staates. Auch alle anderen Länder, die seit den frühen 1970er Jahren diplomatische Beziehungen zur VR China knüpften (und dafür ihre zuvor bestehenden Beziehungen zur Republik China, sofern solche bestanden, aufkündigen mussten), respektierten diese Forderung Pekings. Doch nachdem schon vor dem Besuch Pelosis der Delegationsverkehr aus dem «Westen»[2] in Richtung Taiwan deutlich zugenommen hatte, schien mit der Aktion der prominenten Demokratin nunmehr eine neue Ära eingeleitet, in der die chinakritischen Kräfte in den USA und Europa bereit und willens waren, ihre Beziehungen zu Taiwan systematisch aufzuwerten. Die chinesische Regierung reagierte mit massiven Militärmanövern rund um Taiwan, in denen scharfe Munition verwendet und erstmals auch ballistische Raketen über Taiwan hinweggeschossen wurden. Zudem sprach sie deutliche Warnungen gegenüber allen Staaten aus, deren führende politische Repräsentanten dem Beispiel Pelosis, in welcher Form auch immer, folgen würden. Die Nachricht war klar: Bis hierher und nicht weiter!

Die neue Brisanz des sino-taiwanischen Souveränitätskonflikts, oft auch als «Taiwanfrage» bezeichnet, hat unmittelbar mit den weltpolitischen Machtverschiebungen der jüngeren Vergangenheit, den daraus resultierenden Spannungen zwischen den USA und China[3], aber auch mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu tun – ein Krieg, den die Regierung in Peking bisher nicht verurteilte, weil ihr die «strategische Partnerschaft» mit Russland wichtiger ist als das ihr ansonsten sakrosankte Prinzip der territorialen Integrität souveräner Staaten. Im «Westen» war es schon lange vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs zu einem Stimmungswandel gekommen, im Zuge dessen China stark an Sympathien einbüßte und die Chinakritik allenthalben zunahm. So steht das Regime der Kommunistischen Partei (KP) Chinas seit Jahren wegen eklatanter Menschenrechtsverletzungen an der Volksgruppe der Uiguren, aber auch an anderen religiösen und ethnischen Minderheiten, sowie wegen der anhaltenden Unterdrückung von Regimegegnern und Dissidenten, NGO-Aktivisten und andern kritischen Geistern aus der chinesischen Zivilgesellschaft am Pranger. Auch unfaire Handelspraktiken und einen ausgeprägten Wirtschaftsnationalismus wirft man China vor, mit dem ausländische Wettbewerber auf dem chinesischen Markt systematisch benachteiligt würden, während chinesische Staatskonzerne und Privatunternehmen sowohl in China selbst als auch im Ausland auf massive, wettbewerbsverzerrende Unterstützung der Regierung in Peking zählen könnten. Chinas Aufstieg zu einer «Supermacht», der einhergeht mit globalen Investitionsoffensiven, etwa im Rahmen der transkontinental angelegten Seidenstraßeninitiative,[4] und einer systematischen Aufrüstung und Modernisierung der VBA, wird in vielen Teilen der Welt, vor allem aber im «Westen», mit Sorge beobachtet. Und es wächst die Entschlossenheit, China entgegenzutreten – zum Beispiel in der «Taiwanfrage» mit einer immer deutlicheren, wenn auch nicht expliziten Infragestellung des chinesischen Souveränitätsanspruchs über die Inselrepublik.

Niemals war die internationale Berichterstattung über Taiwan intensiver, als sie seit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 ist. Die erstaunlichen Leistungen der Inselrepublik bei der Bekämpfung des Virus waren nicht nur um ihrer selbst willen berichtenswert.[5] Taiwan, ein demokratisch verfasstes und kulturell weitgehend chinesisch geprägtes Gemeinwesen, stellte von Beginn an das Narrativ der Regierung in Peking infrage, mit den erzielten Erfolgen bei der Unterbrechung von Infektionsketten durch harte Lockdowns und Massentestungen die Leistungsfähigkeit und globale Überlegenheit des eigenen (autoritären) politischen Systems bewiesen zu haben. Spätestens nach dem Beginn des russischen Invasionskrieges in der Ukraine im Februar 2022 wurde Taiwan zur Projektionsfläche für die Entrüstung im «Westen» über die rücksichtslose Verfolgung neo-imperialer Ziele durch autokratische Regime wie in Russland und China. Taiwan dürfe nicht das gleiche Schicksal ereilen wie die Ukraine, so der Tenor im politischen Establishment und in den Medien – auch wenn die Ukraine ein souveräner Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen ist, während die Republik China lediglich von wenigen kleineren Staaten im Globalen Süden sowie vom Vatikan anerkannt wird und seit den frühen 1970er Jahren mit dem Umstand konfrontiert ist, international weitgehend isoliert zu sein.

Sicherlich verläuft in der Taiwanstraße nicht nur eine Frontlinie in einem Souveränitätskonflikt, sondern inzwischen auch eine weitere zwischen unterschiedlichen «Systemlogiken» – hier dem demokratischen Wettbewerb verpflichtete, dort autoritär verfasste Systeme. Taiwan gilt als «Frontstaat» in einer globalen Auseinandersetzung zwischen dem demokratischen «Westen» und dem autoritären «Nicht-Westen». Diese Antinomie ist aus verschiedenen Gründen problematisch, aber sie bestimmt den internationalen politischen Diskurs der Gegenwart maßgeblich und strahlt sehr stark auf die «Taiwanfrage» ab. Parallel dazu ist Taiwan zu einem zentralen Referenzpunkt der internationalen Debatte über die Zukunft der Halbleiterindustrie und die damit verbundenen globalen Lieferketten geworden. Vor allem repräsentiert durch die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), das weltweit führende Unternehmen für die Produktion von Chips, wurde die Halbleiterindustrie schon vor Jahren als «Silikonschild» der Inselrepublik bezeichnet. Heute scheint diese internationale Ausnahmeposition wie Fluch und Segen zugleich: In Taiwan werden die Weichen für die Informations- und Kommunikationstechnologie der Zukunft gestellt. Ohne Zugang zu taiwanischen Chips können ganze Volkswirtschaften, nicht zuletzt die der USA und Chinas, in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Dies exponiert Taiwan im gegenwärtigen Konflikt zwischen den beiden «Supermächten» in zusätzlicher Weise. Ob sich die derzeitigen Spannungen zwischen der Inselrepublik und der VR China vor diesem Hintergrund schon bald weiter verschärfen werden, vermag niemand zu sagen.

Jedenfalls wird an der großen Aufmerksamkeit und neuen politischen Unterstützung für Taiwan, nicht zuletzt in Europa, deutlich, dass sich einiges verschoben hat in der Welt. Taiwans wechselvolle Geschichte und komplexe Gegenwart illustrieren den globalen politischen Strukturwandel nicht nur; sie tragen auch zu seinem besseren Verständnis bei. So ist es nicht verwunderlich, dass das öffentliche Interesse auch hierzulande spürbar gestiegen ist, mehr über Geschichte, Politik und Gesellschaft Taiwans zu erfahren und die «Taiwanfrage» besser zu verstehen. Die hier vorgelegte, knapp gehaltene Geschichte Taiwans verfolgt vor diesem Hintergrund zwei zentrale Ziele:...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2024
Reihe/Serie Beck Paperback
Zusatzinfo mit 2 Karten
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Asien • Besatzung • Bürgerkrieg • China • Formosa • Gegenwart • Geopolitik • Geschichte • Identität • Inselrepublik • Kolonialgeschichte • Konflikt • Nationalchina • Ostasien • Politik • Rotchina • Taiwan • Volksrepublik
ISBN-10 3-406-81393-3 / 3406813933
ISBN-13 978-3-406-81393-1 / 9783406813931
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