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Loslassen, durchatmen, ausprobieren (eBook)

Die Zukunft der Kirche beginnt nicht nur im Kopf
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
144 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83214-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Loslassen, durchatmen, ausprobieren -  Theresa Brückner
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Viele Gläubige sind frustriert und voller Sorge. Der gewaltige Umbruch der Kirche macht ihnen Angst. Gibt es für die Kirche noch eine Zukunft? Theresa Brückner, Pfarrerin in Berlin, sagt: Die Kirche war schon immer im Wandel und muss sich auch weiterhin ändern. Nur so wird sie wieder attraktiv. Darum fordert sie: Wir müssen raus aus dem alten Hamsterrad. Es muss Schluss sein mit 'Das war schon immer so', Überlastungsstolz, alten hierarchischen Strukturen, den immer gleichen Sonntagsgottesdiensten, Geschlechterrollen von Vorgestern, Gemeindehäusern im 70er-Jahre-Muff, Internet-Skepsis und Altherrensprüchen. Was wir jetzt brauchen, ist viel Freiraum für kreative Ideen und Mut, Neues auszuprobieren. Digitale Abendmahlsfeiern, Fetisch-Konzerte in Kirchen, Frauenquoten für die Kirchenleitung, Kreativpausen und Sabbaticals für Kirchengemeinden, Probemitgliedschaften und vor allem mehr Vielfalt und mehr gegenseitigen Respekt - Theresa Brückners Ideen inspiriert und ermutigt auf. Ein Buch, das Lust macht, weiterzudenken und beim Wandel der Kirche selbst mitanzupacken.

Theresa Brückner, geb. 1986, ist Pfarrerin für Kirche im digitalen Raum im Berliner Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg. Sie ist Deutschlands erste Digitalpfarrerin und in den Sozialen Medien ist sie unter @theresaliebt zu finden. Im Jahr 2020 wurde sie dafür als 'Beste Flauscherin' des Jahres 2019 mit dem Goldenen Blogger ausgezeichnet.

Theresa Brückner, geb. 1986, ist Pfarrerin für Kirche im digitalen Raum im Berliner Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg. Sie ist Deutschlands erste Digitalpfarrerin und in den Sozialen Medien ist sie unter @theresaliebt zu finden. Im Jahr 2020 wurde sie dafür als "Beste Flauscherin" des Jahres 2019 mit dem Goldenen Blogger ausgezeichnet.

Kapitel 1


Mut, alle Generationen ernst zu nehmen


Von neuen Ideen, Pionierprojekten und einem anderen Miteinander der Generationen.

»Sie arrogantes junges Ding haben doch keine Ahnung, wie das in der Kirche läuft.«


Ich sitze fassungslos da, erstarrt und getroffen. Die Worte hallen in meinem Kopf mit enormer Schlagkraft nach und ich bin sprachlos. In dem kleinen, schlecht gelüfteten Kirchenbüro wird die Luft noch stickiger, als sie es ohnehin schon ist. Die Wände sind kahl und weiß wie das Flipchart, das zwischen uns steht.

Wir sind mitten in einem professionell begleiteten Gespräch, um einen vorangegangenen Konflikt, zu dem es im Rahmen meiner Arbeit als Pfarrerin kam, beiseitelegen zu können. Das hatte ich zumindest gehofft. Ich hatte von meinem Gegenüber eine Entschuldigung erwartet, aber nicht, dass es zu diesem Konflikt noch on top eine Beleidigung geben würde. Der Satz markiert für mich eine Zäsur – sowohl in dem Gesamtkonflikt mit der Person als auch in meiner Arbeit als Pfarrerin.

Ich träume von einer Kirche, in der wir uns gleichwürdig begegnen. Keinesfalls immer einstimmig oder gleicher Meinung, aber respektvoll. Lange hatte ich gedacht, dass mir bei meinem Engagement in und meiner Arbeit für die Kirche auf Augenhöhe begegnet wird, wenn ich erst mal durch all die Reifen gesprungen bin und das Theologiestudium, die praktische Ausbildungsphase zur Pfarrerin – das Vikariat und den Entsendungsdienst, also die ersten Jahre als Pfarrerin – hinter mir habe. Doch irgendwann wurde mir klar – es gibt immer noch Menschen, die davon ausgehen, dass allein das Alter ausschlaggebend dafür sei, wer recht hat und wer nicht.

Das Verhalten dieser Person hielt mir das wieder einmal mehr vor Augen und der Satz hatte so viele weitere verletzende Botschaften:

Theresa, du passt hier nicht rein.

Ich will, dass die Kirche so bleibt, wie ich sie kenne.

Du ignorierst, wer hier etwas zu sagen hat und wer lieber still bleiben sollte.

Du verstehst nicht, wie es in dieser Kirche schon immer läuft.

Oder, noch schlimmer:

Theresa, du verstehst, wie es läuft, aber du akzeptierst es nicht, deshalb halte ich dich jetzt auf.

Du bist für dein Alter viel zu laut.

Tief verletzt und auch verunsichert verließ ich an dem Tag den Ort des Gesprächs. Mir war klar, ich muss einiges aus dem Gespräch aufarbeiten, weil es nicht die erste Machtdemonstration dieser Art mir gegenüber war. All das hallte in mir nach.

Deshalb nahm ich den Konflikt mit in die Beratung mit einem Coach zu einer sogenannten Supervision. Dabei wurde mir einiges klarer: Ich war für die Person vermutlich Projektionsfläche für so vieles: die Veränderungen in der Kirche, die Angst vor dem, was kommt, die Digitalität, die veränderten Machtstrukturen, andere Hierarchien – ein ganz anderes Denken über das Arbeiten und Sein in der Kirche. All das entschuldigt nicht die Respektlosigkeit dieses Aussagesatzes – ganz zu schweigen von dem dazugehörigen Ton und dem Gesamtverhalten dieser Person.

Die übergeordnete Problematik dieses Konfliktes war jedoch: Es prallten Generationen aufeinander. Maßgeblich wird die Institution Kirche von der Babyboomer-Generation (1946 bis 1964) geprägt, also der ersten Nachkriegsgeneration des Zweiten Weltkrieges mit der höchsten Geburtenrate.1 Das Ende dieser Generation wird durch die Einführung der Antibabypille markiert, weshalb ab 1964 die Geburtenrate sank. Außerdem von der Generation X (1965 bis 1979), der ersten Generation, die keine Kriegseinwirkung hatte – aber die des geteilten Deutschlands.

Ich selbst bin Teil der Generation Y, auch Millennials genannt (Geburtenjahre 1980 bis 1994) oder eben Generation Why. Dieses Warum, nach dem meine Generation generell gerne fragt, ist genau das, was auch meine ersten Jahre als Pfarrerin prägte, denn ich merkte – ich verliere den Glauben an die Institution Kirche.

Warum frage ich mich in so vielen Situationen in dieser Kirche: Warum bin ich dabei? Mitten im Strukturwandel, zwischen den deutlichen Kirchenaustrittszahlen, den Stellenstreichungen, den Missbrauchsvorwürfen. Warum lasse ich diese Kirche nicht hinter mir? Warum arbeite ich sogar in dieser Kirche, wenn mir immer wieder so herablassend begegnet wird? Muss ich mich daran gewöhnen, weil das in anderen großen Institutionen immer so ist? Muss ich die Sätze, die über den jeweiligen Kapiteln stehen, die ich alle genau so gehört habe – meist im direkten Gespräch und immer von kirchlichen Mitarbeitenden oder Kolleg:innen –, einfach so hinnehmen? Jedes Mal haben sie mich tief getroffen, lange beschäftigt und vor allem – mich an mir selbst zweifeln lassen. Nach zwanzig Jahren in der Kirche frage ich mich konkret: Warum muss es in der Kirche so weitergehen, wie es die Generation vor mir erwartet?

Mir ist mittlerweile klar: Die Kirche steckt mitten in einem gewaltigen Umbruch. Ich muss all diese Veränderungen in der Kirche annehmen und akzeptieren. Es wird nicht wieder so, wie es früher mal war. Es ist so, wie es ist – und es wird noch krasser.

Der Abschiedsprozess in der Kirche läuft schon so lange.

Ich habe mich von vollen Kirchen verabschiedet – am Sonntagmorgen im Allgemeinen und an kirchlichen Feiertagen im Speziellen.

Ich habe mich von hohen Tauf-, Konfirmand:innen-Zahlen verabschiedet und von Beerdigungen, auf denen die Menschen das Vaterunser mit mir sprechen können.

Ich verabschiede mich von der Hoffnung, dass wir wieder – wie früher – viel mehr Ehrenamtliche für unsere jeweiligen Aufgaben in den Gemeinden finden werden.

Die erste Zeit haben mich diese Gedanken gelähmt, weil Abschied immer schmerzt und Veränderung Angst macht. Und ich weiß, dass vielen der Abschied noch sehr schwerfällt. Doch wir müssen radikal akzeptieren, dass sich in der Kirche auch in Zukunft vieles verändern wird.

Mittlerweile macht mir das keine Angst mehr. Die Kirche besteht in der Form, wie wir sie heute kennen, weil es menschlich ist, dass wir eine Institution und Organisation für unseren Glauben brauchen. Aber auch wenn sich die Kirche verändert – so wie sie es schon immer gemacht hat –, bleibt Gott da.

Ich weiß: Wenn ich mich nicht aus dieser Kirche verabschieden möchte, dann darf ich nicht ständig nur zurückschauen und einem Kirchenzustand von vor Dekaden hinterhertrauern. Das kostet nur Energie. Ich akzeptiere den Zustand, wie er ist, und schaue nach vorn in die Zukunft. Nur so kann ich in dieser noch gesund arbeiten und selbst aktiv etwas verändern.

Egal wie alt du bist, deine Wünsche und Visionen werden in der Kirche ernst genommen.


Wenn in der Kirche von »den Jüngeren« gesprochen wird, dann habe ich oft das Gefühl, dass damit alle unter 50 gemeint sind. Wer sich inwieweit für jung hält, ist jeder Person selbst überlassen, es geht mir in diesem Kapitel auch nicht darum zu sagen, warum »die Älteren« keine Ahnung haben und »die Jüngeren« es definitiv besser machen werden. Es geht um einen gemeinsamen Blick für die Zukunft Kirche, trotz unserer Unterschiede.

Meine Vision von Kirche ist eine, in der sich die Generation der Babyboomer-Jahrgänge ihrer Privilegien und ihrer Macht bewusst ist. Die Entscheidungsgewalt in der Kirche liegt aktuell in ihren Händen. Denn die Gemeindeleitungen, die Synoden und die Verwaltungsebenen der Landeskirchen werden von Personen aus der Babyboomer-Generation dominiert. Andere Stimmen, Erfahrungen und Meinungen haben dadurch viel weniger Raum.

Es ist die Aufgabe meiner und der nachfolgenden Generationen, in den kommenden 30 Jahren den kirchlichen Strukturwandel zu gestalten. Darum ist es notwendig, dass die verantwortlich Leitenden der nachfolgenden Generation schon jetzt mehr zutrauen. Es geht dabei nicht nur ums Anhören, sondern darum, Wünsche und neue Vorschläge der jüngeren Generationen auch mutig umzusetzen. Ich glaube, wir könnten generationsübergreifend gemeinsam, fruchtbar und divers Kirche gestalten – mit Offenheit für die vielfältigen und reichen Erfahrungen der Generationen vor uns und mit Offenheit gegenüber den Wünschen und Ideen, die meine Generation mitbringt. Nur dann ist Weitsicht in diesem Strukturwandel möglich, für den wir gemeinsam verantwortlich sind.

Also: Anstatt neue Ideen jahrelang kaputt zu diskutieren, lasst sie uns in Zukunft einfach mal mutig ausprobieren.

Ein Pionierprojekt in den sozialen Medien

Meine Job-Beschreibung lautet »Pfarrerin für Kirche im digitalen Raum«. Diesen Job gab es vorher nicht. Neben meiner klassischen Arbeit als Pfarrerin liegt der Schwerpunkt meiner Arbeit in den sozialen Medien, in denen ich als @theresaliebt auf Instagram, YouTube, facebook und anderen sozialen Netzwerken zu finden bin. Als Pfarrerin können mir Menschen nicht nur vor Ort, sondern auch digital begegnen. Im ersten Jahr habe ich viel ausprobiert und mit einem Team im Kirchenkreis reflektiert. Neu war, dass mir bei den Aussagen und Themen in den sozialen Medien freie Hand gelassen wurde. Der Superintendent, sozusagen der kirchliche Bezirksbürgermeister meines Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg in Berlin, brachte mir das gleiche Vertrauen in meine theologischen Kompetenzen beim Erstellen meiner Videos und Posts entgegen wie bei meinen Predigten. Dafür bin ich sehr dankbar, denn ohne diese Einstellung hätte ich nicht so arbeiten können, wie ich es in den ersten Jahren als Digitalpfarrerin gemacht habe.

Diese »Probier einfach aus«-Einstellung war für mich ungewohnt, denn bis dahin war mir oft vermittelt worden, dass ich als Berufsanfängerin im Pfarramt trotz des Theologiestudiums, trotz der langjährigen Erfahrungen und trotz der praktischen Ausbildung doch noch zu...

Erscheint lt. Verlag 12.2.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Aufbruch • Digitalisierung • Digitalpfarrerin • Diversity • Frauenquote • Gemeinde • Glaube • Gottesdienst • Internet • Jugend • Kirche • Kirche für alle • Kirchenmitglieder • LGBTQIA* • Modern • Pastorin • Sabbatical • Sexismus • theresaliebt • Vielfalt • Zukunft
ISBN-10 3-451-83214-3 / 3451832143
ISBN-13 978-3-451-83214-7 / 9783451832147
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