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Phonetik und Phonologie (eBook)

Ein Lehr- und Arbeitsbuch
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
386 Seiten
Narr Francke Attempto (Verlag)
978-3-8233-0269-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Phonetik und Phonologie -  Felicitas Kleber
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Dieses Buch führt in die Lehre sprachlautlicher Kommunikation auf phonetischer und phonologischer Ebene ein. Neun Kapitel beschreiben Form und Funktion von Einzellauten und Silben aus artikulatorischer, akustischer, perzeptiver und phonologischer Sicht, ebenso die Prozesse, denen sie auf Wort- und auf Phrasenebene unterliegen. Neben dem deutschen Lautsystem werden auch Laute anderer Sprachen und sprachübergreifende Aspekte besprochen sowie Schnittstellen mit anderen sprachwissenschaftlichen Gebieten thematisiert. Das Lehr- und Arbeitsbuch richtet sich an Studierende der Phonetik, Sprachwissenschaft und einzelner Philologien sowie an Studierende anderer Fächer, die einen Einblick in das Forschungsgebiet bekommen möchten. Übungsaufgaben, Besprechungen klassischer Experimente und signalphonetische Beispielanalysen mit ausgewählten Sprachverarbeitungstools und anhand eines Übungskorpus machen es gerade für das Selbststudium zu einem wertvollen Begleiter. Ergänzt wird das Buch durch online verfügbare Audiobeispiele, zusätzliche Kapitel, phonetische Analysen und Musterlösungen.

Dr. Felicitas Kleber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Phonetik und Sprachverarbeitung der Ludwig-Maximilians-Universität München und hält Seminare und Vorlesungen im Bereich Phonetik, Phonologie und Sprachperzeption.

Dr. Felicitas Kleber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Phonetik und Sprachverarbeitung der Ludwig-Maximilians-Universität München und hält Seminare und Vorlesungen im Bereich Phonetik, Phonologie und Sprachperzeption.

Vorwort
Hinweise zur Lektüre
1 Einführung und Grundlagen
2 Artikulation und Phonation
3 Sprachakustik
4 Konsonanten und Vokale
5 Distinktive Merkmale
6 Silbenphonologie
7 Phonologische Prozesse und Regeln
8 Sprachperzeption
9 Prosodie und Intonation
Literaturverzeichnis
Register

1.1 Was ist Phonetik?


Manche verbinden den Begriff Phonetik, der im Deutschen seit Beginn des 19. Jahrhunderts belegt ist (vgl. „Phonetik“ in Pfeifer et al. 1993), vielleicht mit der korrekten Aussprache von Wörtern, die durch Verschriftung (Transkription) mit den Symbolen des Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA) repräsentiert werden kann (s. 1.4). Sehr wahrscheinlich hat jede:r schon einmal die Zeichen des IPA, die in eckigen Klammern [] angegeben werden, in einem Wörterbuch gesehen. Um die IPA-Symbole eindeutig dekodieren zu können, ist phonetisches Wissen notwendig. Beides lernen wir im Verlauf dieses Buches kennen. Der Untersuchungsgegenstand der Phonetik umfasst jedoch weit mehr als nur die Beschreibung der Aussprache, zumal der korrekten. Denn in der Phonetik muss zunächst einmal deskriptiv (= beschreibend) vorgegangen werden, bevor man dann in der angewandten Phonetik und Phonologie mitunter auch präskriptiv (= vorschreibend) arbeitet, z. B. im Fremdsprachenunterricht oder in der Sprachtherapie. Im Rahmen phonetischer Forschung wird also nicht unbedingt an Vorschriften für eine korrekte Aussprache von Wörtern einer Sprache gearbeitet, sondern beispielsweise die Aussprache von Wörtern in zwei Dialekten einer Sprache oder die einzelner Laute in zwei Sprachen beschrieben. Eine alphabetisierte Gesellschaft stützt sich zwar oft auf eine normierte Schreibung, nicht aber unbedingt auf eine normierte Aussprache (trotz einiger Bestrebungen in diesem Bereich). Dies zeigt sich auch daran, dass der Begriff Orthoepie (= korrekte Aussprache) im Gegensatz zum Begriff Orthographie (= korrekte Schreibweise) sprachwissenschaftlichen Laien kaum bekannt ist. Ein Grund hierfür ist der Fokus auf die Schreibung in der schulischen Ausbildung; die Aussprache wird hingegen kaum thematisiert. Oft ist die Aussprache das Produkt der häufigsten Verwendung, die sich in einer Sprechergemeinschaft durchsetzt. Eine solche Verwendungsvariante kann sich dabei durchaus an prestigereichen Aussprachen, wie der von Nachrichtensprecher:innen orientieren, oft bleiben aber regionale Spuren in sprecherindividuellen Aussprachevarianten zurück, die sich teils deutlich von der orthoepischen Form unterscheiden. Auf Orthoepie wird in diesem Buch selten eingegangen, auf die nachfolgend definierten Begriffe synchron, diachron und Typologie dagegen öfter.

Beschreibt man den Ist-Zustand einer Sprache und ihres Lautsystems zu einem Zeitpunkt spricht man von einer synchronen Betrachtung. Diachrone Betrachtungen zeigen Änderungen innerhalb eines Sprachsystems, die Aussprache eingeschlossen, über mehrere Jahre oder Generationen auf. Im Forschungsgebiet der (Sprach-)Typologie werden die Strukturen von Sprach– bzw. Lautsystemen synchron und diachron verglichen.

Die phonetische Beschreibung kann dabei auf drei Ebenen erfolgen, der artikulatorischen, akustischen und auditiven, und alle Laute, die in den Sprachen der Welt vorkommen und zum Sprechen verwendet werden, umfassen. Darüber hinaus werden Hypothesen geprüft, die beispielsweise helfen sollen,

  • die Ursachen für den diachronen Wandel von gesprochener Sprache über die Zeit (z. B. Ohala 1993),

  • die Natur von Versprechern (z. B. Pouplier & Hardcastle 2005),

  • Gründe für die Häufigkeit bzw. Seltenheit bestimmter Sprachlaute in den Sprachen der Welt (z. B. Lindblom & Engstrand 1989; Stevens 1989)

besser zu verstehen. Kurzum, die Phonetik erforscht ganz grundsätzlich alle Aspekte sprachlautlicher Kommunikation. Der Phonetiker Klaus J. Kohler definiert Phonetik wie folgt:

Der Gegenstand der Phonetik ist das Schallereignis der sprachlichen Kommunikation in allen seinen Aspekten, d. h. die Produktion, die Transmission und die Rezeption von Sprachschall einschließlich der psychologischen und soziologischen Voraussetzungen in der Kommunikationssituation zwischen Sprecher und Hörer, wobei sowohl symbol- als auch meßphonetische Betrachtungsweisen dieses Objekt prägen. (Kohler 1995: 22)

1.1.1 Die Sprachkette


Der erste Teil der in 1.1 nach Kohler zitierten Definition von Phonetik lässt sich auch gut durch die sogenannte Sprachkette (Engl. speech chain) in Abb. 1 darstellen, ein Begriff, der auf den gleichnamigen englischen Titel des Buches von Denes und Pinson (1973) zurückgeht. Sie bildet die grundlegenden Voraussetzungen für eine ungestörte und erfolgreich lautsprachliche Kommunikation ab, die da sind:

  1. Eine sprechende Person, die aufgrund

    1. erlernten sprachlichen Wissens zunächst eine lautsprachliche Äußerung plant und diese mittels

    2. anatomisch-physiologischer und neuronal-muskulärer Voraussetzungen des Sprechapparates produziert,

  2. wobei der sich daraus resultierende Sprachschall in Form akustischer Schallwellen über das Medium Luft ausbreitet und die

  3. von mindestens einer hörenden Person wiederum aufgrund von

    1. anatomisch-physiologischen, neuronal-muskulären Voraussetzungen des Gehörs empfangen und

    2. erlernten sprachlichen Wissens dekodiert werden können.

Die Sprachkette deckt damit auch die drei großen Teilgebiete der Phonetik ab, die sich jeweils mit einem der o. g. Punkte 1–3 der Sprachkette beschäftigt und die wir in diesem Buch u. a. kennenlernen werden. Die artikulatorische Phonetik untersucht Fragen der Sprachproduktion, die akustische Phonetik Fragen der Schallübertragung und die auditiv-perzeptive Phonetik Fragen der Sprachwahrnehmung.

Die Sprachkette mit einer sprechenden (links) und zwei hörenden Personen, von denen eine gleichzeitig die sprechende ist.

Das Modell der Sprachkette weist Parallelen mit anderen Kommunikationsmodellen auf, wie z. B. dem Organon-Modell (Bühler 1934) oder dem Sender-Empfänger-Modell (Shannon & Weaver 1949). Im Gegensatz zu allgemeineren Kommunikationsmodellen liegt der Fokus hier jedoch auf den biologischen und physikalischen Grundlagen gesprochener Sprache. Gibt es in so einem lautsprachlich ungestörten Szenario nur eine hörende Person, so ist dies in der Regel zunächst der oder die Sprecher:in selbst; lautsprachliche Kommunikation, so wie sie für uns selbstverständlich ist und unseren Alltag prägt, lebt vom auditiven Feedback, das man als Sprecher:in und zugleich Hörer:in erhält. Die Evolution gesprochener Sprache ist stark geprägt von diesem auditiven Feedback, denn hören wir uns selbst beim Sprechen nicht oder nicht gut genug, dann stört dies eine erfolgreiche Kommunikation (Hockett 1960; MacNeilage 2008). Diese Aussage kann man leicht prüfen, indem man sich einmal selbst beim Sprechen in einer lauten Umgebung beobachtet: in der Regel sprechen wir dann ebenfalls lauter (Lombard-Effekt), um besser verstanden zu werden – von unserem Gegenüber, vor allem aber auch von uns selbst. Auch wenn die Sprachkette mit einer hörenden Person funktioniert, so sind mindestens zwei Hörende die Regel in einer normalen lautsprachlichen Kommunikationssituation.

Die Sprachkette symbolisiert zudem die dem Untersuchungsgegenstand inhärente Dynamik: Bei jedem Sprechvorgang, sei es bei einer Einlautäußerung wie einem erstaunten Oh! oder der Äußerung eines längeren Satzes, wird die gesamte Sprachkette in Bewegung gesetzt. Jeder Sprechvorgang ist daher grundsätzlich zeitgebunden, d. h. durch einen Beginn und ein Ende charakterisiert. Dies ist in Abb. 2 anhand eines akustischen Sprachsignals der Äußerung Oh! dargestellt.

Segmentiertes und transkribiertes Sprachsignal der Äußerung Oh!.

Die Intervalle können sich dabei natürlich deutlich unterscheiden, auch weil man sie auf unterschiedlichen Ebenen messen kann, so z. B. auf der Ebene der Gesamtäußerung (wie in Abb. 2) oder auf der Ebene einer einzelnen Artikulationsbewegung, die nur einen kleinen Teil zur Gesamtäußerung beiträgt (s. 2.4). Dies kann man wiederum leicht selbst testen, in dem man die Äußerung Oh! einmal wie in Zeitlupe äußert und dabei nur auf die Lippenbewegung achtet. Selbst bei einer so kurzen Äußerung müssen wir zu einem bestimmten Zeitpunkt damit beginnen, die Lippen bis zu einem gewissen Grad vorzustülpen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die neutrale Ausgangslage zu bringen. Eine solche Geste ist dabei nur eine von vielen, die die unterschiedlichen Organe des sogenannten Sprechapparates (s. 2.1) ausführen müssen, um diese Äußerung zu realisieren, egal ob nun langsam wie bei dieser kleinen Übung oder schnell wie bei normaler Sprechgeschwindigkeit.

1.1.2 Lautstrom und Sprachlaute


Gesprochene Sprache ist durch einen komplexen Bewegungsprozess charakterisiert, dessen Produkt ein kontinuierlicher Lautstrom ist. Der Bewegungsprozess ist auch über die einzelnen Laute eines Wortes und sogar über die...

Erscheint lt. Verlag 14.8.2023
Reihe/Serie narr STUDIENBÜCHER
Verlagsort Tübingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Germanistik
Schlagworte Artikulation • Audiobeispiel • Computerlinguistik • Deutsch • Einzellaute • Intonation • Kognitionswissenschaft • Konsonant • Laut • Lautsystem • Linguistik • Pädagogik • Philologie • phonation • Phonetik • Phonologie • Phonologische Prozesse • Phrasenebene • Prosodie • Silbe • Silbenphonologie • Sprachakustik • Sprachperzeption • Sprachverarbeitungstool • Vokal
ISBN-10 3-8233-0269-8 / 3823302698
ISBN-13 978-3-8233-0269-8 / 9783823302698
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