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Deutschlands Verteidigungspolitik -

Deutschlands Verteidigungspolitik (eBook)

Nationale Sicherheit nach der Zeitenwende
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
210 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-043184-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
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Nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz eine Zeitenwende in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik an. Ein epochaler Umbruch stellt Politik und Gesellschaft vor die Herausforderung, sich mit einer seit dem Ende des Kalten Krieges größtenteils vernachlässigten Thematik auseinanderzusetzen: der nationalen Sicherheit und der Verteidigung Deutschlands mit militärischen Mitteln. Malte Riemann und Georg Löfflmann haben Beiträge verschiedener ExpertInnen versammelt. Die kompakte Einführung beleuchtet das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven der Friedens-, Konflikt- und Sicherheitsforschung. Dabei werden konzeptionelle Ansätze vorgestellt, um die strategischen Herausforderungen für Deutschland und seine Rolle in Europa und der Welt einzuordnen und sichtbar zu machen.

Dr. Malte Riemann lehrt und forscht an der University of Glasgow. Dr. Georg Löfflmann lehrt und forscht an der Queen Mary University of London.

Dr. Malte Riemann lehrt und forscht an der University of Glasgow. Dr. Georg Löfflmann lehrt und forscht an der Queen Mary University of London.

Einleitung


Georg Löfflmann und Malte Riemann


Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der am 24. Februar 2022 mit einer großangelegten militärischen Offensive auf mehreren Fronten einsetzte, bedeutet eine Zäsur in der europäischen Nachkriegsordnung. Die russische Aggression stellt grundlegende Prinzipen des Völkerrechts und der UN-Charta in Frage; die hohe Anzahl ziviler Opfer und Meldungen über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine haben international Schock und Empörung ausgelöst. Obwohl westliche Nachrichtendienste, vor allem in den USA, schon seit dem Dezember 2021 vor der Gefahr eines russischen Angriffs gewarnt hatten, traf der von Vladimir Putin euphemistisch als „militärische Spezialoperation“ bezeichnete Krieg den Großteil der Staaten in NATO und EU relativ unvorbereitet. Die meisten europäischen Staaten, allen voran Deutschland, waren bis zum Schluss davon ausgegangen, dass es sich bei dem russischen Aufmarsch im ukrainischen Grenzgebiet um einen Bluff oder allenfalls die Vorbereitung einer begrenzten militärischen Aktion handele. Das Ausmaß und die Brutalität des russischen Vorgehens in der Ukraine lösten in der Folge einen grundsätzlichen Kurswechsel in der deutschen Verteidigungspolitik aus.

Nur drei Tage nach der weltpolitischen Zäsur des russischen Einmarschs, am 27. Februar, hielt Bundeskanzler Olaf Scholz eine Regierungserklärung im Bundestag. Scholz erklärte, dass der am 24. Februar begonnen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine eine Zeitenwende in der Geschichte Europas eingeläutet habe, weshalb die deutsche Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik nachhaltig neu ausgerichtet werden müsse. Der Bundeskanzler unterstrich vor allem die Notwendigkeit der Modernisierung und Aufrüstung der Bundeswehr in allen Bereichen – einschließlich der fortgesetzten Fähigkeit zur nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO. Zu den spektakulärsten Ankündigungen gehörte die Schaffung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro zur sofortigen Erhöhung der Verteidigungsausgaben sowie das Versprechen, „von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung [zu] investieren“ und somit das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nicht nur zu erfüllen, sondern regelmäßig zu übertreffen.1 In einer für einen deutschen Regierungschef außergewöhnlichen Rhetorik warnte Scholz den russischen Präsidenten, die deutsche Entschlossenheit nicht zu unterschätzen, „gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebietes zu verteidigen“. Mit der Ankündigung, die Bewaffnung für Heron TP Drohnen aus Israel und amerikanische F-35 als Nachfolger des Tornado Jagdbombers als Träger der nuklearen Teilhabe zu beschaffen, wurden strittige verteidigungspolitische Themen, die über Jahre ergebnislos diskutiert worden waren, kurzerhand zum Abschluss gebracht. Deutschland würde auch seine vorherige militärische Zurückhaltung aufgeben und substanzielle Waffenlieferungen in die Ukraine, inklusive Artillerie und Flugabwehrpanzer, genehmigen. Die von Olaf Scholz angekündigte Zeitenwende steht somit für den vielleicht größten Paradigmenwechsel in der deutschen Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie nachhaltig und substanziell die Zeitenwende tatsächlich Strukturen und Prozesse in der deutschen Sicherheitspolitik verändern wird und wie die Ankündigungen, die nach dem ursprünglichen Schock über den Krieg in der Ukraine gemacht wurden, praktisch umgesetzt werden.

Ein epochaler Umbruch, wie die Zeitenwende ihn andeutet, stellt Politiker, Experten und die deutsche Öffentlichkeit vor die Herausforderung, sich mit einer seit dem Ende des Kalten Krieges größtenteils vernachlässigten Thematik auseinanderzusetzen: der nationalen Sicherheit und Verteidigung Deutschlands mit militärischen Mitteln. Dieses Buch bietet hierzu eine kompakte Einführung, welche die Zeitenwende aus unterschiedlichen Perspektiven der politikwissenschaftlichen Forschung, inklusive der Friedens-, Konflikt- und Sicherheitsforschung, beleuchtet und verschiedene konzeptionelle Ansätze bietet, um die hieraus resultierenden Herausforderungen für Deutschland und seine strategische Rolle in Europa und der Welt einzuordnen und zu verstehen.

Das Buch wird von drei zentralen Fragestellungen geleitet, um diese hochkomplexe Thematik aufzuarbeiten und auch einer allgemeinen Leserschaft verständlich zu machen. Der erste Teil beschäftigt sich mit der Frage, was zur deutschen Zeitenwende geführt hat und wie diese im historischen, strategischen und geopolitischen Kontext zu verstehen ist. Die ersten vier Beiträge gehen dieser Frage aus unterschiedlichen analytischen Blickwinkeln nach.

Zunächst bietet Jorit Wintjes eine militärhistorische Betrachtung der Entwicklung der Bundeswehr, die insbesondere zwei Wendepunkte in den Fokus stellt: den Übergang nach 1990 von einer reinen Territorial- und Verteidigungsarmee zur globalen Einsatzarmee sowie die seit der Annexion der Krim 2014 einsetzende Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung, die im Zuge der Zeitenwende forciert werden soll. Danach betrachtet Jana Puglierin die strategische Rolle Deutschlands in den prinzipiellen transatlantischen und europäischen multilateralen Sicherheitsbündnissen – NATO und Europäischen Union (EU) – und analysiert, welche Auswirkungen der Krieg in der Ukraine und die Zeitenwende auf Deutschland als militärische ‚Anlehnungsmacht‘ in Europa haben, insbesondere was die militärische Rückversicherung Deutschlands osteuropäischer Partner angeht. Darauf folgend beleuchtet Johannes Peters das geopolitische Umfeld und die maritime Rolle Deutschlands im 21. Jahrhundert, um die Zeitenwende auch unter geostrategischen Gegebenheiten einordnen zu können. Der russische Angriff auf die Ukraine findet statt vor dem Hintergrund einer zunehmenden globalen Konfrontation liberaler, demokratischer Staaten, angeführt von den USA, mit den autoritär regierten Großmächten Russland und China, die auch militärische Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen und territorialen Ziele einzusetzen bereit sind. Als führende Export- und Handelsnation bleibt Deutschland dabei auf die Freiheit der internationalen Seewege angewiesen und wird im asiatisch-pazifischen Raum auch mit den territorialen Machtansprüchen Chinas konfrontiert. Abschließend betrachtet Severin Pleyer die deutsche Rolle in der nuklearen Abschreckungsstrategie der NATO und zeigt, welchen nuklearen Bedrohungen Deutschland strategisch gegenübersteht, insbesondere in Form russischer Mittelstreckenraketen, die mit Nuklearsprengköpfen ausgestattet sind und die unter anderem die deutsche Hauptstadt Berlin von der Enklave Kaliningrad aus erreichen können.

Der zweite Teil dieses Buches geht der Frage nach, auf welche Herausforderungen die deutsche Zeitenwende in der Verteidigungspolitik eine Antwort finden muss. In den vier Beiträgen dieses Teiles betrachten Expertinnen und Experten aus Universitäten und Think Tanks im In- und Ausland ein breitgefächertes Spektrum an Thematiken zur militärischen Dimension der nationalen Sicherheit. Hierbei werden unterschiedliche politische, finanzielle, materielle und personelle Herausforderungen berücksichtigt und auch konkrete Reformvorschläge vorgestellt.

Zunächst wirft Torben Schütz einen Blick auf das Innenleben der deutschen Streitkräfte und erörtert, welche strukturellen Anpassungen die Zeitenwende hier erforderlich macht. Im Kern geht es darum, zu betrachten, wie es um die Organisation, Führungsstruktur, Einsatzfähigkeit und den personellen Umfang der Armee bestellt ist und wie eine adäquate militärische Ausrichtung der Bundeswehr im 21. Jahrhundert nach zwei Jahrzehnten des Schrumpfens und Sparens zu gewährleisten ist. Daran anschließend betrachten Heiko Borchert und Joseph Verbovszky das rüstungsindustrielle Ökosystem in Deutschland und erörtern die Auswirkungen der Zeitenwende auf die etablierten Prozesse und Strukturen im Beschaffungswesen, wobei sie einen dringenden Reformbedarf konstatieren, um die industrielle Produktion und Beschaffung von Rüstungsgütern für die deutschen Streitkräfte auf eine neue Stufe zu heben, was Geschwindigkeit, Quantität und Qualität angeht. Darauf folgt Elisabeth Hoffberger-Pippans Auseinandersetzung mit neuen Technologien, welche die Kriegführung im 21. Jahrhundert maßgeblich beeinflussen werden, wie etwa bewaffnete Drohnen und Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, die von der Bundeswehr entsprechende organisatorische, materielle und planerische Anpassungen erfordern. Der letzte Beitrag in diesem Themenkomplex von Gustav Meibauer beschäftigt sich mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr, insbesondere den größten Einsätzen der letzten Zeit in Afghanistan und Mali, und der Frage, inwiefern die Zeitenwende auch einen Einfluss auf zukünftige Einsatzszenarien der Bundeswehr außerhalb des NATO-Territoriums hat, von der militärischen Ertüchtigung von Partnernationen in Afrika bis hin zur Beteiligung an internationalen Kampfeinsätzen zur Terrorismusbekämpfung.

Der dritte und letzte Teil dieses Buches stellt die politischen, militärischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeitenwende für etablierte Leitbilder in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den Mittelpunkt. Hierbei geht darum, sowohl den Wandel politischer und gesellschaftlicher Einstellungen zur Bundeswehr in den Blick zu nehmen als auch die Transformation etablierter Sicherheitsvorstellungen und Kriegsbilder im Zuge des russischen...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2023
Zusatzinfo 2 Abb.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Außenpolitik • Bundesrepublik Deutschland • Krieg • Militär • Sicherheitspolitik
ISBN-10 3-17-043184-6 / 3170431846
ISBN-13 978-3-17-043184-3 / 9783170431843
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