Borderline-Persönlichkeitsstörung (eBook)
183 Seiten
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
978-3-8444-2775-2 (ISBN)
|21|2 Leitlinien
2.1 Leitlinien zur Diagnostik und Verlaufskontrolle
In der klinischen Praxis herrscht bei der Vergabe der Diagnose einer BPS nach wie vor bei vielen Kollegen Zurückhaltung. Dabei ist die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nach dem ICD-10 sogar vor der Pubertät möglich. Dazu muss die Mindestanzahl der geforderten Kriterien der betreffenden Persönlichkeitsstörung erfüllt sein und bestimmte Verhaltensmuster bereits zu diesem Zeitpunkt als überdauernd bezeichnet werden können. Auch sollte immer bedacht werden, dass sowohl ICD als auch DSM ausdrücklich darauf hinweisen, dass für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung der Ursprung dieser Störung immer in der Kindheit und Jugend liegen muss. Ist dies nicht der Fall, kann die Diagnose nicht gestellt werden. Dennoch herrscht bei vielen Klinikerinnen die Angst vor einer Stigmatisierung der Patientinnen durch die Diagnose einer Borderline-Störung oder einer anderen Persönlichkeitsstörung. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar, oftmals kommt es in unserem Gesundheitssystem jedoch als Folge der Nichtstellung einer Diagnose zu keiner zielgerichteten Behandlung der Kernsymptome und maximal zu einer nicht störungsspezifischen Behandlung der Betroffenen. So ist also die richtige Diagnosestellung notwendig, um eine adäquate Hilfestellung für die Patientinnen zu gewährleisten. Nur so können die Patienten mit gezielten Techniken und Therapieverfahren, die beim Störungsbild der BPS erfolgreich sind, behandelt werden, damit einer langfristigen Chronifizierung oder Verschlechterung der Symptomatik entgegengewirkt wird (vgl. Kaess et al., 2014). Die folgenden Leitlinien sollen klare Handlungsanleitungen zum diagnostischen Vorgehen bei der BPS im Jugendalter geben, vom ersten Verdacht bis zur Verlaufskontrolle. Tabelle 2 fasst die Leitlinien zusammen und gibt einen Überblick über das strukturierte Vorgehen.
Frühwarnzeichen erkennen |
Screening auf Merkmale einer BPS |
Klärung der Diagnose und Differenzialdiagnose |
Diagnostik eines erhöhten Risikos für die Entwicklung einer BPS |
Exploration von selbstschädigendem und riskantem Verhalten |
Diagnostik komorbider Erkrankungen |
|22|L7 | Exploration der Suizidalität |
Exploration von störungsassoziierten Faktoren |
Rückmeldung der Diagnose und Psychoedukation |
Verlaufskontrolle |
2.1.1 Frühwarnzeichen erkennen
Leitlinie 1: Frühwarnzeichen erkennen
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Anamnese und psychopathologischer Befund. In der Erhebung von Anamnese und psychopathologischem Befund lassen sich oftmals Anzeichen für das mögliche Vorliegen einer BPS finden.
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Warnzeichen. Warnzeichen für eine BPS sind:
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repetitive Selbstverletzung oder Suizidversuche,
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wiederholte impulsive, riskante Verhaltensweisen,
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häufige aggressive Impulsdurchbrüche,
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eine Mischung aus internalisierender und externalisierender Psychopathologie, oft einhergehend mit ausgeprägter Komorbidität,
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schwerwiegende Beziehungsprobleme und Streitigkeiten,
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besonders niedriges Selbstwertgefühl und Identitätsprobleme.
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Spezifische Diagnostik. Beim Vorliegen solcher Warnzeichen sollte eine spezifische Diagnostik vorgenommen werden.
Die Diagnostik einer BPS gehört bis heute noch nicht zum Standard der kinder- und jugendpsychiatrischen oder -psychotherapeutischen Ausbildung. Zudem ist auch bei ausreichendem Ausbildungsstand eine in der Regel zeitlich aufwändige Diagnostik der BPS nicht bei allen Patienten notwendig. Wie bei vielen anderen Störungsbildern auch, kann sich der Verdacht auf eine BPS zunächst anhand spezifischer Warnzeichen, die sich in der Anamnese oder in der Erhebung des psychopathologischen Befundes zeigen, ergeben.
Die gängigsten und prominentesten Warnzeichen für die BPS stellen die oftmals sehr akut auftretenden riskanten, selbstschädigen und impulsiven Verhaltensweisen betroffener Jugendlicher dar (Kaess et al., 2014; Kaess, Ghinea, Fischer-Waldschmidt & Resch, 2017b). Diese werden häufig von Menschen im Umfeld der Betroffenen wahrgenommen (z. B. Eltern, Freunde, Lehrkräfte). Das Erkennen dieser Anzeichen ist wenig von internen Reflexionsprozessen abhängig, die im Jugendalter und bei von BPS |23|Betroffenen teilweise eingeschränkt sind. Aus diesem Grund nutzen störungsspezifische Angebote im deutschsprachigen Raum, wie z. B. die Ambulanz für Risikoverhalten und Selbstschädigung (AtR!Sk) in Heidelberg, diese Verhaltensweisen auch als Eintrittskriterien für eine störungsspezifische Abklärung der BPS (Kaess et al., 2017b). Wichtig hierbei ist allerdings, dass diese Warnzeichen zwar relativ sensitiv zu sein scheinen, die Spezifität allerdings sehr niedrig ist. Das bedeutet, dass viele der Jugendlichen, die dieses Verhalten zeigen, nach eingehender Diagnostik dann doch keine Diagnose oder auch keine entsprechende Risikokonstellation erfüllen.
Etwas spezifischer, aber dafür leichter zu übersehen, sind die Warnzeichen zur Psychopathologie sowie zu den Beziehungen und zur Identität. Diese Anzeichen betreffen im Prinzip die drei Kernbereiche der BPS, nämlich die Instabilität der Emotionen, der Beziehungen und des Selbst. Bei Erfüllen dieser Merkmale ist die Diagnose einer BPS wahrscheinlicher, sie können aber leicht übersehen werden.
2.1.2 Screening auf Merkmale einer BPS
...Erscheint lt. Verlag | 7.11.2022 |
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Reihe/Serie | Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie |
Verlagsort | Göttingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Achtsamkeit • Alan Fruzzetti • Beziehungsgestaltung • Borderline-Störung • CFT • Compassion-Focused Therapy • DBT • DBT-A • DBT-Familienskills • Dialektisch-Behaviorale Therapie • Dialektisch-Behaviorale Therapie für Adoleszente • Emotionsregulation • Familientherapie • Fertigkeiten-Training • Kinder- und Jugendpsychiatrie • Konsultationsteam • Krisenmanagement • Persönlichkeitsstörung • Psychische Störung • Psychotherapie • Skills • Skills-Training • Stresstoleranz • Verhaltensanalysen • Wochenprotokoll |
ISBN-10 | 3-8444-2775-9 / 3844427759 |
ISBN-13 | 978-3-8444-2775-2 / 9783844427752 |
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