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Vermisst - Der Fall Anna -  Christine Brand

Vermisst - Der Fall Anna (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2024
544 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-30097-5 (ISBN)
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Eine charismatische Ermittlerin und ein erschütternder Cold Case: Am fünften Geburtstag ihres Sohnes verschwand eine junge Mutter - und sie ist nicht die einzige ... Auftakt der neuen Reihe von SPIEGEL-Bestsellerautorin Christine Brand
Malou Löwenberg ist Kommissarin beim Morddezernat und ein Findelkind. Als sie Dario kennenlernt, ist sie von seiner Geschichte fasziniert: Darios Mutter verschwand an seinem fünften Geburtstag spurlos. Obwohl alles dagegenspricht, glaubt er, dass seine Mutter noch lebt.

An ihre eigene Geschichte erinnert, beginnt Malou zu ermitteln. Sie stößt auf immer mehr Vermisstenfälle: Alle Frauen verschwanden am fünften Geburtstag ihrer Kinder und alle Kinder erhalten ebenso wie Dario bis heute mysteriöse Geburtstagskarten.

Christine Brand, geboren und aufgewachsen im Emmental in der Schweiz, arbeitete als Redakteurin bei der »Neuen Zürcher Zeitung«, als Reporterin beim Schweizer Fernsehen und als Gerichtsreporterin. Im Gerichtssaal und durch Recherchen und Reportagen über die Polizeiarbeit erhielt sie Einblick in die Welt der Justiz und der Kriminologie. Neben ihren erfolgreichen Milla-Nova-Krimis und der True-Crime-Reihe »Wahre Verbrechen« erscheint jetzt mit »Vermisst – Der Fall Anna« der erste Band ihrer neuen Cold-Case-Reihe mit Malou Löwenberg. Christine Brand lebt in Zürich und auf Sansibar.

Start der neuen packenden Cold-Case-Krimreihe von SPIEGEL-Bestsellerautorin Christine Brand - inspiriert von wahren Begebenheiten, abgründig und nervenzerreißend spannend.

Eine charismatische Ermittlerin mit traumatischer Vergangenheit und ein erschütternder Cold Case: Am fünften Geburtstag ihres Sohnes verschwand eine junge Mutter – und sie ist nicht die einzige ...

1.


Nicht vergessen: Heute, 14 Uhr. Es kommt sonst keiner. Danke! LG Ludwig.

Mist! Malou Löwenberg klickt die Nachricht weg. Sie hat den Termin völlig verschwitzt und verflucht sich selbst dafür, dass sie Ludwig letzte Woche zugesagt hat. Ludwig, der alte Friedhofsgärtner, der beste Freund ihres Vaters – damals, als Vater noch ein anderer war.

»Einmal Palak Paneer für die Frau Malou!«, brüllt Shahid hinter der Theke in einer Lautstärke, als müsse er ein Wett-Schreien gewinnen. Trotzdem geht seine Stimme beinahe im dudelnden Bollywood-Song unter, der aus den Lautsprechern dröhnt. Im antik anmutenden TV-Kasten über Shahids Kopf tanzen schöne Frauen in bunten Saris in Endlosschleife.

Malou blickt auf die Uhr; fast halb zwei, das ist noch zu schaffen, doch fürs Essen bleibt eigentlich keine Zeit. Dabei hat sie bereits das Frühstück wegen eines vermeintlichen Einsatzes sausen lassen, der sich vor Ort als Fehlalarm entpuppte. Ihr Magen knurrt unbehaglich. Also greift Malou trotzdem zum Teller, den Shahid ihr über die Theke reicht, stellt sich damit an einen Stehtisch und schaufelt eiligst übergroße Bissen Spinat und Frischkäse in sich hinein. Fünf Gabeln müssen reichen, danach muss sie los, wenn sie rechtzeitig auf dem Friedhof sein will. Handy einstecken, Tasche umhängen, noch ein letzter Bissen … die Gabel entgleitet ihr um ein Haar, sie kann sie gerade noch fassen, doch die Ladung Spinat landet nicht in ihrem Mund, sondern auf ihrem Pulli, exakt auf Brusthöhe.

»Verflucht!«, schimpft sie, ohne dass jemand sie hört; die Musik ist viel zu laut.

Mit der Papierserviette versucht Malou den Fleck hastig wegzuwischen, was nur bedingt gelingt: Er wird zwar blasser, dafür umso größer. Grün auf Gelb, großartig, das perfekte Outfit, um eine Grabrede zu halten, denkt sie sarkastisch. Ein Glück, dass niemand außer Ludwig sie sehen wird.

Es kommt sonst keiner.

Malou überlegt, ob sie mit einem Uber oder mit einem Taxi zum Bremgartenfriedhof fahren soll, doch sie entscheidet sich für den Roller; damit bewegt sie sich in der Stadt am schnellsten. Sie winkt Shahid kurz zu und erntet einen tadelnden Blick, weil sie ihr Essen praktisch unberührt stehen lässt. Sie zuckt mit den Schultern. Er kennt das schon: Seine Imbissbude in der Berner Altstadt liegt nur wenige Minuten von der Polizeizentrale entfernt und ist seit Jahren Malous erste Anlaufstelle, wenn sie Hunger hat – und sie kann nicht mehr zählen, wie oft sie wegen eines Einsatzes vorzeitig aufbrechen musste.

Als Malou hinaus in die Gasse tritt, rumpelt über ihr ein Donner. Sie blickt hoch und sieht, wie sich eine regenschwere Wolke vor die Sonne schiebt. Das hat ihr gerade noch gefehlt! Doch wenn sie schnell genug fährt, wird sie dem Regen entkommen. Das hofft Malou zumindest.

Bruna, so nennt sie ihre schokoladenbraune Vespa, steht auf dem Fahrradparkplatz gleich gegenüber. Malou hat deswegen kein schlechtes Gewissen – es gibt schlicht zu wenig Motorrad-Abstellplätze in dieser Stadt. Trotzdem ist sie froh, dass man ihr den Beruf nicht an der Nase ansehen kann, wenn sie Bruna jeweils nicht ganz legal hier parkt. Mit ihrem roten Kurzhaarschopf und dem Zungenpiercing, das frech aufblitzt, wenn sie spricht, würde Malou eher als Barkeeperin in einem linksautonomen Kulturzentrum durchgehen. Ganz zu schweigen von dem kleinen roten Stern, den sie sich in einer durchzechten Nacht im Suff hat zwischen die Schulterblätter stechen lassen. Eine Jugendsünde. Zum Glück bekommt kaum jemand das Tattoo je zu Gesicht.

Malou öffnet den Topcase-Koffer, entnimmt ihm den Helm. Schon malen fette Regentropfen dunkle Punkte auf den Asphalt. Doch sie hat keine Wahl: Nur mit dem Roller hat sie eine Chance, rechtzeitig auf dem Friedhof zu sein. Sie setzt den Helm auf und tritt auf den Kickstarter. Zum Glück springt der Motor an, das ist bei Brunas fortgeschrittenem Alter keine Selbstverständlichkeit. Malou schafft es knapp zum Stadtzentrum hinaus, bis aus den Tropfen zuerst Bindfäden werden und schließlich ein Graupelschauer einsetzt.

»Heilandsack!«

Ihr Schimpfen nützt nichts, es wird nur noch schlimmer: Hagelkörner knallen auf ihren Helm und gegen das Visier, kleine, spitze Nadelstiche malträtieren ihren Körper. Die Straße verwandelt sich in eine weiße Rutschbahn, zum Glück ist sie gleich da. Malou bremst nach der Kreuzung vorsichtig ab, will rechts in die Friedhofseinfahrt einbiegen, da zieht es ihr auf dem glitschigen Zebrastreifen das Vorderrad weg. Bevor sie begreift, was passiert, liegt sie schon am Boden.

»Scheiße!«, flucht Malou laut. »Scheißtag!«

Tage wie diese gehören aus dem Kalender gestrichen, und zwar schon, bevor sie begonnen haben. Hätte sie Ludwig bloß gesagt, sie hätte keine Zeit! Aber sie schafft es einfach nicht, Nein zu sagen, wenn er bei ihr anklopft.

Malou kann sich nicht erinnern, wie und wann es angefangen hat. Schon als sie noch ein kleines Mädchen war, hat Pa sie jeweils mitgenommen, wenn zu einer Beerdigung keine Trauergäste angemeldet waren. Ihr Vater besaß ein kleines Bestattungsinstitut in Bern. War jemand gestorben, der weder Freunde noch Angehörige hatte, standen die kleine Malou, ihr Vater und Ludwig, der Friedhofsgärtner, zu dritt am frisch ausgehobenen Grab. Keiner hat einen einsamen Tod verdient, hatte Pa immer gesagt. Er sprach dann jeweils einige Worte zum Abschied, und seit er dazu nicht mehr in der Lage ist, hat sie den Job übernommen. Nicht ganz freiwillig; es hat sich so ergeben, weil Ludwig nicht die richtigen Worte findet. In der Regel macht es Malou nichts aus, im Gegenteil; es gibt ihr sogar ein gutes Gefühl, jemandem einen letzten Gefallen zu erweisen, obwohl oder vielleicht gerade weil sie den Menschen nicht gekannt hat.

Heute aber macht es ihr sehr wohl etwas aus: Hätte Ludwig sie nicht aufgeboten, säße sie jetzt nicht hier in einer Pfütze mitten auf der Straße. Zum Glück scheint nicht viel passiert zu sein. Malou rappelt sich hoch, klopft sich ab und versucht herauszufinden, ob noch alles dran und noch alles heil ist. Handgelenk und Ellenbogen sind aufgeschürft, nicht schlimm, das Knie schmerzt etwas, die Jeans ist zerrissen, der Stoff blutverfärbt, aber auch hier: nur eine Schramme. Sie scheint sich nicht ernsthaft verletzt zu haben, Bruna allerdings hat etwas mehr abgekriegt: Der rechte Rückspiegel ist abgebrochen, ein übler Kratzer ziert die Backe des Rollers. Malou hebt den Spiegel auf und stemmt mit einem Ächzen die Vespa hoch. Sie schiebt Bruna Richtung Friedhofseingang und stellt sie davor ab. Hätte sie sich doch ein Taxi genommen, denkt Malou, als sie über den Kiesweg zum Krematorium humpelt.

»Da bist du ja!«, ruft Ludwig ihr entgegen. Er scheint ihren desolaten Zustand nicht einmal zu bemerken. »Danke, dass du kommen konntest.«

»Hallo, Ludwig.« Malou versucht so zu tun, als wäre es das Normalste auf der Welt, völlig durchnässt, mit Loch in der Hose, Spinatfleck auf dem Pulli und aufgeschürftem Knie als einziger Trauergast zu einer Beerdigung zu erscheinen.

»Das Wetter passt zum heutigen Tag.« Ludwig reicht ihr einen Schirm.

So kann man es auch sehen, denkt Malou – als ob der Schirm jetzt noch etwas bringen würde. Sie will gerade zu einer Schimpftirade ansetzen, über das Wetter und die Straße und darüber, dass sie mit knapp vierzig Jahren noch immer nicht gelernt hat, Nein zu sagen, doch da blickt sie auf die Urne neben Ludwigs Füßen und wird sich auf einen Schlag bewusst, dass viele noch um einiges übler dran sind. Wie auf Knopfdruck hört der Hagelschauer auf, wenigstens etwas. Er wird von einem feinen Sommerregen abgelöst, der sich wie Dunst anfühlt.

»Es weiß niemand, dass wir das heute tun«, flüstert Ludwig so leise, dass Malou ihn kaum versteht.

Sie wundert sich, was er damit meint, doch sie fragt nicht nach, sie will das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen. Ludwig blickt noch einmal zum Himmel hoch, dann seufzt er, schließt den Schirm, stellt ihn in die Ecke, bückt sich nach der Urne und umfasst sie mit beiden Händen.

»Bist du bereit?«

Malou nickt. Im Gleichschritt gehen sie los, sie kennt den Weg; die Toten ohne Familie und Freunde werden im Gemeinschaftsgrab beigesetzt, auf einer kleinen Wiese, wo die Urne in den Boden gelassen oder die Asche direkt in die Aschengruft gegeben wird. Sie geben ein seltsames Gespann ab, als sie bedächtig den langen, geraden Weg entlangschreiten, an dessen Seiten die Bäume Spalier stehen: Der alte Friedhofsgärtner, der eigentlich schon vor Jahren in Rente hätte gehen müssen, und neben ihm die Polizistin, die ihren Schirm ausstreckt, damit Ludwig trocken bleibt, während sie selbst aussieht, als wäre sie in eine Regentonne gefallen.

Vor dem Gemeinschaftsgrab hält Ludwig inne, es ist bereits ein Stück Erde ausgehoben, ein kleines, viereckiges Loch, in dem die Urne ihren letzten Bestimmungsort finden wird. Der Regen fällt wieder stärker. In der Stille, die so manchem Friedhof eigen ist, ist nichts als das Prasseln der Tropfen auf dem Schirm zu hören.

»Du kannst anfangen.« Ludwig nickt Malou zu.

Erst jetzt fällt ihr ein, dass sie nicht einmal weiß, ob sie hier eine Frau oder einen Mann zu Grabe tragen.

»Wie hieß der Mensch?«

Sonst gibt Ludwig ihr immer im Voraus Namen und Alter der verstorbenen Person bekannt. Er wird es wohl vergessen haben. Auch er ist nicht mehr der Jüngste.

»Der Mann hieß Sascha Vogt. Er wurde achtundzwanzig Jahre alt.«

Malou räuspert sich, sie will gerade zu einer ihrer kurzen Reden ansetzen, die sie in verschiedenen Variationen auswendig kennt,...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Bern • Blind Date • Cold Case • Deutschland • eBooks • Ermittlerin • Findelkind • Geburtstag • Heimatkrimi • Kindergeburtstag • Krimi • Kriminalromane • krimi neuererscheinung 2024 • Krimis • Line Holm • malou löwenberg • maria just • Melanie Raabe • milla nova • Neuerscheinung • neuerscheinung 2024 • Privatermittlerin • reihenauftakt • Romy Fölck • sandro bandini • Schweiz • Serienkiller • Serienmörder • Spannung • Spin-Off • Stine Bolther • Thriller • tina frennstedt • Vermisste Personen • verschwundene Mutter
ISBN-10 3-641-30097-5 / 3641300975
ISBN-13 978-3-641-30097-5 / 9783641300975
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