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Beton und Bytes (eBook)

Wie Bauen das Fundament für unsere Zukunft schafft
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
272 Seiten
REDLINE Verlag
978-3-96267-276-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Beton und Bytes -  Gerhard Waldherr
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Kräne für die Zukunft Es begleitet uns in allen Lebenslagen, vom ersten bis zum letzten Moment unseres Daseins: Bauen bestimmt unsere Lebensqualität, Wirtschaftsleistung und Zukunftsfähigkeit. Wohnen, Mobilität, Energiewende, Klimaschutz, Bildung, Wissenschaft, Freizeit, Entertainment - alle relevanten Themen dieser Zeit sind damit verbunden. Dennoch löst Bauen oft Kritik und Widerstand aus. Das Image der Branche ist ambivalent. Warum der Bau und sein Beitrag zu unserer Zukunft mehr Begeisterung verdient hat, erzählt dieses Buch. Es enthält Geschichten über große Projekte, spannende Innovationen und die Menschen dahinter. Und einen Exkurs über den Werkstoff des Jahrhunderts, ohne den nichts möglich wäre: Beton.

Gerhard Waldherr ist Buchautor, Reporter und Publizist. Er war Sportredakteur bei der 'Süddeutschen Zeitung', Reporter beim 'Stern' und als freier US-Korrespondent unter anderem für 'Die Zeit', den 'Spiegel' und 'Geo' tätig. Bis 2015 war Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins 'brand eins'.

Gerhard Waldherr ist Buchautor, Reporter und Publizist. Er war Sportredakteur bei der "Süddeutschen Zeitung", Reporter beim "Stern" und als freier US-Korrespondent unter anderem für "Die Zeit", den "Spiegel" und "Geo" tätig. Bis 2015 war Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins "brand eins".

Zementwerk Rohrdorf

Foto: Südbayerisches Portland-Zementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH

Graues Gold
Von Zement bis CO2


Kein Baustoff prägt die moderne Welt wie Beton, ein faszinierendes Material mit vielen Vorzügen, einigen Nachteilen und einer sehr problematischen Seite. Der für die Herstellung notwendige Zement gilt als Klimakiller. Ein berechtigter Vorwurf?

»Beton [beˈtõ], [beˈtɔŋ] (österr. und z. T. bayr. [beˈtoːn]; schweiz. und alem. 1. Silbe betont [ˈbetɔ̃]), vom gleichbedeutenden franz. Wort béton, ist ein Baustoff, der als Dispersion unter Zugabe von Flüssigkeit aus einem Bindemittel und Zuschlagstoffen angemischt wird. Der ausgehärtete Beton wird in manchen Zusammenhängen auch als Kunststein bezeichnet.«

So beginnt der Eintrag auf Wikipedia. Ein bisschen sperrig für den Jahrhundertbaustoff, dessen Vorzüge schier endlos sind: vielseitig, dauerhaft, brennt nicht, schnell herzustellen, widersteht härtesten Umwelteinflüssen, wasserundurchlässig, gute Dämmeigenschaften, der einzige Baustoff, der gleichzeitig raumabschließend ist und als tragendes Bauteil auf Zug und Druck beansprucht werden kann. Und das Beste neben etlichen anderen Eigenschaften, jedenfalls aus Sicht des japanischen Architekten und Betonliebhabers Tadao Andoˉ: »Beton kann man in jede Form bringen. Er besitzt eine große Unabhängigkeit. Er gibt mir die Freiheit, alles zu tun.«

Beton hat aber nicht nur Freunde. Für viele ist er ein Synonym für Hässlichkeit. Grau, einförmig, brutal. Kein Baustil drückt das mehr aus als der Brutalismus, der sich vom französischen »Béton brut« ableitet. Das »brut« sollte die authentische, unverfälschte Aura von Sichtbeton ausdrücken. Angeführt von Architekten wie Le Corbusier, Kenzoˉ Tange oder Gottfried Böhm entstanden vor allem in den Sechziger- und Siebzigerjahren eine Vielzahl von ungeschminkten Kolossal- und Sonderbauten. Le Corbusier ließ im indischen Chandigarh eine ganze Stadt aus Beton errichten, Oscar Niemeyer verwirklichte sich im Retortenprojekt Brasilia, in der Sowjetunion entstanden die Chruschtschowkas, normierte Plattenbauten, die im kapitalistischen Westen ihre Entsprechung unter anderem in den seelenlosen Banlieues am Pariser Stadtrand fanden. Wohnsilos, Protzdenkmäler, Behördenpaläste - die Enzyklopädie des Brutalismus ist gewaltig.

Der Béton brut ist Geschichte. Die Zeiten haben sich geändert und mit ihr die Architektur. Doch die Bedeutung von Beton ist ungebrochen. Denn die Weltbevölkerung wächst und wächst und mit ihr der Bedarf nach dem grauen Gold der Bauwirtschaft. Beton ist nach Wasser der am meisten verbrauchte Werkstoff. Jedes Jahr wird pro Mensch ein Kubikmeter davon verbaut. Einer Studie zufolge soll in jedem Jahrzehnt bis 2060 ein neues New York City entstehen. Das führt zu massivem Raubbau an der Natur, denn was bei Wikipedia mit Zuschlagstoffen umschrieben wird, sind meist Sand, Schotter und Kies, deren Vorkommen dramatisch zurückgehen. Weit mehr in der Kritik steht jedoch das oben erwähnte Bindemittel.

Zement ist der Stoff, der den Beton zusammenhält. Er basiert überwiegend auf Kalkstein, chemischer Name Calciumcarbonat, und Ton, chemischer Name Siliziumdioxid (SiO2), verwendet wird auch Mergel, eine natürliche Verbindung aus Kalkstein und Ton. Um aus Calciumcarbonat (CaCO3) das gewünschte Calziumoxid (CaO) zu gewinnen und Zementklinker zu erzeugen, muss der Ausgangsstoff bei Temperaturen um 1.450 Grad gebrannt werden. Dabei wird der Kalkstein entsäuert und Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Hinzu kommt der Energieverbrauch des Brennprozesses, der ebenfalls klimaschädliche Emissionen zur Folge hat. Eine Tonne Portlandzement, die am häufigsten gehandelte Sorte, geht bis zu 92 Prozent auf Kalkstein und Ton zurück und produziert zwischen 590 und 920 Kilogramm CO2.

Weltweit werden jährlich etwa 4,6 Milliarden Tonnen Zement produziert, fast die Hälfte davon in China. Zement ist der am meisten verwendete Werkstoff der Welt, die Zementindustrie ist der drittgrößte Energieverbraucher und verantwortlich für fünf bis acht Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes. Das alles hat Zement den Ruf als größter Klimakiller der modernen Welt eingebracht.

Auf der A8 Richtung Salzburg ist es die Ausfahrt Rohrdorf. Vorbei an der Ortschaft, dann links und nach einem Kilometer tauchen die Silos auf, umgeben von Hallen, Türmen und einem hohen, schlanken Kamin. Dahinter erstreckt sich ein breiter Steinbruch, der sich breit und weiß und terrassenförmig in die hügelige Landschaft gegraben hat. Hier lagert der legendäre Rohrdorfer Granitmarmor, ein Kalkstein, der sich im 19. Jahrhundert unter den Baumeistern der bayerischen Monarchie großer Beliebtheit erfreute, weil leichter und einfacher zu verarbeiten als reiner Granit. In München wurde er beispielsweise in der Kirche St. Bonifatius, der Staatsbibliothek oder der Residenz verbaut, auch der Sockel der Bavaria stammt aus Rohrdorf.

Wenig später in einem Konferenzraum. Gekommen sind die Herren Edelmann, Godl und Bartinger. Mike Edelmann ist Geschäftsführer des Südbayerischen Portland-Zementwerks Gebr. Wiesböck & Co. GmbH. Gerhard Godl ist Verkaufsleiter Zement, Anton Bartinger ist Technischer Leiter. Das Zementwerk gehört zur Rohrdorfer Gruppe, 600 Millionen Euro Umsatz, 2.000 Mitarbeiter, die an mehr als 140 Standorten in Deutschland, Österreich, Ungarn und Italien neben Zement auch Transportbeton, Betonwaren und -fertigteile herstellt sowie Sand und Kies fördert und vertreibt.

Die Herren erzählen, wie alles begonnen hat auf dem Staucherhof, hundert Meter die Straße runter. Andreas Wiesböck übernimmt als ältester Sohn den Hof, die jüngeren Brüder Georg und Ludwig übernehmen den Steinbruch. 1929. Weltwirtschaftskrise. Schwere Zeit. Edelmann sagt: »Die beiden haben mit nichts angefangen und ein Zementwerk auf die Wiese gestellt, bezahlt werden konnte oft nur in Naturalien. Wenn kein Geld da war, wurde der Strom abgestellt, die Grundstücke ringsum wurden aufgekauft, damit sich das Unternehmen ausbreiten konnte.« Am Freitagnachmittag saßen die Brüder häufig auf einem Hügel neben dem Werk, um nach Pferdefuhrwerken Ausschau zu halten. Sollte noch ein Kunde kommen, würde es am Abend für eine Maß im Wirtshaus reichen.

Schwer kalkulierbar ist das Geschäft bis heute. »Wir sind abhängig von der Politik«, sagt Edelmann, »von Infrastrukturprogrammen, Wohnungsbauförderung und natürlich immer auch von der Konjunktur.« In einem Satz: »Wenn es der Wirtschaft gut geht, steigt der Bedarf an Beton.« Wenn nicht, bricht er ein. Dieses Auf und Ab lässt sich an der Geschichte des Südbayerischen Portland-Zementwerks gut nachvollziehen. Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg: rauf; Wirtschaftswunderzeit; noch mehr rauf; Ölkrise: runter; Achtzigerjahre: Absturz; Wiedervereinigung: kurzes Zwischenhoch; 2001: »das schwerste Jahr« (Edelmann). 1994 wurden in Deutschland 46 Millionen Tonnen Zement hergestellt. 2001 waren es nur noch 27,5 Millionen Tonnen. Seither geht es leicht aufwärts. Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 30 Millionen Tonnen produziert, die für zwei Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind.

In Rohrdorf entstehen jährlich 750.000 Tonnen Zement. Sie haben 13 Sorten für Transportbeton, Fertigteile oder Spezialanwendungen. Drei Sorten erwirtschaften 80 Prozent des Umsatzes. Ein Drittel der Produktion wird an Unternehmen des eigenen Firmenverbunds verkauft. Dass bei Rohrdorfer die Zahlen stimmen, liegt neben dem Bauboom auch an einer vorausschauenden Geschäftspolitik. »Wir wollten immer in der Region bleiben, und wir haben immer versucht, mit Akquisitionen und Diversifizierung das Unternehmen zu stabilisieren, es galt immer der Grundsatz: Erst kommt die Firma, dann kommen die Gesellschafter.«

Verkaufsleiter Godl ergänzt: »Wir haben hochwertige Produkte, wir sind nahe am Markt, wir wissen, was der Kunde will.« Und sollte der einmal übersehen, dass aufgrund geänderter EU-Normen bestimmte Betonsorten nicht mehr zulässig sind, wird er von Godl geduldig daran erinnert, verbunden mit einer Empfehlung für das passende Ersatzprodukt, etwa den CO2-armen Portlandkompositzement »Futuro 2021« für 135,20 Euro pro Tonne.

Das Engagement hat seinen Grund. Der Spielraum für Fehlentscheidungen in der Zementbranche ist klein. Wie überall gibt es auch hier Trickser, Täuscher und aggressive Mitbewerber. Hinzu kommen Strom, Brenn- und Rohstoffe, Technik, Unterhalt, Reparatur, Fracht – alles wenig bis gar nicht beeinflussbare Kostenfaktoren. Anton Bartinger sagt: »Zehn Prozent unseres Umsatzes geben wir allein für den Transport unserer Ware aus, da kann man sich keine großen Umsatzeinbrüche leisten.« Die Kapazität in Rohrdorf beträgt 30.000 Tonnen pro Woche. Mindestauslastung, um profitabel zu wirtschaften: 75 Prozent. »Derzeit«, so Bartinger, »liegen wir bei 90 bis 95 Prozent.«

Die Geschichte ist typisch für den deutschen Mittelstand. Ein Unternehmen, das aus eigener Kraft entstanden ist, sich seinen Erfolg hart erarbeitet und seine Anfänge nicht vergessen hat. Natürlich gehört auch ein charismatischer Chef dazu. Georg Wiesböck schenkte seinen Mitarbeitern Grundstücke, ließ seinen Bauingenieur Baupläne zeichnen und schickte Maschinen aus dem Betrieb für den Bau. So entstand die Zementwerkssiedlung im benachbarten Neubeuern.

Was zählt, ist nicht nur das Geschäft. Dieser Geist lebt bis heute. Auch wenn Rohrdorfer über die Jahrzehnte massiv expandierte, die Standorte sollen weiter möglichst nahe am Hauptsitz der Firma liegen. Godl verkauft seinen Zement gerne an langjährige Kundschaft: »Wir haben einen Grundsatz: Dauerwechsler, Billigsucher, das schnelle Tagesgeschäft interessieren uns...

Erscheint lt. Verlag 18.4.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Arbeitskraft • Bauboom • Bauland • Bauverband • Bauwirtschaft • Beton • Corona • Coronakrise • Erfolg • Gerhard Waldherr • Innovation • Konjunktur • Kran • Motor • Pandemie • Wirtschaftsaufschwung • Wirtschaftskraft • Zukunft
ISBN-10 3-96267-276-1 / 3962672761
ISBN-13 978-3-96267-276-8 / 9783962672768
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