Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Wolfsgrube (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
200 Seiten
Midnight (Verlag)
978-3-95819-095-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wolfsgrube -  Anne Rößing
Systemvoraussetzungen
2,99 inkl. MwSt
(CHF 2,90)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Im hessischen Dörfchen Aubel wird Bernd Bretschneider tot in seinem Haus gefunden. Für Polizist Frank Schenk die erste Leiche seiner Karriere. Nachdem er sich plötzlich, aber heftig in die Geranien übergeben muss, ist nicht nur ihm klar, dass besser jemand anderes diesen Fall übernehmen sollte. Also kommt Franks Frau Hauptkommissarin Helen Schenk früher als geplant aus der Elternzeit zurück aufs Revier und stürzt sich mit Inbrunst in die Ermittlungen. Kurz darauf wird Bretschneiders Ehefrau tot aus dem Fluss gezogen. Ihr Körper ist völlig zerschunden. Und auch wenn Kollege Manfred lieber Frühstückspause als Befragungen durchführt und keiner der Dorfbewohner etwas Böses vermuten mag, ahnt Helen, dass Aubel nicht so beschaulich ist, wie es auf den ersten Blick scheint ...



1969 wurde ich in einem kleinen Ort im Fuldatal geboren. Nach dem Abitur bin ich durch die Welt gereist, habe als Gärtnerin gearbeitet, um schließlich Pädagogik und Germanistik zu studieren. Momentan arbeite ich als Lehrerin und lebe mit meinem Mann und meinen drei Kindern in Oldenburg. Seit vielen Jahren nehme ich an Seminaren der Oldenburger Schreibwerkstatt teil.

Freitag, 11. Juli


Schokoladencroissant


Er hätte das Schokoladencroissant nicht essen sollen. Schlecht hatte es nicht geschmeckt, aber jetzt stieß es ihm übel auf. Frank Schenk spürte, wie seine Magensäure langsam nach oben stieg. Bloß nicht nach unten sehen. Zu seinen Füßen lag eine Leiche. Er hatte in seinem ganzen Leben nur einmal einen Toten gesehen, und das war sein Opa gewesen, aber der Opa war im Winter gestorben, und Frank hatte vorher kein Schokoladencroissant gegessen.

»Du kennst den doch auch, oder?«, fragte Manfred Räuber.

Die Decken in dem alten Fachwerkhaus waren so niedrig, dass Manfred seinen Kopf einziehen musste, um nicht oben anzustoßen.

Frank schüttelte den Kopf. Was hieß schon kennen? Natürlich war er Bernd Bretschneider hin und wieder über den Weg gelaufen, das ließ sich nicht vermeiden, wenn man im selben Dorf wohnte. Wirklich gekannt hatte er ihn jedoch nicht. Was wollte Manfred eigentlich noch hier? Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätten sie sich schon längst aus dem Staub gemacht. Die Kollegen aus Fulda waren informiert, und das Absperrband schirmte den Tatort vor Neugierigen ab.

»Guck dir das doch mal an«, sagte Manfred, »vom Bretschneider seinem Gesicht ist nichts mehr übriggeblieben!«

Frank hatte nicht vor, seinen Blick auf den Toten zu richten. Stattdessen schaute er nach oben und zählte die Schimmelflecken an der Decke. Zwölf Stück, ekelhaft war das hier: Schimmel, Leichengeruch, vermischt mit kaltem Rauch, und dann die Hitze. Er wusste nicht, wie lange er noch dazu in der Lage war, den Tatort zu sichern. Wenn es ganz schlimm kam, würde er einfach die Teerstraße hinunter ins Dorf laufen und sich von seiner Frau einen Kamillentee kochen lassen.

»Erste Leiche?«, fragte Manfred.

Frank sagte nichts. Er beobachtete, wie Manfred an seinem Plastikhandschuh zog. Das transparente Polyethylenmaterial wollte sich nicht von der fleischigen Hand trennen.

Der Kunststoffhandschuh zog sich wie ein Kaugummi und löste sich schließlich mit einem schmatzenden Geräusch von Manfreds Hand.

»Ich muss was essen«, sagte Manfred, »ich hatte noch kein Frühstück.«

Er ging in die Hocke und zog eine Brotdose aus dem Metallkoffer, der eigentlich nur für Utensilien der Spurensicherung vorgesehen war. Mit einem Klick öffnete er die Dose und entnahm ihr ein Wurstbrot. »Ahle Worscht«, die schon einmal in der Sonne gelegen hat, entwickelt einen eigenartigen Geruch.

»Manfred, bitte«, in Franks Stimme lag ein quengelnder Unterton, »du kannst doch hier nicht essen!«

Manfred biss in das Brot und fragte: »Warum denn nicht?«

Für Frank war das keine Frage. Sein Kollege hinterließ Spuren am Tatort, Spuren, die nicht hierhergehörten, und das sagte er auch.

»Wir hinterlassen ständig Spuren«, entgegnete Manfred, und dann zählte er auf, was so alles vom menschlichen Körper herabrieselte: Haare, Hautfetzen und jede Menge Schuppen.

»Was glaubst du, wie viele Schuppen ich in den vergangenen Jahren vom Chef gefunden habe?«

Frank zuckte mit den Schultern.

»So viele, dass ich sicher bin, der Chef hat ein Problem mit seiner Kopfhaut«, er lachte laut über seinen eigenen Witz. Frank lachte nicht. Er versuchte, an Manfred mit seinem Wurstbrot in der Hand vorbeizuschauen, etwas anderes in der heruntergekommenen Küche zu fixieren. Unter dem Tisch lag eine Nylonstrumpfhose. Daneben waren mindestens zehn leere Bierflaschen. Ohne dass Frank wusste, was er tat, suchten seine Augen den Fußboden nach weiterem Leergut ab. Und da geschah es, er schaute an Manfred vorbei und sah die Leiche! Er sah die Pistole in der Hand des Toten. Sie lag direkt neben dem Gesicht oder besser gesagt neben dem, was einmal ein Gesicht gewesen war. Nur noch Fetzen! So etwas Widerliches hatte er noch nie im Leben gesehen, nicht einmal in den schlimmsten Horrorfilmen. Frank hielt sich die Hand vor den Mund und rannte aus der Küche. Er schaffte es bis vor die Eingangstür und übergab sich direkt in die Brennnesseln, die neben dem Eingang wucherten.

Junk-Food


»Schenk, können Sie sich nicht ein bisschen zusammennehmen? Wie steht denn jetzt der Polizeidistrikt Osthessen da, wenn der Dienst habende Polizist nichts Besseres zu tun hat als in den nächstbesten Geranienkübel zu kotzen?« Schuhmacher durchschritt sein Dienstzimmer.

Es waren keine Geranien, es waren Brennnesseln, dachte Frank, aber er sagte nichts. Schuhmacher mochte es nicht, wenn er unterbrochen wurde.

»Wie soll ich das denn vor den Kollegen in Fulda vertreten? Das sieht ja so aus, als hätten Sie noch nie eine Leiche gesehen. Die müssen in Fulda denken, wir hätten hier noch nie einen Mord gehabt.«

Hans Schuhmacher gehörte zu den Menschen, die alles aussprachen, was sie dachten. Darum war es für ihn unmöglich, ein Verhör zu führen.

»Schenk!« Schuhmacher blieb mitten im Raum stehen. Frank sah Schweißperlen auf der Stirn seines Chefs. Trotz der Hitze trug Schuhmacher ein Jackett. Er trug immer ein Jackett und immer dasselbe.

»Schenk!«, wiederholte Schuhmacher, »ich möchte, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt.«

Frank nickte und betete, endlich dieses Dienstzimmer verlassen zu dürfen, aber Schuhmacher begann wieder mit seinem Lauf: zehn Schritte nach rechts und zehn Schritte nach links. Helen hatte einmal gesagt, dass es für sie unvorstellbar sei, wie ein Mann, der täglich mehrere Kilometer in seinem Arbeitszimmer zurücklegte, derartig übergewichtig sein konnte.

Er muss tonnenweise Junk-Food in sich hineinstopfen, sonst wäre er niemals so fett, dachte Frank und betrachtete Schuhmachers Jackett. Es stand offen. Dort, wo es am Revers auseinanderlappte, ragte ein riesiger Bauch hervor.

»Warum antworten Sie mir nicht?« Hans Schuhmacher blieb ganz dicht vor seinem Untergebenen stehen. Die Schulterpasse seines Jacketts war übersät mit kleinen, weißen Punkten. Schuhmacher hatte tatsächlich ein Problem mit seiner Kopfhaut.

»Sie sehen ja ganz blass aus. Ist Ihnen schon wieder schlecht? Wie soll ich denn mit einer Truppe von Weicheiern und Waschlappen arbeiten? Seit Ihre Frau nicht mehr hier ist, geht das ganze Dezernat den Bach runter. Fahren Sie nach Hause, und sagen Sie Ihrer Frau, dass ich sie brauche!«

Frank sah seinen Chef ratlos an.

»Was glotzen Sie so? Wir leben im 21. Jahrhundert. Warum bleiben Sie nicht zu Hause und kümmern sich um Ihr Kind? Ihre Frau ist doch sowieso eine Gehaltsstufe höher eingestuft! Denken Sie mal darüber nach! Sie hätten mehr Geld in der Haushaltskasse, und das Polizeidezernat Osthessen könnte wieder vernünftig arbeiten! Wie geht es ihr eigentlich?«

»Wem?«, fragte Frank.

»Ihrer Frau! Hören Sie mir eigentlich nicht zu? Ich rede die ganze Zeit von Ihrer Frau! Wie geht es Ihrer Frau?«

»Gut!«, sagte Frank, »es geht ihr gut!«

»Richten Sie ihr schöne Grüße aus, und besprechen Sie meinen Vorschlag zu Hause!«

Frank nickte.

Sandkuchen


»Sebastian, guck mal hier, ein Marienkäfer!«

Sebastian reagierte nicht. Er saß in der Sandkiste und hielt eine rote Schaufel in der Hand.

»Sebastian, jetzt guck doch endlich mal, ein kleiner Marienkäfer krabbelt über meine Hand!«

Wie ein Buddha saß Sebastian in der Sandkiste. Es war zum Verzweifeln. Ihr Sohn tat von morgens bis abends so gut wie nichts. Entweder er schlief, oder er aß, oder aber er saß mit der Schaufel in der Hand im Sand und schaute in die Luft.

»Pflegeleicht« nannte ihre Schwiegermutter das. Der Sebastian sei eben wie der Papa, er würde lang schlafen und gut essen.

Helen ließ den Marienkäfer auf ihren Zeigefinger krabbeln und streckte den Finger in die Luft. Der Käfer öffnete seine Flügel und flog davon. Sebastian würdigte ihn keines Blickes. Nichts, aber auch gar nichts interessierte dieses Kind! Warum also sollte sie noch länger hier sitzen? Ebenso gut konnte sie ins Haus gehen und die Tageszeitung durchblättern. Vorsichtig, so dass sie kein Geräusch verursachte, stand Helen auf. Sebastian schien nichts zu bemerken. Kaum hatte sie sich jedoch aus der Sandkiste bewegt, begann Sebastian entsetzlich zu heulen. So war es immer. Stundenlang registrierte er überhaupt nichts, sobald sie sich aber weiter als drei Meter von ihm entfernte, stimmte er ein ohrenbetäubendes Geheul an. Es blieb ihr nichts anders übrig als den ganzen Tag auf dem Rand der Sandkiste zu hocken oder bei schlechtem Wetter in einer völlig rückenschädlichen Position neben einem riesigen Berg Duplosteinen zu kauern. Sie setzte sich wieder, nahm ein Förmchen in die Hand, füllte es mit Sand und drehte es um. Der Sandkuchen, den sie gebacken hatte, interessierte Sebastian nicht, aber wenigstens hatte er aufgehört zu weinen. Helen schaute auf ihre Armbanduhr. Es war 16:07 Uhr. In vier Minuten würde Frank hier sein. Er arbeitete bis 16:00 Uhr. Zwei Minuten brauchte er von seinem Büro bis zum Parkplatz, und neun Minuten dauerte eine Autofahrt von Aubel nach Sondhausen. Vier Minuten, noch vier Minuten!

Langsam flog eine dicke Fliege an Helens Kopf vorbei. Ihre Flügel schillerten cyanblau in der Sonne. Die Fliege flog einen großen Bogen und dann geradeaus, direkt auf Sebastian zu. Sie setzte sich auf die rote Schaufel, verharrte dort eine Weile und krabbelte dann bis zu Sebastians Hand. Mit ihren flinken Beinchen lief sie rasch über Sebastians fleischige Finger. Er bewegte sich immer noch nicht.

Vielleicht hat er einen Sonnenstich, dachte...

Erscheint lt. Verlag 13.1.2017
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Sachbuch/Ratgeber Essen / Trinken
Schlagworte Armin Niedermeier • Ausgeplappert • Ausgeplappert Krimis • ausgeschifft • Bestseller Krimi • bestseller kriminalroman • Buch 2017 • Cosy Crime • Cosy-Krimi • Cosy-Krimis • Cosy Mystery • Deutsche Krimi • Deutsche Krimis &Thriller • eBook • ebook deutsch • eBook Krimi • Ermittlerin • Essen • Essen und Trinken • Frankfurt • Frankfurt am Main • Frankfurt Krimi • Gisela Garnschröder • Gründlich ermittelt • Hessen • Hessen Krimi • Humor • humoriger krimi • Humor Krimi • Katrin Schön • Kochen • Krimi ebooks • Kriminalroman • Kriminalromane und Mystery • Kulinarischer Krimi • Lissie Sommer • Lissie Sommer Krimis • Midnight • Mord am Main • Nele Neuhaus • Neu 2017 • Neuerscheinung 2017 • Neuerscheinungen 2017 • Osthessen • Polizei • Polizeiarbeit • Regiokrimi • Regiokrimi Hessen • Regionalkrimi • schräge Ermittlerinnen • Steif und Kantig • Taunus • Taunuskrimi • Tina Gründlich • Ullstein • ungewöhnlicher Ermittler • Walter Bachmeier • weibliche Ermittler • weibliche Ermittlerin • weibliche Heldin • weibliche Heldine und Mystery
ISBN-10 3-95819-095-2 / 3958190952
ISBN-13 978-3-95819-095-5 / 9783958190955
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
CHF 9,75
Ein Fall für Albin Leclerc

von Pierre Lagrange

eBook Download (2025)
Fischer E-Books (Verlag)
CHF 12,65