Vermächtnis der Engel (eBook)
318 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7393-3546-9 (ISBN)
Carolyn Lucas ist das Pseudonym der Autorin Christiane Lind, unter dem sie Fantasy schreibt. Wie ihre Hauptfigur Sarah hat Carolyn in einer verschlafenen Studentenstadt in einer Wohngemeinschaft gelebt. Mit Sarah teilt sie die Zuneigung zu Katzen und Pferden sowie den Job als Buchhändlerin. Einen gefallenen Engel hat Caorlyn aber noch nicht kennengelernt. www.carolynlucas.org oder https://www.facebook.com/carolynlucas www.christianelind.de oder https://de-de.facebook.com/ChristianeLind
Carolyn Lucas ist das Pseudonym der Autorin Christiane Lind, unter dem sie Fantasy schreibt. Wie ihre Hauptfigur Sarah hat Carolyn in einer verschlafenen Studentenstadt in einer Wohngemeinschaft gelebt. Mit Sarah teilt sie die Zuneigung zu Katzen und Pferden sowie den Job als Buchhändlerin. Einen gefallenen Engel hat Caorlyn aber noch nicht kennengelernt. www.carolynlucas.org oder https://www.facebook.com/carolynlucas www.christianelind.de oder https://de-de.facebook.com/ChristianeLind
Prolog
Herbst, vor 16 Jahren
»Sarah! Sarah, sag doch was!«
Wie durch Watte hörte sie Fabiennes Stimme. Sarah wollte ihrer Freundin antworten, wollte etwas Beruhigendes sagen, aber sie brachte kein Wort heraus. Von einem Moment zum anderen hatte Sarah die Kontrolle über ihren Körper verloren und war auf den Betonboden des Schulhofs gestürzt. Sie war in das Zittern ausgebrochen, das sie kannte und fürchtete. Das Zittern, das ankündigte, dass sie bald wieder von einer Vision, wie ihr Vater es nannte, geplagt würde. Hier, auf den grauen Steinen, vor der ganzen Klasse, die sich in der großen Pause versammelt hatte. Endlich ließen die Krämpfe etwas nach, sodass Sarah Worte flüstern konnte.
»Hilf mir.« Flehend streckte sie die Hand aus. Ihr Blick, durch Tränen vernebelt, suchte nach Fabienne. »Hilf mir, bitte.«
Fabienne kniete sich neben sie, nahm Sarahs Kopf auf den Schoß und strich ihr die Haare aus der schweißfeuchten Stirn.
»Holt Hilfe. Holt Frau Schütte oder Herrn Langmeier«, schnauzte Fabienne die anderen Kinder an, die um sie herumstanden, als gäbe es etwas Spannendes zu beobachten. »Glotzt nicht. Helft uns!«
Doch ihre Mitschüler der vierten Klasse schreckten zurück, als wäre Sarah ansteckend: Sie wichen von ihr, als könnte eine Berührung dazu führen, dass sie sich ebenfalls auf dem Boden wälzen und seltsames Zeug brabbeln würden.
»Feuer. Schmerz«, murmelte Sarah. Sie spürte die kühlen Pflastersteine in ihrem Rücken, fand aber nicht die Kraft aufzustehen. Zu verwirrend waren die Worte, die ihr Kopf formulierte und die ungefiltert aus ihrem Mund drangen. »Lege unter ihn scharfe und spitze Steine und bedecke ihn mit Finsternis. Er soll für ewig dort wohnen, und bedecke sein Angesicht mit Finsternis, damit er kein Licht schaue.«
Obwohl sie sich mit aller Kraft bemühte, den Mund geschlossen zu halten, gelang es den schrecklichen Sätzen immer wieder, ihr zu entwischen. Im letzten Jahr war es schlimmer geworden. Zu jeder Zeit, an jedem Ort konnten das Zittern und die Visionen Sarah überfallen. Gestern hatte sie ihre Eltern belauscht, die überlegten, sie auf eine Schule für besondere Kinder zu schicken.
Allein.
Ohne Fabienne.
Wie sollte Sarah dort überleben? Ohne ihre Freundin wäre sie den Anfeindungen der anderen hilflos ausgeliefert.
»Die spinnt voll«, hörte Sarah jemanden sagen. Ein Kichern folgte diesen Worten, ein Kichern, dem sich bald andere anschlossen. Es klang, als wären sie erleichtert, als erlöste das Lachen sie von dem Grauen, das die Kinder spürten.
»Ich kenn die. Das hat die öfter«, erklang eine zweite Stimme. Bösartig und kalt.
Obwohl ihr weiterhin seltsame Sätze durch den Kopf strömten, erkannte Sarah den Sprecher. Finn. Seit der ersten Klasse machte er ihr das Leben schwer. Wie gern hätte sie den Mut aufgebracht, sich gegen ihn zu wehren. Aber jetzt konnte sie nur die Worte ausstoßen, die in ihr brodelten wie ein Vulkan. Sätze, die an die Oberfläche drängten, selbst wenn sie die Zähne so fest zusammenbiss, dass ihre Kiefer schmerzten.
»Wenn sich ihre Söhne untereinander erschlagen, und wenn die Väter den Untergang ihrer geliebten Söhne gesehen haben werden, so binde sie für 70 Geschlechter unter die Hügel der Erde bis zum Tag ihres Gerichts und ihrer Vollendung, bis das ewige Endgericht vollzogen wird.«
»So ein Blödsinn!« Wieder erklang Finns gehässige Stimme. Eine kurze Pause. Dann folgte ein gemeines Lachen: »Los, wir holen Wasser. Das kippen wir auf sie. Das hilft bestimmt.«
Aufstehen, ich muss aufstehen, dachte Sarah. Aber ihr Körper wehrte sich gegen ihre Wünsche, als hätte jemand anderes die Macht über ihn ergriffen. Sie spürte Tränen aufsteigen. Tränen der Erniedrigung und Tränen der Wut, weil sie keine Möglichkeit besaß, sich gegen Finns Angriff zu wehren. Schlimm genug, dass ihr furchtbarer Anfall alle Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Aber wie würden die anderen Kinder erst lachen, wenn sie nass und zappelnd hier läge. Sarah schmeckte Blut. In ihrer Angst hatte sie sich die Unterlippe zerbissen. Selbst der Schmerz erlöste sie nicht von ihrem Anfall. Auch Fabiennes Anwesenheit half nicht.
»Wenn du Sarah auch nur mit einem Tropfen Wasser bespritzt, lasse ich dich Regenwürmer fressen«, drohte Fabienne. »Du weißt, dass ich das tue.«
»Vor dir habe ich keine Angst«, antwortete Finn großspurig, aber Sarah hörte seinem Tonfall an, dass er sich vor ihrer Freundin fürchtete. Denn Fabienne hatte Finn einmal so fest auf die Nase gehauen, dass diese geblutet hatte. Das war, als er Sarah wieder einmal die Brille weggenommen hatte.
»Holt endlich Hilfe«, stieß Fabienne hervor, als Sarahs Körper sich aufbäumte wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Los.«
Keines der Kinder bewegte sich. Weder um Wasser zu holen, wie Finn es vorgeschlagen hatte, noch um Hilfe zu suchen, wie Fabienne sie zweimal aufgefordert hatte. Sie bildeten einen Kreis um Sarah und Fabienne wie eine undurchdringliche Mauer.
»Was macht ihr da?«
Kaum hörten die Kinder die Stimme der Fremden, einer Erwachsenen, da stoben sie auseinander und liefen davon. Schließlich mussten sie schon längst in den Klassenräumen sein.
»Was ist mit dir? Soll ich dir beistehen?« Die Frau ließ sich auf die Knie nieder und legte Sarah eine angenehm kühle Hand auf die Stirn. Unvermittelt hörten deren Gliedmaßen auf zu zucken, als leitete die Fremde Strom durch Sarahs Körper. »Bleib liegen.«
»Sind Sie Ärztin?«, fragte Fabienne mit ängstlicher Stimme. »Können Sie Sarah helfen?«
»Arme Kleine«, sagte die Frau, ohne auf Fabiennes Fragen einzugehen. »Wie sehr musst für die Sünden deiner Vorväter büßen.«
Mühsam gelang es Sarah, den Blick zu fokussieren. Ihr ganzer Körper schmerzte, als hätte sie viel zu viel Sport gemacht. Einen schreckerfüllten Moment fürchtete sie, blind zu werden, weil sie die Frau kaum erkennen konnte. Endlich bemerkte sie, dass sie ihre Brille verloren hatte. Mit der rechten Hand tastete sie über den Boden, bis sie das vertraute Gestell in den Fingern hielt. Sie zog die Brille zu sich heran und setzte sie auf. Trotzdem musste Sarah noch zweimal blinzeln, bis sie die Fremde deutlich sehen konnte. Die Frau musterte Sarah mit prüfendem Blick.
Sarah hielt den Atem an. War sie gestorben und im Himmel? So eine schöne Dame musste einfach ein Engel sein. Sie sah so aus wie die Frauen auf den Covern der Heftromane, die Tante Anne immer las. Langes, goldfarbenes Haar floss in weichen Wellen über schmale Schultern, ihre Augen schimmerten blau wie der Sommerhimmel. Als die Frau lächelte, blitzten strahlendweiße Zähne auf. Wie Perlen, dachte Sarah. So hieß das immer in den Romanen. Die Dame trug ein weißes Kleid aus einem glänzenden Stoff, so hell, dass es schmerzte, ihn anzuschauen.
Wäre nicht Fabienne gewesen, die neben der Frau stand und von ihr zu Sarah und wieder zu der bezaubernden Dame schaute, wäre Sarah sicher gewesen, im Himmel zu sein. So musste es eine andere Erklärung für den Engel geben.
»Komm«, sagte die Frau. Sie hielt Sarah die Hand hin. »Komm mit mir.«
Sarah blinzelte. »Ich darf nicht mit Fremden mitgehen.«
»Eigentlich eine kluge Vorschrift, aber in diesem Fall ziemlich dumm.«
Verwirrt schüttelte Sarah den Kopf und schaute Fabienne hilfesuchend an. Ihre Freundin kniete sich neben sie und griff nach Sarahs Hand.
»Du …« Die Frau sah Fabienne an. »Du wirst vergessen, was hier geschehen wird. Du wirst dich niemals an mich erinnern.«
Fabienne, die sich sonst von niemandem etwas vorschreiben ließ, nickte brav. Wie ein Roboter oder wie ein Mensch, der unter dem Einfluss geistiger Kontrolle stand. Das hatte Sarah einmal im Fernsehen gesehen. War die elegante Fremde etwa eine Außerirdische, die Sarah jetzt mit in ihr Raumschiff nehmen wollte, um abscheuliche und grausame Experimente an ihr vorzunehmen?
»Und du, Tochter der Naphalim …«, nun wandte sie sich Sarah zu. Erneut schaute sie das Mädchen kritisch an. Sarah fühlte sich, als wäre sie – wieder einmal – nicht gut genug.
»Sie … Sie irren sich«, stammelte Sarah. »Sie verwechseln mich. Meine Eltern heißen Berghort. In meiner Familie heißt niemand Nafalem.«
Daraufhin lachte die Dame, als hätte Sarah etwas sehr Witziges gesagt. Noch einmal legte sie ihre eleganten Finger auf Sarahs Stirn. Seltsamerweise fühlte die Hand sich plötzlich heiß an, als hätte die Frau Fieber. Sarah wollte ihren Kopf zurückziehen, aber sie konnte sich nicht bewegen. Ein stechender Schmerz breitete sich hinter ihren Augen und dann im ganzen Kopf aus. Obwohl es furchtbar wehtat, konnte sie nicht schreien.
»Wehr dich nicht, Kleines.« Der Tonfall ihrer Stimme klang ruhig und gelassen, was Sarah nur noch mehr Angst einjagte. »Ich nehme dir fürs erste deine Bürde und die Erinnerung.«
Nachdem die Dame mit ihren Fingern ein Muster auf Sarahs Stirn gezeichnet hatte, fühlte diese sich müde und hungrig.
Für einen Moment schloss sie die Augen. Als Sarah sie öffnete, kniete vor ihr eine Frau, die sie noch nie zuvor gesehen hatte.
»Ich hoffe, wir treffen uns nie wieder«, sagte die Fremde, bevor sie sich umdrehte und zu einem roten Sportwagen ging. »Ich wünsche, dass die anderen niemals von dir erfahren.«
»Wer war denn das?« Fabienne blinzelte und gähnte, als wäre sie aus einem Traum erwacht.
»Ich weiß nicht.« Sarah schüttelte den Kopf, um eine dumpfe Müdigkeit abzuwehren....
| Erscheint lt. Verlag | 27.1.2016 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
| Schlagworte | Engel • Ewigkeit • Fantasy • Kalifornien • Katzen • Liebe • Liebesroman • Pferde • Romantasy • Romantik • Studentin • Urban Fantasy |
| ISBN-10 | 3-7393-3546-7 / 3739335467 |
| ISBN-13 | 978-3-7393-3546-9 / 9783739335469 |
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