Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Joachim Ringelnatz: Als Mariner im Krieg - Band 195e in der maritimen gelben Buchreihe - bei Jürgen Ruszkowski (eBook)

Band 195e in der maritimen gelben Buchreihe
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
576 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7541-9378-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Joachim Ringelnatz: Als Mariner im Krieg  - Band 195e in der maritimen gelben Buchreihe - bei Jürgen Ruszkowski -  Joachim Ringelnatz
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
(CHF 19,50)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Dieses Buch beschreibt die Entwicklung der Stimmung der deutschen Bevölkerung im Ersten Weltkrieg von der euphorischen Begeisterung im August 1914 bis zum meuternden und revolutionären Aufbegehren gegen die Obrigkeit im November 1918. Bis ins kleinste Detail wird der Krieg aus der Sicht eines Marine-Soldaten beschrieben. Wilhelmshaven, Cuxhaven, Emden, Kiel, Warnemünde, Swinemünde, Libau, Kurland, diese Hafenstädte und Küstenlandschaften an Nord- und Ostsee werden genau beschrieben. Der Alkohol floss in Strömen. Wein, Weib und Gesang bestimmten den Mariner-Alltag. In den deutschen Großstädten herrschte im letzten Kriegsjahr Hunger und Elend. Die Spanische Grippe kam zum Schluss dazu und raffte Zivilisten und Soldaten massenweise weg. Dies Busch ist ein historisches Zeitdokument. - Rezension zur maritimen gelben Reihe: Ich bin immer wieder begeistert von der 'Gelben Buchreihe'. Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

Joachim Ringelnatz (der sich seit 1919 nach dem seemännischen Namen für das glückbringende Seepferdchen Ringelnatz nannte), geboren am 7. August 1883 in Wurzen in Sachsen als Hans Gustav Bötticher; gestorben am 17. November 1934 in Berlin.

Joachim Ringelnatz (der sich seit 1919 nach dem seemännischen Namen für das glückbringende Seepferdchen Ringelnatz nannte), geboren am 7. August 1883 in Wurzen in Sachsen als Hans Gustav Bötticher; gestorben am 17. November 1934 in Berlin.

2 – Mit „BLEXEN“ in der Werft


Mit „BLEXEN“ in der Werft

Ich war für das 2. Jade-Sperrschiff „BLEXEN“ bestimmt. Zunächst musste ich aber noch von Schreibstube zu Schreibstube laufen und überall lange warten, bevor ich nähere Instruktionen, Ausweise und meine rückständige Löhnung bekam. Dabei hatte ich ein zufälliges Wiedersehen mit meinem „Gesuch betreffend Schadenersatz für Reparatur einer im Dienste beschädigten Privatuhr“. Das Schreiben war vom Hauptmann unterschrieben, es wanderte nun zur Kompanie, von dort zur Division und wahrscheinlich weiter, immer weiter.

Mit anderen Schicksalsgenossen marschierte ich nach der Werft, an den beiden beschädigten Schiffen „FRAUENLOB“ und „STETTIN“ vorbei zum Navigationsressort, wo wir uns meldeten und wo unsere Personalien zum unzähligsten Male aufgenommen wurden. Dann wieder durch die weitläufigen Dockanlagen, zwischen Stapeln von Fässern, Schiffsschrauben und über sauber aufgeschichtete Ankerketten hinweg, immer den schweren Zeugsack auf dem Buckel und überall nach der „BLEXEN“ fragend. Wir fanden und beschnüffelten sie kritisch. Es war ein kleiner, wenig Vertrauen erweckender Privatschlepper, der knapp für fünf Personen Platz hatte, und wir sollten ihn mit elf Mann besetzen, nämlich dem Kommandanten, zwei Maaten (Jessen und ich), zwei Matrosen (Eichmüller und Apfelbaum), drei Maschinistenmaaten und drei Heizern. Im Logis konnten sich zwei Menschen nur mit Mühe aneinander vorbeiwinden. An Deck waren Arbeiter beschäftigt, alles war verdreckt, und außer Minenmaterial fanden wir kein Inventar an Bord. „Das gibt viel Arbeit mit Aufklaren, Waschen und Malen“, sagte Jessen. Mit ihm verabredete ich, dass wir fortan zu den Leuten etwas Distanz wahren und sie auch künftig mit „Sie“ anreden wollten, weil einige gleich plump vertraulich auftraten, besonders der lange und, wie ich schon gespitzt hatte, unaufrichtige und feige Apfelbaum.

Wer etwas kochen könnte, fragte der Kommandant. Apfelbaum trat vor und wurde in die niedrige, enge Küche gesteckt, wo er sich unter unserem Gelächter einrichtete. Dann fuhr ein Teil von uns mit dem Kommandanten in einer Barkasse über den Bauhafen, um Bordrequisiten zu beschaffen. Staunend und darüber unwillkürlich leise, wie auf Zehen, gingen wir durch die weiten Säle des Depots. Da war einer ganz mit Flaggen, ein anderer mit Porzellan, ein dritter mit Besenstielen und Scheuerlappen bis an die Decke angefüllt. Und wie wir die Barkasse nun mit soundso viel Signalflaggen, Ölzeugen, Kupferkesseln, nautischen Instrumenten, Bootshaken, Pinseln, Tassen, Tellern, Farbe, Proviant und anderen Dingen beluden, die alle nagelneu und blitzeblank waren, da sagte jemand: „Das ist wie Weihnachtsbescherung.“ Mehrmals mussten wir mit solcher Ladung hinüber- und zurückfahren. Mir ward so seemännisch wohl zumut. Die Barkasse schaukelte in Wind und Sonne. Rings herum sah man die von Kanonen strotzenden Panzerschiffe, und aus dem geteerten Tauwerk roch ich alte Erinnerungen.

Inzwischen hatte der Koch uns Kaffee gebrüht und Speck und Butter hingestellt. Er gab mir, sicher nicht aus Sympathie, ein besonders großes Stück und machte mir auch vor, wie ich auf meiner Bootsmannspfeife blasen müsste. Aber ich vermochte nur klägliche und blamable Töne zu erzeugen, während alle meine Kameraden auf demselben Instrument die festgelegten, vielen Signale wie Lerchen trillerten.

Ich richtete meine unglaubhaft schmale und kurze Koje ein, eine Decke pfropfte ich zusammengerollt zu Kopfende unter die Matratze. Am Fußende war ein Tragbrettchen angebracht. Dorthin legte ich mein Wichtigstes: Uhr, Börse, Bordmesser und Spindschlüssel. Mein kleiner Spind war so vollgepfropft, dass ich ihn nur mit Hilfe von Fußtritten schließen konnte. Aber nicht alle Leute bekamen Koje und Spind, für einige wurden Matratzen auf den Boden gelegt, für andere Hängematten aufgehängt.

Bevor wir Urlaub bis zehn Uhr erhielten, gab mir der Kommandant noch den mich ehrenden Auftrag, am nächsten Morgen Punkt 8 Uhr die Flaggenparade vorzunehmen. Außerdem wurden wir wieder einmal ermahnt, nicht über maritime Verhältnisse oder Vorgänge zu sprechen. Diese Instruktion war diesmal besonders aktuell. Täglich kursierten neue schlimme Nachrichten über die Flotte. Ein Torpedoboot war gesunken, und der Kreuzer „MAINZ“ und die „KÖLN“ wurden vermisst. In der Stadt herrschte große Besorgnis darüber. Vor der Wilhelmshavener Zeitung warteten Menschenmengen, ich sah Tränen und sprach Zivilisten, die Angehörige an Bord der vermissten Schiffe hatten.

Kreuzer „MAINZ“

Untergang des Kreuzers „MAINZ“


Kreuzer „CÖLN“

Und nachts schlief ich nun wirklich seit Jahren wieder einmal an Bord, in der Stickluft eines überfüllten Logis. Auf dem Tisch klebte und flackerte eine Kerze. Ein höllisches, an Maschinengewehre erinnerndes Geknatter ließ das ganze Schiff erzittern. Oben an Deck wurden Nieten mit Pressluft eingeschlagen. Die Arbeiter mit ihren schlangenartigen Instrumenten, von aufgeregten Fackeln beleuchtet, boten ein seltsames Bild.

Morgens brachten wir die Flaggenparade rechtzeitig und nach vorgeschriebenem Zeremoniell zustande, obwohl nicht ohne Schwierigkeit, denn der Flaggenstock achtern passte nicht in seine Ringe und der Kommandantenwimpel hatte sich in die Gaffel verwickelt, es brauchte viel Zeit, Mühe und Meinungsverschiedenheit, um ihn zu klarieren. Dann wuschen wir Deck und schälten Kartoffeln.

„Können Sie morsen? Können Sie winken?“ fragte mich der Kommandant, als er an Bord kam.

„Ich habe es gelernt, aber das meiste vergessen“, erwiderte ich.

Wir waren alle Reservisten. Niemand verstand sein Metier noch perfekt.

Ein Matrose fragte den andern verlegen, wie Buchstabe Quatsch (also Q) in der Flaggensprache oder wie Uli in der Winkflaggensprache hieße, oder wie der Anruf beim Morsen wäre. Die Maschinistenmaate suchten nach Ventilen oder betasteten verwirrt ihre Maschine. Auch der Kommandant war unsicher. Dabei sollten wir um zwölf Uhr in See gehen. Es war noch kein Geschütz, es waren weder Ferngläser noch Kompass noch Karten an Bord. Die Nietenarbeiter hämmerten ebenfalls weiter. Das zog sich denn auch noch mehrere Tage so hin.

Abends auf Urlaub eilte ich zu Pfeiffer in die Kaserne und besuchte bordstolz und anhänglich auch andere Bekannte. Nachts konnte ich nicht einschlafen über dem fieberhaften Nietengeknatter, und weil ich noch nicht an die Kakerlaken gewöhnt war, die in den Kojen, Spinden und Essgeschirren wimmelten.

Zudem brachte die Wolle meiner Kommissstrümpfe meine Füße zum Jucken, und das Jucken zum Kratzen und das Kratzen zur Entzündung. Ich stieg an Deck und nahm dem erfreuten Jessen die Wache von zwei bis vier Uhr ab, in welcher Zeit ich dann tausend Kilo Speck verzehrte. Am nächsten Abend übernahm Jessen dafür freiwillig meine Wache unter der Bedingung, dass ich ihm Priemtabak aus der Kaserne mitbrächte.

Der stille, verträgliche Jessen gefiel mir gut. Er war ein Gutsbesitzer aus der Nähe von Flensburg und sprach leichter dänisch als deutsch. Auf „BLEXEN“ war ihm die Funktion eines Bootsmannes zugefallen. Ich hatte die nautischen Instrumente, das Signalmaterial und die Lampen zu betreuen. Meine Hauptstütze dabei wurde ein Matrose Binneweis, der früher einmal Dienstmann und noch früher Couleurdiener gewesen war. Er suchte mir immer mit akademischen Redewendungen zu imponieren. Im Hafen, wo wir lagen, war jederzeit ein interessanter Betrieb.

Kaiserliche Marinewerft in Wilhelmshaven

Auf den großen Schiffen spielte Musik, und dann lief die „CHEMNITZ“ ein, ein großer Handelsdampfer, der jetzt durch die Rote-Kreuz-Flagge und durch einen breiten grünen Streifen um den weißen Leib als Sanitätsschiff gekennzeichnet war. Indessen wartete viel Arbeit auf uns alle. In meinem Ruderhaus lagen Wurfleinen, Lotleinen, Signalleinen wie Spaghetti durcheinander. Immer neues Zeug kam hinzu, Taljen, Raketen, Megaphone und Kisten mit Gewehr- oder Geschützmunition, letztere trugen zum Teil die Aufschrift „Für ARIADNE“. Zu spät! Das Geschütz selber, eine Revolverkanone, traf endlich ein. Vier Mann hatten ihre Not, die Lafette über das schmale Laufbrett von Land an Bord zu bringen. Als ihnen aber dann mit dem viel schwereren Geschützrohr das gleiche Manöver gar nicht gelingen wollte, ergriff plötzlich der lange Apfelbaum mit seinen riesigen Pratzen die schwere Last und trug sie ganz allein hinüber. Und dieser starke Mann hatte Angst vorm Totgeschossenwerden und drückte sich vor jeder schwereren Arbeit. Er hatte sich zum Koch gemeldet, weil er da an der Fressquelle saß und nebenbei einen einträglichen Handel mit Schnaps und Zigaretten betreiben konnte. Vom Kochen hatte er keine Ahnung. So schmeichlerisch er nach allen Seiten war, so durchschauten wir ihn doch bald, und einige, die besonders erbost oder auch neidisch auf ihn waren, wischten ihm gelegentlich eins aus. Es gab überhaupt bald kreuz und quer Quängeleien. Die Heizer und die Maschinistenmaate zankten sich, weil in der Maschine nichts klappte. Auch waren neue Leute zu der bisherigen Schiffsbesatzung eingetroffen, aber vorläufig wieder weggeschickt worden, weil die Grandis – (so war der Spitzname für die Zivilarbeiter) – noch keine neuen Kojen eingebaut hatten. Und als auch das besorgt war, und die Leute endlich einzogen, gab es sofort Differenzen darüber, wer die beste und wer welche Koje bekäme. Vizesteuermann Kaiser, unser Kommandant, fand in seiner freundlichen Geduld einen Ausweg, indem er uns Decksmaaten – es war ein dritter hinzugekommen, der die Artillerie leiten sollte –, die Messe überließ. Dort gab es...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2022
Reihe/Serie maritime gelbe Buchreihe
maritime gelbe Buchreihe
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Cuxhaven • Kiel • Kriegsschiff • Maat • Matrose • Meer • Seefahrt • seeoffizier • Weltkrieg • Wilhelmshaven#
ISBN-10 3-7541-9378-3 / 3754193783
ISBN-13 978-3-7541-9378-5 / 9783754193785
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
E-Book Endkundennutzungsbedinungen des Verlages

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Was haben Kunst, Musik oder Religion mit Mathematik am Hut?

von Norbert Herrmann

eBook Download (2025)
Springer Berlin Heidelberg (Verlag)
CHF 19,50
Der kurze Weg zum langen Leben. Was die Wissenschaft über gesunde …

von Karin Michels

eBook Download (2025)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 16,60