Georg Brandes: Urchristentum - Band 191-2 in der gelben Buchreihe - bei Jürgen Ruszkowski (eBook)
150 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7541-9075-3 (ISBN)
Georg Morris Cohen Brandes war ein dänischer Kritiker und Gelehrter, der die skandinavische und europäische Literatur von den 1870er Jahren bis zur Wende des 20. Jahrhunderts stark beeinflusste.
Georg Morris Cohen Brandes war ein dänischer Kritiker und Gelehrter, der die skandinavische und europäische Literatur von den 1870er Jahren bis zur Wende des 20. Jahrhunderts stark beeinflusste.
Kommunismus
Kommunismus
* * *
1.
Am 20. Mai 325 wurde im großen Kaisersaal in Nizäa eine Kirchenversammlung mit Kaiser Konstantin selbst in voller kaiserlicher Pracht als Präsident eröffnet.
Die Versammlung nahm einen stürmischen Verlauf, obgleich der Kaiser in einer kurzen Rede auf Lateinisch – er sprach sonst Griechisch – die Bischöfe, die er durch seine Anwesenheit ehrte, ermahnte, sich in Einigkeit zu begegnen und sich nicht durch den, seiner Ausdrucksweise nach „unbedeutenden“ Streit zwischen den Anhängern des Arius und denen des Athanasius zersplittern zu lassen. Das Wort des Kaisers von der Notwendigkeit gegenseitiger Duldsamkeit fiel zu Boden.
Die Arianer, die durch Eusebius von Cäsarea repräsentiert wurden, hielten sich anfangs stark zurück; sie befanden sich in bedeutender Minderheit. Der Versuch, Einigkeit über den Grundsatz zu erzielen, dass der Sohn wesensgleich mit dem Vater sei, aber nicht genau das Wesen mit Gottvater gemein habe, misslang.
Eusebius von Caesarea (* 260/64 in Palaestina; † 339 oder 340 in Caesarea; altgriechisch Εὐσέβιος ὁ τῆς Καισαρείας, deutsch ‚Eusebios von Kaisareia‘, lateinisch Eusebius Caesariensis)
Bischof Nikolaus von Myra ohrfeigt Arius auf dem Konzil in Nicäa
Als der Versöhnungsversuch des Kaisers missglückte, wurde man zuletzt zur Einigkeit über des Eusebius von Nikomedeas Verurteilung „aller ungöttlichen Ketzereien“ gezwungen und formulierte folgenden Schlusssatz: „Wer sagt, dass es eine Zeit gab, da Christus nicht existierte, oder dass er überhaupt nicht war, ehe er gezeugt wurde, oder auch, dass er aus dem Nichts entstand, und wer sagt, dass Gottes Sohn aus einer andern Substanz als Gott selbst erschaffen wurde, oder wer ihn veränderlich nennt, den verflucht Gottes allgemeine und apostolische Kirche.“
Diese Worte sind lehrreich, nicht nur weil sie zeigen, dass die Lebensanschauung des Arius ganz zu Boden geschlagen war, sondern auch, weil sie beweisen, dass schon zu Anfang des vierten Jahrhunderts der Jesus der synoptischen Evangelien vollkommen von einem nicht mit der Gottheit verwandten, sondern völlig gleichen, einsgearteten Wesen verdrängt war. Schon damals war das Idyll in Galiläa, der Wanderprädikant in Palästina, gründlich vergessen. Von einem „historischen“ Jesus war bei Gründung der Kirche keine Rede. Der einzige Christus, den man kannte und anerkannte, war der übernatürliche, überirdische, der im Himmel thronte.
* * *
2.
Jesus war zu Beginn unserer Zeitrechnung ein so verbreiteter Personenname wie in späteren Zeiten William in England. Als Nachfolger Mose wird ja schon ein Jeshua oder Josva genannt, welcher Name gleichbedeutend mit dem griechischen Jesus ist; später findet man im Alten Testament ein ganzes Buch von Jesus, dem Sohn des Sirach. Es gibt noch einen andern Jesus, den Sohn des Shiach, der Hohepriester und bei Archelaus, dem Sohn des Herodes beliebt war. Josephus erwähnt noch fast ein Dutzend Männer des Namens Jesus.
Wenn Josephus in seinen „Antiquitates“ (20, 9) von Jakobus, dem Bruder des „Jesus, des sogenannten Christus“ spricht, kann die Stelle nicht echt sein. Gemeint ist natürlich der Jakobus, der im Neuen Testament gewöhnlich als der Bruder des Herrn bezeichnet wird. Aber Josephus kann unmöglich selbst den angeführten Satz geschrieben haben. Er, der gleich beliebt bei Vespasian, Titus und Domitian war, erblickte in Domitian, offenbar wegen der Vorzüge, die zu Anfang seiner später grausamen Regierung zutage traten, eine Art Messias, und da er es als eine Gotteslästerung ansah, wenn sich jemand selbst die Christuswürde zulegte, kann er unmöglich leidenschaftslos von „Jesus, dem sogenannten Christus“ gesprochen haben. Die Stelle ist so bestimmt unecht wie die berühmte, im Text eingeflochtene Stelle, deren Unechtheit allgemein anerkannt ist (Antiquitates 18, 3, 3), die von Jesus als dem weisen Mann spricht, der vielleicht nicht Mensch genannt werden dürfte.
Die Frage ist ja indessen gar nicht, ob einmal ein Jesus gelebt hat, der während der starken messianischen Strömung, die durch Israel ging, als Christus auftrat, sondern, ob wir in den Evangelien und Schriften des Neuen Testaments Mittel zur Einsicht in das historische Wesen dieses Jesus besitzen, und ob er als Urheber des Christentums betrachtet werden kann.
Da das ganze Neue Testament und ihm zufolge die ganze Kirche des Altertums den Gedanken an einen rein menschlichen Religionsstifter abweist, sollten die liberalen Theologen nicht behaupten, dass gerade diese uralten Quellen erst durch spätere Trübung das Bild eines nicht nur menschlichen Begründers einer neuen Religion spiegeln.
* * *
3.
Ferdinand Baur, der berühmte Begründer der Tübinger Schule, spricht sich in seinem zusammenfassenden Werk „Die Geschichte der christlichen Kirche“ (1853) offen dahin aus, dass nicht die Lehre des Meisters, sondern der Glaube der Jünger an die Auferstehung, also der alte jüdisch-christliche Messianismus, Voraussetzung für die Geschichte des Christentums durch alle Zeiten sei.
Die Voraussetzung für die schnelle Verbreitung der neuen Lehre war jedoch in erster Linie das Römische Reich, das Grenzen geschleift und Nationalitätsunterschiede durchbrochen hatte. Dadurch wurde die Möglichkeit geschaffen, dass die Kirche allgemein verbindend oder, wie es mit einem Fremdwort genannt wird, katholisch wurde.
Das christliche Zeitalter begann nicht auf Tag und Stunde, nicht auf einen Glockenschlag, nicht einmal auf eine Jahreszahl.
Plutarch („Ploútarchos“, latinisiert „Plutarchus“; * um 45 in Chaironeia; † um 125) war ein antiker griechischer Schriftsteller. Er verfasste zahlreiche biographische und philosophische Schriften, die seine umfassende Bildung und Gelehrsamkeit zeigen.
Wenn aber das Christentum seinem Wesen nach eine Verschmelzung altgriechischer Mysterien, neuplatonischer Philosophie, griechisch-römischen Glaubens an Gottmenschen und an Dämonen war, wie er zum Beispiel stark bei Plutarchos (40-120) hervortrat, wenn das Christentum ferner stoische Askese und Menschenliebe mit dem Verzicht der Zyniker auf alle irdischen Güter zusammenfasste, und wenn es zudem von der Grundmauer bis zum Dach auf alttestamentarischem Messias-Glauben beruhte, so ist sein Auftreten völlig verständlich auch ohne die Legende von dem Tod und der Auferstehung des galiläischen Handwerkers, die an und für sich doch niemals die historische Notwendigkeit und die reißend schnelle Verbreitung der neuen Religion erklären könnte. Es ist geradezu kindisch, anzunehmen, dass ein durch eine Geistererscheinung zum Christentum bekehrter antichristlicher Fanatiker wie Paulus imstande gewesen sein soll, durch seine Predigten von einem in Kleinasien und auf der Balkanhalbinsel ganz unbekannten Jesus die Bewohner dieser großen Gebiete zu einer ihnen fremden Religion zu bekehren.
Die Kirchenväter, für die dieser Jesus als übernatürliches Wesen bei der Erschaffung der Welt mitgewirkt hatte, besaßen ein tieferes Verständnis für die Entstehungsweise neuer Gemeinschaftsformen als moderne liberale Theologen. Sie begriffen, dass die Geschichte durch die Vorgeschichte bedingt wird. Den Hintergrund für die Verbreitung des Christentums bilden nicht die ungerechte Hinrichtung und die übernatürliche Auferstehung eines einzelnen Menschen, sondern die ökonomischen Verhältnisse Roms, der Hang und Drang des gemeinen Mannes zum Kommunismus. Denn in seinem Ursprung ist das Christentum in sozialer Beziehung nur Kommunismus.
Der Begriff „Kommunismus“ geht auf das lateinische Wort „communis“ zurück, was „gemeinsam“ bedeutet. Der Kommunismus hat eine bestimmte Vorstellung davon, wie eine ideale menschliche Gesellschaft aussehen sollte: Allen Menschen soll gemeinsam das gehören, was für den Lebensunterhalt notwendig ist. Das sind die sogenannten „Produktionsmittel“. Dazu gehören zum Beispiel Geräte…, aber auch das Land, auf dem Weizen, Gemüse und andere Dinge angepflanzt werden. Auch die Tiere, von denen die Menschen leben, gehören dazu, ebenso wie die Häuser, in denen die Menschen wohnen. Nach dieser Vorstellung, die es schon im Altertum gab, sollen alle Dinge, die gemeinsam hergestellt werden, auch gerecht untereinander verteilt werden.
* * *
4.
Die ganze Verfassung Roms in der damaligen Zeit beruhte auf der Kapitalsaufhäufung der Grundbesitzer. Erwerb war nicht ehrlicher Gewinn, sondern Beute wie im Krieg. Die größeren und kleineren Gutsbesitzer verkauften das Getreide ins Ausland, so dass der Staat gezwungen war, es für teures Geld zurückzukaufen, um einer Hungersnot zu begegnen. Das bei drei Evangelisten wiederholte, scheinbar paradoxe, Jesus in den Mund gelegte Wort: „Denn wer da hat, dem wird gegeben; und wer nicht hat, von dem wird man nehmen, auch das er hat“ (Matthäus 13, 12; Markus 4, 25; Lukas 19, 26) enthält die im Römischen Reich herrschende Vermögenspflege in Gestalt von Religion [Albert Kalthof: Entstehung des Christentums, S. 26 ff.].
Jahrhunderte hindurch hatte Rom die eroberten Provinzen geplündert, das Heer und teilweise das beständig wachsende Proletariat mit Hilfe eingetriebener Getreidesteuern erhalten.
Daher hat Plutarchos mit Recht Tiberius Worte in den Mund gelegt, die im Neuen Testament wiederholt werden. Tiberius sagte: „Die wilden Tiere haben ihre Höhlen und Zufluchtsstätten, die aber, welche ihr Blut vergießen, um das Römische Reich zu verteidigen, besitzen nichts außer Licht und Sonnenschein und der Luft, die sie einatmen. Sie werden die Herren der Erde genannt;...
| Erscheint lt. Verlag | 24.4.2022 |
|---|---|
| Reihe/Serie | gelbe Buchreihe | gelbe Buchreihe |
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie |
| Schlagworte | Apostelgeschichte • Christentum • Christus • Gnosis • Jerusalem • Jesus • Judentum • Markus • Mysterien • Paulus |
| ISBN-10 | 3-7541-9075-X / 375419075X |
| ISBN-13 | 978-3-7541-9075-3 / 9783754190753 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
E-Book Endkundennutzungsbedinungen des Verlages
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich