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Ethik der Psyche

Normative Fragen im Umgang mit psychischer Abweichung
Buch | Softcover
519 Seiten
2015
Campus (Verlag)
978-3-593-50190-1 (ISBN)

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Ethik der Psyche -
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Nach wie vor sind wir weit entfernt davon, psychische Phänomene wirklich zu verstehen. Vielfach gerät bei der Behandlung der Patient als "ganzer Mensch" aus dem Blickfeld, und psychische Störungen werden auf hirnphysiologische Phänomene reduziert. In einer kritischen Zusammenschau verbinden die Beiträger des Bands erstmals theoretische, historische, klinische und ethische Fragen, die sich in der Psychiatrie und der Psychotherapie stellen. Hinterfragt werden die normativen Vorannahmen im Umgang mit psychischen Abweichungen mit dem Ziel, eine "Ethik der Psyche" zu entwickeln, die der Besonderheit der geistigen Erlebnisse der Betroffenen gerecht wird.
Nach wie vor sind wir weit entfernt davon, psychische Phänomene wirklich zu verstehen. Vielfach gerät bei der Behandlung der Patient als »ganzer Mensch« aus dem Blickfeld, und psychische Störungen werden auf hirnphysiologische Phänomene reduziert. In einer kritischen Zusammenschau verbinden die Beiträger des Bands erstmals theoretische, historische, klinische und ethische Fragen, die sich in der Psychiatrie und der Psychotherapie stellen. Hinterfragt werden die normativen Vorannahmen im Umgang mit psychischen Abweichungen mit dem Ziel, eine »Ethik der Psyche« zu entwickeln, die der Besonderheit der geistigen Erlebnisse der Betroffenen gerecht wird.

Günter Feuerstein ist Privatdozent am FSP BIOGUM an der Universität Hamburg. Thomas Schramme ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Hamburg.

Inhalt

Einleitung 9
Günter Feuerstein und Thomas Schramme

Wie soll das Psychische theoretisch gefasst werden?

Wege und Irrwege: Wie aktuell ist die Psychiatriekritik? 15
Klaus Dörner

Das Dilemma der psychiatrischen Diagnose der Persönlichkeitsstörung 23
Claas-Hinrich Lammers

Mit der Taucherglocke oder nackt in die Tiefsee der Sprache - Walter Benjamins Theorie der Schizophrenie 43
Kai Sammet

Psycho-Neuro-Konvergenzen? Zum Wandel des Krankheits-verständnisses unter dem Einfluss der neuronalen Bildgebung 63
Günter Feuerstein

Die Eigenständigkeit des Krankheitsbegriffs in der Psychiatrie99
Thomas Schramme

Normierung der psychischen Besonderheit und Abweichung

Fordert eine "psychische Störung" zum Heilen auf? 125
Elsa Romfeld

Das Dispositiv der Autonomie und das psychiatrische Feld 143
Angelika Pillen

Ethik und Psychotechnik: Das sowjetische Modell ärztlicher Verhaltensnormierung 155
Igor J. Polianski

Hyperreflexivität in einer nicht-dualistischen Konzeption menschlichen Handelns 181
Björn Sydow

Psychiatrische Praxis in der ethischen Diskussion

Bezahlte Studienteilnahme - ein Angebot mit Zwangscharakter? 201
Alan Wertheimer und Franklin G. Miller

Identität, Person und Persönlichkeit im Hinblick auf die tiefe Hirnstimulation 215
Kirsten Brukamp

Erinnerungen beeinflussen, um psychische Gesundheit zu bewahren? Ethische Implikationen der medikamentösen Prophylaxe der Posttraumatischen Belastungsstörung 229
Katja Kühlmeyer

Akutpsychiatrie mit offenen Türen?Historische Entwicklung und ethische Analyse 247
Ralf J. Jox und Mirjam Schwerwacher

Pharmakologische Aversivbehandlung rückfälliger Patienten mit Alkoholabhängigkeit aus medizinethischer Sicht 269
Thomas Reuster und Elisabeth Händel

Ärztlich assistierte Selbsttötung bei beginnender Demenz - eine medizinethische Analyse 285
Jakov Gather und Jochen Vollmann

Institutionelle Angebote zur ethischen Orientierung

Personenzentrierte Entscheidungsfindung bei Demenzkranken in der Akutgeriatrischen Universitätsklinik Basel 307
Anja Ulrich, Martina Hafner, Barbara Meyer-Zender, Stella Reiter-Theil und Reto W. Kressig

Zur Berücksichtigung ethischer Aspekte in Demenzleitlinien 331
Daniel Strech, Marcel Mertz, Martina Schmidhuber, Gerald Neitzke und Hannes Kahrass

Ethik, Krankenhausseelsorge und Sozialpsychiatrie 347
Ruth Albrecht und Hildegard Emmermann

Wie Patientenautonomie bewahren und fördern?

Willensbildung und Selbstbestimmung unter der Bedingung schwerer Erkrankung 365
Michael Wunder

"Sich kümmern" - eine Alternative zu Paternalismus und Dienstleistung in der psychiatrischen Behandlung 391
Steffi Koch-Stoecker

Einwilligungsfähigkeit in der Psychiatrie - am Beispiel der Behandlung therapieresistenter Depression mittels der tiefenHirnstimulation 409
Felix Krause

Auf schmalem Grat zwischen Autonomie und Bevormundung in der Psychiatrie - Anwaltschaftliche Ethik als Baustein psychiatrischer Ethik 431
Gwendolin Wanderer

Kinderwunsch und Elternschaft bei psychisch Kranken - eine Topographie ethischer Konfliktlagen 449
Gisela Badura-Lotter und Silvia Krumm

Patientenverfügungen und Behandlungsvereinbarungen in psychiatrischen Kliniken in Deutschland 473
Katrin Radenbach und Alfred Simon

Ethische Aspekte der forensischen Psychiatrie

Neurobiologie, Psychologie und die Frühprävention antisozialen Verhaltens - eine ethische Vergleichsanalyse 487
Dorothee Horstkötter und Guido de Wert

Ausschluss von Patienten der Forensischen Psychiatrie von medizinischer Forschung - berechtigt aus Sicht der Betroffenen? 505
Fabian Mosbach, Dirk Hesse, Jürgen L. Müller und Claudia Wiesemann

Autorinnen und Autoren 517

"In einer kritischen Zusammenschau verbindet der Band theoretische, historische, klinische und ethische Fragen, die sich in der Psychatrie und Psychotherapie stellen.", Dr. med. Mabuse, 08.05.2017

»In einer kritischen Zusammenschau verbindet der Band theoretische, historische, klinische und ethische Fragen, die sich in der Psychatrie und Psychotherapie stellen.«, Dr. med. Mabuse, 08.05.2017

Einleitung

Günter Feuerstein und Thomas Schramme

Verfügt die medizinische Ethik über die theoretischen Instrumente, ange-messen auf die praktischen Probleme der Psychiatrie zu reagieren? Oder erfordern die spezifischen Besonderheiten, welche die theoretische Kon-zeptualisierung des Psychischen und der Umgang mit psychischen Abwei-chungen mit sich bringen, eine genuine Ethik der Psyche? Dies ist eine der zentralen Fragen, die dem vorliegenden Band zugrunde liegen und ebenfalls den Fokus der Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin bildeten, die 2012 in Hamburg stattfand und deren Ergebnisse hier dokumentiert werden.
Die psychiatrische Ethik ist im Vergleich zur medizinischen Ethik weit weniger entwickelt. Häufig werden ihre Fragen auf solche der Zwangsbe-handlung und verwandter Gebiete wie die der Selbstbestimmungsfähigkeit reduziert. Das ist zum einen eine thematische Engführung; zum anderen ist fraglich, ob die ethischen Richtlinien, wie sie im Umgang mit nicht ein-willigungsfähigen Patienten entwickelt wurden, für psychiatrische Patienten passen, da diese üblicherweise nicht grundsätzlich einwilligungsunfähig sind, doch gleichwohl bisweilen Defizite in der Entscheidungsfindung aufweisen, die mit den üblichen Kategorien nicht gefasst werden können. Hinzu kommt, dass schon die Art und Weise, wie wir über die Psyche des Menschen reden, normative Vorannahmen reflektieren und Konsequenzen zeitigen kann. Bevor man also die speziell auf die psychiatrische Praxis fokussierende Ethik diskutiert, benötigt man eine ethische Perspektive auf die konzeptuellen und theoretischen Auffassungen bezüglich der menschlichen Geistestätigkeit. Darüber herrscht alles andere als Einigkeit und es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Betrachtungsperspektiven und Deutungen, die zudem in ständigem Wandel begriffen sind. Verstehen wir die Psyche als Ensemble von Hirnfunktionen? Benötigen Patienten zur Einwilligungsfähigkeit in erster Linie kognitive Fähigkeiten? Was unterscheidet überhaupt Emotion und Kognition? Antworten auf diese Fragen präfigurieren das normative Feld und ethische Entscheidungen.
Es gilt also, die ethischen Fragen der Psychiatrie nicht nur auf solche eingespielten Gebiete wie die Achtung der Autonomie und die Frage der Beförderung des Wohls zu beschränken, sondern die normative Signifi-kanz von Aspekten der Psychiatrie zu erkennen, die sich so in der allge-meinen Medizin nicht präsentieren. So stellt etwa erstens das erkenntnis-theoretische Problem des mangelnden Zugangs zum Geist eine grundle-gende Schwierigkeit der wissenschaftlichen Erforschung von psychiatri-schen Störungen dar, die immer wieder zu fundamentalen Angriffen auf die Psychiatrie und letztlich zu einer Flucht in die sogenannte biologische Psychiatrie geführt haben - wobei, nebenbei bemerkt, diese Bezeichnung die biologische Perspektive mit der Neurowissenschaft identifiziert, was selbst wissenschaftstheoretisch unpassend ist.
Ein zweites Problem der Psychiatrie besteht im fehlenden Ort der Krankheit, ein letztlich ontologisches Problem. Wie man zuletzt wieder im Zusammenhang der Diskussion über das neue Diagnosemanual der American Psychiatric Association, dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5), sehen konnte, scheint die Psychiatrie sehr viel mehr als die Allgemeinmedizin mit diesem Problem behaftet und daher geneigt, gesellschaftliche Urteile in die Diagnose einzuschleusen. Die Frage, was medizinisch normal ist, scheint weniger von Werturteilen gesteuert, als was psychiatrisch normal ist. Ob diese Sichtweise berechtigt ist, erfordert eine theoretische Herangehensweise an den Begriff der psychischen Störung, die selbst mit Fragen der Normativität konfrontiert ist, etwa was es heißt, nosologische Einheiten wie "Schizophrenie" oder "Asperger Syndrom" zu schaffen.
Drittens sollte noch einmal die bereits angedeutete Schwierigkeit der mangelnden Interaktionsfähigkeit einiger psychiatrischer Patient

Erscheint lt. Verlag 9.2.2015
Co-Autor Ruth Albrecht, Gisela Badura-Lotter, Kirsten Brukamp, Guido De Wert, Klaus Dörner, Hildegard Emmermann, Günter Feuerstein, Jakov Gater, Martina Hafner, Elisabeth Händel, Ulrich A. Hermann, Hans D. Hesse, Dorothee Horstkötter, Ralf J. Jox, Hannes Knüppel, Steffi Koch-Stoecker, Felix Krause, Reto W. Kressig, Silvia Krumm, Katja Kühlmeyer, Class-Hinrich Lammers, Marcel Mertz, Barbara Meyer-Zender, Franklin G. Miller, Fabian Mosbach, Jürgen Müller, Gerald Neitzke, Angelika Pillen, Igor J. Polianski, Katrin Radenbach, Stella Reiter-Theil, Thomas Reuster, Elsa Romfeld, Kai Sammet, Martina Schmidhuber, Thomas Schramme, Mirjam Schwermacher, Alfred Simon, Johann F. Spittler, Daniel Strech, Björn Sydow, Johannes Thome, Jochen Vollmann, Gwendolin Wanderer, Alan Wertheimer, Claudia Wiesemann, Michael Wunder
Zusatzinfo ~10 Tabellen in s/w und 1 Abb. in s/w
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 140 x 214 mm
Gewicht 630 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Philosophie Ethik
Schlagworte Abweichendes Verhalten • Benjamin, Walter • Ethik • Freud, Sigmund • Identität • Medizin • Norm • Normativ • Patientenautonomie • Persönlichkeitsstörung • Psychatriekritik • Psychatrische Ethik • Psychiatrie • Psychotherapie • Schizophrenie • Wille, freier
ISBN-10 3-593-50190-2 / 3593501902
ISBN-13 978-3-593-50190-1 / 9783593501901
Zustand Neuware
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